Speisung der 30.000

Jeder hat schon einmal davon gehört. Viele haben es schon getan, manche machen es regel­mä­ßig, manche nur einmal die Woche. Manch einer hat noch gar nicht, weil es ihn ekelt oder er Angst hat vor dem ersten Mal.

Viele von denen, die es pro­biert haben, blei­ben dabei, weil es Spaß macht und außer­dem preis­wert und prak­tisch ist — Essen in der Mensa. Aber eines ver­bin­det sie alle: Keiner weiß so rich­tig, wer oder was eigent­lich dahin­ter steckt. bus hat des­halb einen Blick hinter die Kulis­sen und unter die Teller gewor­fen und deckt exklu­siv auf: das Lieb­lings­ge­richt der Stu­den­ten und das Geheim­nis um das magne­ti­sche Besteck.

Mit dem Men­sa­es­sen ist es ein wenig wie mit der Musik von Dieter Bohlen. Bei jeder Gele­gen­heit betont man, wie schlecht sie ist und dass sie immer gleich klingt, aber hören tut sie dann doch jeder. Unter Stu­den­ten ist es ja fast schon schick, sich über das Men­sa­es­sen zu beschwe­ren oder Witze zu reißen á la “Ich ess heut lieber was Anständiges.”

Ob die Kritik berech­tigt ist, hängt natür­lich von der Uni ab bzw. vom Stand­ort der Uni und davon, ob es ein reich­hal­ti­ges Ange­bot gibt. Außer­dem stellt jeder unter­schied­li­che Ansprü­che — denn Essen geht bekannt­lich ebenso wie die Liebe durch den Magen -, und letzt­lich ist es schlicht und ein­fach Geschmackssache.

Gerade in Berlin können sich die Stu­den­ten nicht bekla­gen, was das Ange­bot betrifft. Elf Mensen und 28 Cafe­te­rien gibt es hier. Alle gehö­ren zum Stu­den­ten­werk Berlin und das, so erklärt mir Hans-Joa­chim Gabriel, Bereichs­lei­ter für Mensen beim Stu­den­ten­werk, macht sie zu Anstal­ten des öffent­li­chen Rechts. Man könnte neu­deutsch auch sagen, es sind Non-Profit-Unter­neh­men, die keinen Gewinn erwirt­schaf­ten sollen und einen öffent­li­chen Auf­trag haben. Und der lautet: Preis­wert hoch­wer­ti­ges Essen anbie­ten. Auch die Umstel­lung auf den Euro wurde nicht genutzt, um mehr Geld in die Kassen zu bekom­men, ver­si­chert mir Gabriel. Die Preise, die Stu­den­ten und Dozen­ten für ihr Mit­tag­essen bezah­len, decken nicht die gewal­ti­gen Kosten. Das Stu­den­ten­werk Berlin erhält jähr­lich 10 Mil­lio­nen Euro vom Senat, die auf die ver­schie­de­nen Berei­che auf­ge­teilt werden, und natür­lich bekom­men auch die Mensen und Cafe­te­rien ihr Stück vom Finanz­ku­chen ab. Die Preise werden durch die Men­salei­ter und den Vor­stand des Stu­den­ten­werks ermit­telt und fest­ge­legt. Wer mit­re­den will, der sollte sich im Stu­den­ten­werk enga­gie­ren, denn da, das betont Gabriel aus­drück­lich, haben natür­lich auch Stu­den­ten ein Wort mitzureden.

Im Zuge dessen bemän­gelt er die Öffent­lich­keits­ar­beit des Stu­den­ten­werks, denn es scheint wenig bekannt zu sein, wie die Mensen orga­ni­siert sind, wo die Gelder her­kom­men bzw. wo sie hin­flie­ßen. Ebenso unbe­kannt dürfte sein, dass man als Stu­dent in den Mensen auch jobben, ja, sogar sein Prak­ti­kum absol­vie­ren kann. Die etwa 400 Mit­ar­bei­ter der Mensen in Berlin können die Arbeit nicht alleine bewäl­ti­gen, abhän­gig von der Menge der Mit­es­ser, die wäh­rend des Semes­ters natur­ge­mäß deut­lich höher ist als in der vor­le­sungs­freien Zeit. “Um unse­ren Per­so­nal­auf­wand zu decken, wenden wir uns auch schon mal an die Hein­zel­männ­chen der FU,” so Gabriel.

Die Besu­cher­zah­len schwan­ken nicht nur “sai­so­nal”, son­dern auch unter der Woche. Wäh­rend der Vor­le­sungs­zeit sind es zwi­schen 20.000 und 30.000 Besu­cher täg­lich. Wäh­rend der vor­le­sungs­freien Zeit geht die Zahl der Kunden um etwa die Hälfte zurück: 10.000 — 15.000 sind es dann nur noch.

Aller­dings sind selbst die Besu­cher­zah­len zur “Prime time” recht nied­rig, wenn man bedenkt, dass allein an der Freien Uni­ver­si­tät Berlin über 40.000 Stu­den­ten ein­ge­schrie­ben sind.

Am Ange­bot kann es jedoch nicht liegen. Neben meh­re­ren Haupt­ge­rich­ten stehen den Hung­ri­gen diverse Vor- und Nach­spei­sen zur Aus­wahl, außer­dem Salate, und für den Kaffee danach gibt es natür­lich Kuchen. Etwas ganz Beson­de­res ist das Dream­team der FU Mensa II, ein so genann­ter Akti­ons­stand. “Die Akti­ons­stände bieten ein höher­wer­ti­ges Ange­bot und dienen der Ver­grö­ße­rung der Viel­falt des Essens,” so Gabriel. Die Akti­ons­stände liegen außer­halb des öffent­li­chen Auf­trags der Mensen und sind auch die Ein­zi­gen, die über ihre etwas höhe­ren Preise einen Über­schuss erwirt­schaf­ten, der aller­dings wie­derum dazu ver­wen­det wird, mög­lichst güns­tige Durch­schnitts­preise im übri­gen Ange­bot zu erreichen.

Beson­ders beliebte Haupt­ge­richte sind, wer hätt’s gedacht, Pizza, Pasta und Hühn­chen­schnit­zel. Wer kein Fleisch mag, der kann stets auf ein “Bio-Essen” oder einen großen Salat­tel­ler zurück­grei­fen. Aller­dings war es das schon mit den Aus­wahl­ge­rich­ten. Spe­zi­al­wün­sche wie koscher oder Essen für Dia­be­ti­ker oder All­er­gi­ker können nicht berück­sich­tig werden. “Da üben wir lieber Zurück­hal­tung,” meint Gabriel. Denn ers­tens ist die Pro­dukt­be­schaf­fung zu auf­wen­dig, und zwei­tens fehlen schlicht die Fach­leute für diese Themen. Es macht in einer Mensa wenig Sinn, Essen für Kon­su­men­ten anzu­bie­ten, die sehr genau darauf achten müssen, was und wie viel sie zu sich nehmen, da die Por­tio­nen ja erst auf dem Teller ent­ste­hen nach dem Motto “Da passt aber noch ein Löffel rauf.” Also nichts für Kalorienzähler.

Letz­tere gehö­ren frei­lich auch nicht zu den­je­ni­gen, die Cola zum belieb­tes­ten Getränk gemacht haben. Täg­lich flie­ßen etwa 2600 Liter des ame­ri­ka­ni­schen Zucker­was­sers die durs­ti­gen Kehlen hin­un­ter, dicht gefolgt von Mine­ral­was­ser. Die Lie­fe­rung der Zuta­ten für die Gerichte erfolgt just in time, so können Lager­kos­ten ein­ge­spart werden.

Und wie wird für Abwechs­lung gesorgt? Dem regel­mä­ßi­gen Men­sa­gän­ger wird auf­ge­fal­len sein, dass bestimmte Gerichte immer wieder auf dem Plan stehen. Selbst wenn man die Haupt­aus­wahl mit den zahl­rei­chen Bei­la­gen kom­bi­niert, irgend­wann kommt man bestimmt wieder bei den gefüll­ten Papri­ka­scho­ten mit Würz­reis und geschmor­ten Auber­gi­nen an. “Alle fünf Wochen wird von der Men­salei­ter­runde der Spei­se­plan bestimmt und die fünf Haupt­kom­po­nen­ten fest­ge­legt,” verrät mir Gabriel.

Für wei­tere Abwechs­lung im Ange­bot sorgt außer­dem die Akti­ons­wo­che, die jedes Semes­ter unter einem ande­ren Motto steht, und Spei­sen und Zube­rei­tungs­wei­sen naher und ferner Länder bietet. Aber es werden nicht nur die kuli­na­ri­schen Köst­lich­kei­ten eines bestimm­ten Landes gekocht und aus­pro­biert, auch das Ambi­ente wird ent­spre­chend her­ge­stellt. Im ver­gan­ge­nen Semes­ter im Herbst stan­den unter ande­rem Ser­vi­et­ten­klöße mit Schwam­merln und Frit­ta­ten­suppe oder Rauch­ku­chel­knö­del mit Wiener Wurst gefüllt aus Öster­reich auf dem Spei­se­plan. Die jewei­li­gen Men­sa­chefs berei­ten ihre Teams für diese Aktion in spe­zi­el­len Schu­lun­gen vor. Und wem das alles noch nicht abwechs­lungs­reich genug ist oder wer im Semi­nar wieder mal ein­pennt und um halb drei vor den ver­schlos­se­nen Türen der Mensa steht, der kann sich auch in der Cafe­te­ria etwas Warmes zu essen holen und muss nicht auf den Mars­rie­gel oder den tür­ki­schen Dreh­spieß an der Ecke ausweichen.

Geschirr­fe­ti­schis­ten und Sou­ve­nir­jä­gern wird viel­leicht auf­ge­fal­len sein, dass Teller und Tassen der Mensen eher schlicht gehal­ten sind. Liegt das viel­leicht an schlech­ten Erfah­run­gen des Stu­den­ten­werks mit geklau­tem Geschirr? Laut Gabriel ist Dieb­stahl weni­ger das Pro­blem für die Mensen. Viel­mehr ist es das Nicht­zu­rück­brin­gen von Geschirr und Tassen, die außer­halb der Mensa irgendwo in der Uni abge­stellt werden.

Mit der Tablett­ab­gabe hat es ohne­hin eine beson­dere Bewandt­nis, und ich möchte an dieser Stelle das Geheim­nis dar­über lüften, wann man sein Besteck neben den Teller legen, wann man es auf dem Teller liegen lassen muss, warum das Besteck magne­tisch ist und warum die Tabletts immer nass sind.

“Wie man bei der Geschirr­ab­gabe das Besteck auf das Tablett legen muss, hängt vom Geschirr­spü­ler der jewei­li­gen Küche ab,” beginnt Gabriel mit der Auf­lö­sung des Rät­sels. “Wenn die Küche einen Voll­au­to­ma­ten hat, muss das Besteck auf dem Teller blei­ben, denn es wird per Magnet vom Teller gezo­gen. Würde man es neben den Teller legen, könnte es am Tel­ler­rand hängen blei­ben. Beim Halb­au­to­ma­ten werden Besteck und Teller von Hand sor­tiert. Wenn das Besteck dabei auf dem Teller liegt, bedeu­tet das beim Abräu­men einen Hand­griff mehr für das Per­so­nal.” Und die Tabletts sind gele­gent­lich noch nass, weil die Trock­nung durch Wärme erzeugt wird. Das funk­tio­niert gut bei Por­zel­lan und Metall, aber nicht bei Plastik.

Gibt es abschlie­ßend etwas, dass der Bereichs­lei­ter Mensen den Stu­den­ten gerne sagen würde oder sich von ihnen wünscht? “Mehr Kom­mu­ni­ka­tion,” sagt Gabriel ent­schlos­sen. “Es wäre schön, wenn wir mehr Rück­mel­dun­gen und Anre­gun­gen über unsere Arbeit und das Essen bekämen.”

“Und was ist Ihr Lieb­lings­ge­richt?”, möchte ich von ihm wissen. “Zum Des­sert esse ich am liebs­ten Joghurt.” Und als Haupt­speise? “Rin­der­rou­lade.”