Studenten sollen (indirekt) die Haushaltskasse füllen

Da hatte der Senat doch mal wieder eine Idee, wie er seine Finan­zen etwas auf­bes­sern könnte. Die Stu­den­ten soll­ten her­hal­ten — nein, nicht durch Stu­di­en­ge­büh­ren, sogar ganz ohne zu bezahlen.

Die Idee war fol­gende: Viele der Ber­li­ner Stu­den­ten, die aus einem ande­ren Bun­des­land kommen, sind mit ihrem Haupt­wohn­sitz noch bei ihren Eltern gemel­det. Wären sie aber auch “Lan­des­kin­der”, würde Berlin für sie pro Kopf und Jahr etwa 2900 Euro aus dem Län­der­fi­nanz­aus­gleich erhal­ten. Die Regie­rung wollte also alle Stu­den­ten ver­pflich­ten, ihren ersten Wohn­sitz in Berlin anzu­mel­den und rech­nete mit rund 50 Mil­lio­nen Euro zusätz­li­chen Ein­nah­men im Jahr. Die Grünen hatten mit dieser Idee schon vor eini­ger Zeit einen Antrag gestellt. Sie woll­ten den § 14 des Hoch­schul­ge­set­zes ändern und die Mel­de­pflicht an die Rück­mel­dung zum Semes­ter kop­peln. Ver­stöße soll­ten sank­tio­niert werden — bis hin zur Exmatrikulation.

Hätten sie doch alle lieber vorher in die Ver­fas­sung geschaut: Dort ist das Recht auf freie Wahl der Aus­bil­dungs­stätte fest­ge­schrie­ben, dass durch die Mel­de­pflicht behin­dert würde. 

Aus­sa­ge­kräf­tig ist auch ein Urteil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­rich­tes aus dem Jahr 1991: Das Gericht hatte sich damals mit dem Fall einer Stu­den­tin in Trier beschäf­tigt und ent­schie­den, dass sich der Haupt­wohn­sitz da befin­det, wo man sich rein quan­ti­ta­tiv die meiste Zeit auf­hält. Es darf nicht regel­haft ange­nom­men werden, dass dies bei ledi­gen Voll­zeit­stu­den­ten auf jeden Fall der Stu­di­en­ort ist. Also: Obwohl die meis­ten Ber­li­ner Stu­den­ten sich wahr­schein­lich wirk­lich haupt­säch­lich in Berlin auf­hal­ten, müsste erst jeder ein­zelne über­prüft werden, bevor er zur Erst­wohn­sitz-Mel­dung ver­pflich­tet werden könnte. So war das natür­lich nicht gedacht.

Auf­grund dieser nie­der­schmet­tern­den Fakten — auf die man eigent­lich gleich hätte stoßen können — hat die Koali­tion ihren Antrag jetzt zurück­ge­zo­gen, und auch die Grünen werden dies wahr­schein­lich tun. Doch die Grund­idee ist nicht aus der Welt: Bis zur nächs­ten Sit­zung des Haus­halts­aus­schus­ses am 10.04. sollen die Frak­tio­nen jetzt Vor­schläge erar­bei­ten, wie man die Stu­den­ten durch Geschenke oder Prä­mien zur Mel­dung des Haupt­wohn­sit­zes über­re­den könne. Ben­ja­min Hoff, der hoch­schul­po­li­ti­sche Spre­cher der PDS, ver­weist dabei auf Ver­fah­ren in 26 ande­ren Uni­ver­si­täts­städ­ten. Nebenan in Pots­dam erhal­ten die Stu­den­ten ein “Begrü­ßungs­geld” von 50 €, wenn sie ihren ersten Wohn­sitz in der Stadt anmel­den. Dieser Betrag lockt aber offen­sicht­lich lange nach der Wende nicht mehr so sehr, das Ange­bot wird nur mäßig ange­nom­men. Andere Prä­mien rei­chen von der Erstat­tung des Semes­ter­ti­ckets oder gleich des ganzen ersten Semes­ter­bei­trags über Gut­schein­hefte für diverse kul­tu­relle Ein­rich­tun­gen bis hin zu einer “Umzugs­bei­hilfe” von 130 € in Dres­den und einer “Auf­wands­ent­schä­di­gung” von 150 € in Mag­de­burg (für die man aller­dings erst nach zwei Jahren einen Antrag stel­len kann). 

Seinen Haupt­wohn­sitz zu ver­le­gen kann sich also in Zukunft rich­tig lohnen, zumal man dadurch eigent­lich auch keine Nach­teile hat, wenn man sowieso länger hier blei­ben wollte. Even­tu­elle Pro­bleme mit dem BAföG-Amt ließen sich laut Ben­ja­min Hoff leicht ausräumen.

Doch auch die Prä­mien-Rege­lung hat ihre Häk­chen: So sollte in Wismar ab 2002 ein Fahr­rad geschenkt werden. Ein “ein­ge­bo­re­ner” Wis­ma­rer Stu­dent meinte nun auch das Recht auf ein Fahr­rad zu haben und hat geklagt.