Berlin ist laut und dumm und stinkt

Berlin ist laut und dumm und stinkt, ist es ein Wunder, dass man trinkt? So lautet ein Spruch, den man gele­gent­lich auf Post­kar­ten findet. Das trifft sicher auf einige Seiten Ber­lins zu. Hier soll aber auf die schö­nen oder zumin­dest stim­mungs­vol­len Seiten unse­rer gelieb­ten Stadt ein­ge­gan­gen werden, derer sich einige geschickt im Trubel ver­ste­cken, andere allzu offen­sicht­lich ins Auge ste­chen. Natür­lich kann man dort auch gut trinken.

Der Kreuz­berg

Man könnte ihn den Fer­rari unter den Parks nennen, um seine Exklu­si­vi­tät zu beto­nen. Aller­dings ist hier eine gänz­lich andere Kli­en­tel von Besu­chern anzu­tref­fen als beim Fer­ra­ri­händ­ler. Ent­spannt kann man hier tags und nachts auf der Wiese liegen und zum Bei­spiel den som­mer­li­chen Son­nen­un­ter­gang zwi­schen den Alt­bau­ten der Katz­bach­strasse bewundern.

Und wer meint, zu Son­nen­un­ter­gän­gen im Park gehör­ten unwei­ger­lich auch Bier und der Duft von Mari­huana, ist hier an der rich­ti­gen Adresse. Beglei­tet von den Klän­gen berausch­ter Frei­zeit­mu­si­kan­ten — zumin­dest an warmen Aben­den kann man sich in die angren­zen­den Stras­sen bege­ben, zu Kios­ken, für die das Wort “Dosen­pfand” ein Fremd­wort ist. Wenn man Hunger und Ener­gie hat, könnte man dem Curry 36 am Mehring­damm einen Besuch abstat­ten, falls man zuvor nicht sowieso dort mit dem Nacht­bus ankam. Im Anschluss lohnt immer auch ein Besuch auf dem Völ­ker­schlacht­denk­mal von Schin­kel, von dem aus man einen wun­der­vol­len und kos­ten­lo­sen Aus­blick über die Stadt hat — und von dessen Kreuz auf der Spitze der Bezirk seinen Namen hat.

Früher saßen übri­gens am Ost­hang des Kreuz­ber­ges im dama­li­gen Tivoli schon Eichen­dorff und Hegel und tran­ken ihr Bier, was gleich um die Ecke gebraut wurde. Im alten Schult­heiss­ge­bäude im Süden näm­lich, wo jetzt schi­cke Ein­fa­mi­li­en­häus­chen im Eng­li­schen Stil entstanden.

Die War­schauer Brücke

Die im Winter wohl unge­müt­lichste Ecke Ber­lins. Aber eine mit unglaub­lich guter Aus­sicht. Der Blick von hier Rich­tung Fern­seh­turm ist ziem­lich ein­zig­ar­tig, beson­ders natür­lich in der Däm­me­rung. Hier ver­dient er wirk­lich die Bezeich­nung “schön”. Nachts, und vor allem in kalten Näch­ten, ver­leiht der dar­un­ter lie­gende, aus­ge­stor­bene Güter­bahn­hof mit seinen gelben Later­nen und den über­wu­cher­ten Glei­sen der Sze­ne­rie mehr ein wenig apo­ka­lyp­ti­sche Stim­mung. Wenn man dann allein eine Weile auf die mod­ri­gen Schup­pen zwi­schen den Glei­sen schaut — was nicht ein­fach ist, denn hier ist man fast nie allein -, meint man fast, bewaff­nete Gestal­ten mit Gas­mas­ken zu sehen, deren Atem im fahlen Licht der Later­nen auf­steigt. Zuge­ge­ben, das klingt jetzt nicht durch­weg posi­tiv, aber sowohl die Aus­sicht als auch das nächt­li­che Sze­na­rio sind ein paar Minu­ten wert.

Der Urban­ha­fen

Ent­span­nen und dabei die Gegen­sätze der Stadt kennen lernen? Der Urban­ha­fen am Land­wehr­ka­nal bietet das. Sitzt man auf der Süd­seite, hat man zunächst mal die Wahl zwi­schen schö­nen und nicht so schö­nen Restau­rant- und Thea­ter­schif­fen — oder der Wiese, die bei ent­spre­chen­dem Wetter auch immer gut besucht ist. Hier kann man dann den Blick ans andere Ufer schwei­fen lassen — Schwäne, Schiffe und schwere Bau­sün­den prägen hier zusam­men mit wirk­lich schö­nem Grün und Blau die Aus­sicht. Für die immer hung­ri­gen und durs­ti­gen unter uns — der Kott­bus­ser Damm ist nahe dran. Hier wurde vor langer Zeit in Erman­ge­lung von ande­ren Zuta­ten der Döner erfun­den — das ging am “Kotti” nicht spur­los vor­über. Wir pro­fi­tie­ren noch heute davon.

Tege­ler See

Etwa 9,5 Mio. Men­schen star­ten oder landen jedes Jahr in unmit­tel­ba­rer Nähe des Tege­ler Sees. Einige davon — Urlau­ber — mögen viel­leicht die ver­meint­lich “schönste Zeit des Jahres” mit bösen Erin­ne­run­gen an über­füllte Strände und miese Hotels been­den. Doch hier kann schnell Abhilfe geschaf­fen werden.

Pure Erho­lung, ein wun­der­schö­nes Pan­orama und viele Sport- und Frei­zeit­mög­lich­kei­ten finden sich gerade ein paar Kilo­me­ter nord­west­lich der Start- und Lan­de­bah­nen des Viel­flie­ger Air­ports Berlin-Tegel.

Den Tege­ler See erreicht man am besten mit der U‑Bahnlinie 6 (bis Alt-Tegel) oder der S‑Bahn 25 (bis Tegel)! So ist er zum Bei­spiel für HU-Stu­den­ten oder TFHler beson­ders schnell und bequem zu errei­chen. Aber auch all die ande­ren Hoch­schul­gän­ger unter Euch soll­ten den Weg in den Norden Ber­lins nicht scheuen, denn schließ­lich kennt fast jeder den Wunsch nach Ent­span­nung und fri­scher Luft, wenn er gerade in einem über­vol­len Semi­nar­raum sitzt und dort mit 80 Mit­strei­tern (anstelle von 30 ange­dach­ten) um das kost­bare O2 kämpft.

In Alt-Tegel ange­kom­men, schlen­dert man gemüt­lich die Fuß­gän­ger­zone hin­un­ter, vorbei an zahl­rei­chen Eis-Cafés und Cock­tail­bars, bis man nach ca. fünf min. die Green­wich­pro­me­nade erreicht. Von der See­pro­me­nade aus, deren Namen sie der Städ­te­part­ner­schaft zwi­schen Berlin-Tegel und London-Green­wich ver­dankt, bietet sich ein reiz­vol­ler Blick auf Ber­lins, wohl­ge­merkt mit einer Was­ser­flä­che von 380 ha, zweit­größ­ten See.

Spä­tes­tens, wenn man den Son­nen­un­ter­gang am Süd­ende der Green­wich­pro­me­nade genießt oder per Ruder­boot (Boots­ver­leih vor Ort, am Mini­golf­platz) ver­sucht, an einer der sieben Inseln des Tege­ler Sees anzu­le­gen, rea­li­siert man, dass Berlin mehr zu bieten hat, als nur den Wann­see, wel­cher mit 274 ha Was­ser­flä­che Ber­lins dritt­größ­ter See ist.

Wer’s gern sport­lich mag, sollte in jedem Fall einmal am Tege­ler See ent­lang­jog­gen. Hier­für emp­fiehlt es sich süd­lich der Green­wich­pro­me­nade in nörd­li­cher Rich­tung zu star­ten, über die “Sechser”-Brücke hinweg zu laufen, bis hinein in den Tege­ler Forst. Der Name der Brücke erklärt sich aus der Tat­sa­che, dass die Über­que­rung von 1909 bis 1922 einen “Sech­ser” ? wie der Ber­li­ner ein Fünf­pfen­nig­stück bezeich­nete ? gekos­tet hat. Wer bei schö­nem Wetter von der “Großen Malche” aus (nörd­lichste Bucht des Tege­ler Sees) die Aus­sicht auf den See genießt und sich eine fri­sche Brise um die Nase wehen lässt, kann sicher gehen, dass Gedan­ken an das nächste über­füllte Semi­nar in sti­cki­ger Luft nicht auf­kom­men werden.

In diesem Sinne: “Enjoy the summer, enjoy the lake!”

Marc Kemper, Heiko Imiela