Die Verdummung kommt schleichend

Gunnar Schrö­ter (28) gehört zum Urge­stein des Uni-poli­ti­schen Enga­ge­ments an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Berlin.

Als ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der der Aus­bil­dungs­kom­mis­sion und lang­jäh­ri­ges Mit­glied in Fach­be­reichs- und Fakul­täts­rat kennt er die Gre­mi­en­ar­beit aus dem Effeff. Über acht Jahren setzte er sich für die Belange der Stu­den­ten ein. Mitt­ler­weile ist er Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Fach­be­reich Infor­ma­tik und ver­tritt seine Sta­tus­gruppe seit nun­mehr vier Jahren im Fakultätsrat. 

bus: Die stu­den­ti­sche Wahl­be­tei­li­gung zu den uni­ver­si­tä­ren Gre­mien in Berlin nimmt seit Jahren stetig ab. An der TU liegt sie zur Zeit bei 7 Pro­zent. Wie kann das sein? 

Gunnar: Es ist ganz klar: die meis­ten Stu­den­ten sind des­in­ter­es­siert. Wenn sich nur zwei Stu­die­rende für den Fakul­täts­rat auf­stel­len, gibt es keine Alter­na­tive. Manche gehen dann sogar bewußt nicht zur Wahl. Viele wissen aber auch gar nicht Bescheid, die Wahlen sind oft schlecht orga­ni­siert. Selbst ein neu­gie­ri­ger Stu­dent hat es da nicht leicht: bis auf ein paar Zet­tel­chen gibt es nur wenig Information. 

bus: Wieso werden die Wahlen so schlecht organisiert? 

Gunnar: Auch enga­gierte Stu­den­ten müssen stu­die­ren. Im Gegen­satz zu mir bekom­men sie kein Geld für ihre Arbeit in den Gre­mien. [Anm.: Ein Drit­tel der Arbeits­zeit des wis­sen­schaft­li­chen Per­so­nals ist für Gre­mi­en­ar­beit reser­viert] Da sind viele nicht bereit, Zeit und Ener­gie reinzustecken. 

bus: Trotz­dem hast du einen Groß­teil der letz­ten zwölf Jahre in uni­ver­si­tä­ren Gre­mien verbracht. 

Gunnar: Ja. Und es hat sich gelohnt. Die Gre­mi­en­ar­beit bringt einem sehr viel Erfah­rung. Ich habe rich­ti­ges Kom­mu­ni­zie­ren und Argu­men­tie­ren gelernt. Für mich ist es sowieso eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, — und so sollte es eigent­lich für jeden sein — sich zu enga­gie­ren, in wel­cher Weise auch immer. Trotz­dem will ich nichts beschö­ni­gen. Das Ganze ist sehr zeit­auf­wen­dig. Aber mir macht es ein­fach großen Spaß. 

bus: Was kann man fach­lich erreichen? 

Gunnar: Im Großen und Ganzen — Klei­nig­kei­ten. Obwohl man nie die “Macht der guten Vor­lage” ver­ges­sen darf. Wenn Stu­den­ten eigene Ideen haben, die sich umset­zen lassen, sind die Pro­fes­so­ren im Zug­zwang, ihrer­seits eine Vor­lage zu erar­bei­ten. Meis­tens finden sich dann eigene Kon­zepte darin wider. 

bus: Was rätst du Stu­den­ten, die sich enga­gie­ren wollen? 

Gunnar: Geht am besten in die Aus­bil­dungs­kom­mis­sion, die suchen immer Leute. Sie hat zwar kein Stimm­recht, kann aber Vor­la­gen ent­wi­ckeln. Die Arbeit dort fand ich immer am fruchtbarsten. 

bus: Was muß an den Unis ver­bes­sert werden? 

Gunnar: Die Lehre! Es gibt immer mehr Pflicht- und Mas­sen­ver­an­stal­tun­gen, ver­bo­te­ner­weise wird im Infor­ma­tik­grund­stu­dium sogar aus­ge­lost, wer an bestimm­ten Prak­tika teil­neh­men darf und wer nicht. Alles wird anony­mer. Die Stu­den­ten können sich besser durch­mo­geln, sie ent­wi­ckeln eine Art Über­le­bens­trai­ning. Nur die Wenigs­ten stu­die­ren noch im ursprüng­li­chen Sinne. Aber sie merken gar nicht, wie gefähr­lich die Situa­tion ist, sie kennen es ja gar nicht anders. Oder wißt ihr, wie es ist, in der Kneipe mit dem Tutor bis spät in die Nacht noch am Stoff zu dis­ku­tie­ren? Die Ver­dum­mung kommt schlei­chend, ohne dass sich jemand wehrt. 

bus: Und dann ertönt irgend­wann ein großer Knall? 

Gunnar: Wahr­schein­lich. Die Indus­trie wird strei­ken. Sie wird sich nur noch mit Elite-Stu­den­ten zufrie­den geben. Die rest­li­chen Uni­ver­si­tä­ten müssen dann sehen, wo sie blei­ben. Mit Sicher­heit wird es knal­len. Wann? Kein Ahnung. Aber ich werde der Erste sein, der dabei ist.