Jeden Tag gab es etwas Neues
Mein Auslandssemester in Amsterdam Was trieb mich dazu, meine gewohnte Umgebung und meine Freunde zu verlassen, um für ein Semester in Amsterdam zu studieren?
Es war die Herausforderung und Neugier, ein anderes Land und dessen Kultur zu erkunden, aber auch der Wunsch, meinen persönlichen Horizont zu erweitern. Die Idee eines Auslandsemesters kam schon früh in mir auf bei der Informationsveranstaltung unseres Auslandsamtes im ersten Semester. Diese Idee ließ mich dann auch nicht mehr los. Ein Jahr vor dem geplanten Semesteraufenthalt bewarb ich mich und war sehr glücklich und euphorisch als die Zusage in meinem Briefkasten lag. Die Zeit verging wie im Fluge. Es gab viel zu organisieren: Untervermietung meiner Wohnung, Finanzierungsangelegenheiten, Unterkunft in Amsterdam, Auswahl der Kurse, um nur ein paar Dinge aufzuzählen. Ja, es war ziemlich aufwendig, insbesondere da das Semester in Amsterdam schon Mitte Februar beginnt. Genau kann ich mich erinnern an die letzte Woche vor meiner Abreise: Da waren noch zwei sehr wichtige Prüfungen, die ich bestehen mußte und natürlich meine Sachen zusammenpacken. Glücklicherweise klappte alles und schon saß ich im vollbepackten Auto auf dem Weg nach Amsterdam..
Dies war der Zeitpunkt, an dem mir bewußt wurde, daß es ernst wird. Ich hatte mich die ganze Zeit gefreut, doch ich muß zugeben, daß sich diese Euphorie doch etwas mit dem Gefühl der Angst vermischte. Schließlich wußte ich nicht, was auf mich zukommt. Werde ich den Anforderungen gewachsen sein? Den englischsprachigen Vorlesungen folgen können? Mit wem werde ich zusammenwohnen und werde ich mich dort wohlfühlen? Was werde ich tun, wenn es mir nicht gefällt und ich Heimweh habe? Tausende Gedanken schossen mir durch den Kopf…Mein Vater, der mich nach Amsterdam brachte, fand nicht besonders sensible und beruhigende Worte: „Du hast Dir das so ausgesucht und jetzt fährst Du dahin!“
Recht hatte er, ich hatte es mir ausgesucht und ich wollte mich auf das „Abenteuer“ einlassen. Es dauerte nicht lange, bis wir in meiner neuen Heimat auf Zeit angekommen waren. Nun ja, ich wußte aus Erzählungen, daß die Studentenheime nicht besonders schön sein sollten. Sie waren es auch nicht. Zwei graue Betonblocks, nicht im besten Zustand. Der Blick von achten Stock über eine Gracht entschädigte mich für die doch sehr kleinen und wenig gepflegten Zimmer. Der spannendste Moment war das erste Zusammentreffen mit meiner Mitbewohnerin: Christine aus Kanada, Montreal. Ich war sehr erleichtert, da ich sie gleich mochte und das Gefühl hatte, mit ihr auf einer Wellenlänge zu liegen.
Dann begann auch sehr schnell der organisatorische Streß. Die Vorstellung bei dem Hausmeister und die Belehrungen: „Es ist natürlich verboten, Parties zu feiern, wer es trotzdem macht, mußte damit rechnen rausgeworfen zu werden.“ Ich war etwas verwirrt, keine Parties im Studentenwohnheim? Naja , wenn er das so sagt. Doch schnell wurde ich eines anderen belehrt, meine Mitbewohnerin hatte die erste Party organisiert. Unser kleines Apartment war überfüllt. Eine gute Möglichkeit für mich, die anderen Austauschstudenten zu treffen, da ich leider die Einführungswoche wegen der Semesterprüfungen in Berlin verpaßt hatte. Studenten aus Europa, Mexiko, Argentinien, Brasilien — aus der ganzen Welt!
“Du hast Dir das so ausgesucht und jetzt fährst Du dahin”
Am nächsten Tag war mein erster Vorlesungstag an der Amsterdam School of Business. So einfach wie ich mir das vorgestellt hatte, war es leider nicht. Es gab ein paar Komplikationen mit meinen Kursen. Der Kampf durch die Verwaltung — schließlich klappte alles. Ich hatte mich für Kurse entschieden, die für mein Studium anerkannt werden, aber auch für Vorlesungen, die an meiner Heimathochschule nicht angeboten werden. Die Vorlesungen wurden auf Englisch gehalten und waren sehr interessant, doch merke ich schnell, daß es große Unterschiede gab. Der Arbeitsaufwand war enorm: Gruppenarbeiten mit anschließenden Präsentation, Hausaufgaben sowie schriftliche Prüfungen in der Mitte und am Ende des Semesters. Viel Selbstorganisation und Durchhaltevermögen war erforderlich, um mehrere Projekte gleichzeitig umzusetzen. Manchmal hatte ich das Gefühl, es nicht zu schaffen. Rückblickend kann ich sagen, daß ich sehr viel gelernt habe, da sehr viel Wert auf internationale Teamarbeit, Praxisbezug und Präsentation gelegt wurde. Eine besondere Herausforderung war die Einladung zur Präsentation der Arbeitsergebnisse in die Heinecken Brauerei im Rahmen eines Projektes. Dank der internationalen Ausrichtung und Vielfalt der Kurse konnte ich meinen akademischen Horizont erweitern. Besonders interessant waren unter anderem die Vorlesung Interkulturelle Kommunikation, Business Ethics European Law sowie International Advertising.
Ein Auslandsstudium hat aber auch noch eine zweite sehr wichtige Seite. Es ist die Chance, eine andere Kultur, neue Menschen und Denkweisen kennenzulernen, aber auch sich selbst besser kennenzulernen. Es dauerte nicht lange und ich fühlte mich heimisch in Amsterdam. Mit dem Fahrrad entdeckte ich die Stadt, vorbei an den wunderschönen Grachten und Häusern. Jeden Tag gab es etwas Neues. Die Bewohner von Amsterdam sind sehr offen und tolerant und genießen das Leben. Etwas ungewöhnlich war, daß viele Amsterdamer keine Gardinen hatten, und man so einen uneingeschränkten Einblick in ihren privaten Lebensraum hat. Es wird viel Wert auf stilvolle und gemütliche Einrichtung gelegt. Die Amsterdamer lieben gemütliche Bars und ihren Vondelpark. Natürlich arbeiten sie auch, aber in den Niederlanden ist Teilzeitarbeit sehr verbreitet, so daß Zeit bleibt für Freizeit und Freunde.
Der Vondelpark ist ein Treffpunkt für jung und alt. Dort gibt es kostenlose Veranstaltungen, Open Air Konzerte, Theater, oder Tanzkurse. Man trifft sich zum Grillen, Sport oder einfach nur, um Leute zu beobachten und zu entspannen. Leider litt ich etwas unter den klimatischen Bedingungen. Es regnete sehr, sehr oft und das Wetter wechselte ständig. Dafür genossen wir die sonnigen Tage um so mehr. Amsterdam ist nur eine halbe Stunde vom Meer entfernt und ich werde die tollen Sonnenuntergänge nicht vergessen.
“Zeit bleibt für Freunde und Freizeit”
Eine besonders wichtige Erfahrung sind die Menschen die ich kennengelernt habe. Es ist einfach spannend, sich mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen. Es gibt ja viele Stereotypen über andere Kulturen: Deutsche sind pünktlich, Südländer legen nicht viel Wert auf die exakte Uhrzeit. Nun ja, es gab einige Überraschungen. Ich entsprach nicht immer dem Bild der typisch pünktlichen Deutschen, was für Verwunderung sorgte. Kurz, Stereotypen und Vorurteile lassen sich am besten widerlegen, wenn man sich kennenlernt. Es gab einen internationalen Kochabend, oder wir tanzten zu griechischer Musik, tranken mexikanischen Tequila. Am Wochenende gingen wir aus, oder organisierten private Parties, um Geld zu sparen.
Amsterdam ist keine billige Stadt. Doch außerhalb der Touristenzentren, die insbesondere am Wochenende sehr überfüllt sind, findet man preiswerte Restaurants und Bars. Besonders bekannt ist Amsterdam für die Coffeeshops und den Red Light District. Doch die Mühe lohnt sich, außerhalb der Touristenpfade entlang zu radeln. Zu empfehlen ist der Niewmarkt und das Chinesische Viertel sowie das Jordaan Viertel. Auch kulturell hat die Stadt einiges zu bieten: Museen, großartige Architektur, Konzerte, um nur einige Dinge aufzuzählen. Dazu mußte man nicht unbedingt in teure Locations gehen: auf dem Leidseplein gibt es oft Gratisvorführungen von Künstlern. Sehr gefallen hat mir auch der Club Bourbon Street mit Livemusik und einem bunten Publikum. Kurz, seid kreativ und offen, neue Dinge zu entdecken! Ihr solltet unbedingt Vlaamse frites probieren, die es mit verschiedenen Saucen gibt. Hört sich ungewöhnlich an und schmeckt auch nicht jeden:
Pommes mit Erdnußsauce. Wirklich gewöhnungsbedürftig war Febo, eine Self-Service Fast Food Kette: Geld rein und der Burger kam aus dem Automaten. Denkt dran, baut nie eine persönliche Beziehung zu Eurem Fahrrad auf, denn es könnte jeden Tag gestohlen werden, oder jemand baut einfach Teile Eures Fahrrades ab, die er gerade braucht. Dies sind typische Schicksale und mir wurde innerhalb des ersten Monats zweimal mein Fahrrad gestohlen, also besser zwei dicke Schlösser oder besser drei.… Was kann ich abschließend sagen: Es gab glückliche Momente aber auch traurige Momente. Natürlich hatte ich auch Heimweh, aber ich kann sagen: jede Anstrengung im Vorfeld und während meines Aufenthaltes hat sich gelohnt. Vor allem hinsichtlich der Freundschaften, die entstanden sind und meiner persönlichen Weiterentwicklung.
Ich bin selbstbewußter geworden und habe neue Inspiration gefunden. Meine Entdeckerlust und mein Amsterdam Fahrrad habe ich mit nach Berlin genommen und habe sehr viel Spaß meine „alte“ Stadt neu zu entdecken. Der Abschied von Amsterdam und meinen Freunden fiel mir schwer, es ist komisch, man schließt ein Fenster des Lebens und die Phase des Lebens ist auf einmal vorbei. Es gab viele Tränen, besonders beim Abschied von meiner Mitbewohnerin und Freundin Christine aus Kanada. Doch es schließt sich der Kreis und ich habe Christine in Montreal und Catherine in Ottawa im September in Kanada wiedergesehen. Diese Kanadareise zu der Hochzeit von Freunden war schon lange Zeit vor Amsterdam geplant, doch durch mein Auslandssemester nahm sie ganz andere Dimensionen an. Das Leben ist voller Überraschungen und das macht es spannend. Die glücklichen Momente im Leben sind die, wenn man spürt, man ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort — und dieses Gefühl hatte ich. Probiert es einfach auch aus, ich kann es nur jedem empfehlen, sich auf ein Abenteuer einzulassen.
Weitere Informationen:
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www.arbeitsamt.de/zav