Tipps zum Semsterstart

So so, frisch in Berlin, was? Und auch noch stolz drauf, end­lich Stu­dent zu sein, was? Aber warte nur, das Stu­den­ten­le­ben ist kein Zucker­schle­cken. Im Gegen­teil: Wer nicht auf­passt, wird schnell zur armen Schluckerzecke.

“Schnell! Wir brau­chen drin­gend ein paar Tipps für das Frisch­fleisch im ersten Semes­ter,” tönte es des­halb neu­lich durch die Redak­ti­ons­räume. Lei­der­probt sind wir doch alle. Wir kennen die Sorgen und Nöte, die man als frisch­ge­ba­cke­ner Stu­dent hat, bzw. später auf jeden Fall bekommt. Doch es ist alles schon so lange her! So lange her. Hätte man es sich damals doch nur auf­ge­schrie­ben, dann könnte man den Men­schen heute besser helfen.…Also begab sich unser Autor Boris Nowack in eine unglaub­lich anstren­gende, inten­sive, künst­lich her­vor­ge­ru­fene und vor allem schnelle Krea­ti­vi­tätsex­tase, die in einer hef­ti­gen Gedan­ke­ne­ja­ku­la­tion endete. 

Hier das Ergebnis:

Für den Mensabe­such unbe­dingt ein Buch mit­brin­gen, oder auf die vor der Mensa kos­ten­los aus­lie­gen­den Stu­den­ten­zeit­schrif­ten (bus!) zurück­grei­fen. Denn nach der Umstel­lung auf bar­geld­lo­ses Bezah­len per Magnet­karte in vielen Mensen sind die Schlan­gen an den Kassen zwar etwas kürzer, dafür muss man sich gleich drei­mal anstel­len: beim Auf­la­den der Karte (des Ritu­als wegen sollte man immer nur Geld für ein Essen auf­la­den), beim Essen­fas­sen und an der Kasse. Vier­mal anstel­len müssen sich die Unver­bes­ser­li­chen, die zum Essen unbe­dingt auch noch ein Getränk wün­schen. Unbe­dingt eine zusätz­li­che kos­ten­lose E‑Mail-Adresse anle­gen, die man bei Bedarf jeder­zeit löschen kann. Diese soll aus­schließ­lich für die Anwe­sen­heits­lis­ten in den Semi­na­ren dienen. Denn im Laufe des Stu­di­ums landet man garan­tiert auch völlig unge­wollt auf den Ver­tei­lern links­au­to­no­mer Grup­pen, die regel­mä­ßig zu Pro­test­ver­an­stal­tun­gen wie “Auf­stand gegen den Wohl­stand” vor dem Roten Rat­haus oder in den Alleen Gru­ne­walds aufrufen. 

“Wer einen attrak­ti­ven Neben­job hat, der ist dop­pelt fein raus.”

Die ulti­ma­tive Chat-up-line auf Par­ties ist ganz klar “Was stu­dierst du denn so?” Um also mit dem ande­ren Geschlecht anzu­ban­deln, sollte man sich unbe­dingt schnellst mög­lich alle Daten zum eige­nen Stu­dium ein­prä­gen, falls nötig mit Hilfe von Kar­tei­kar­ten zu Hause aus­wen­dig lernen. Als da wären: Semes­ter­an­zahl (fällt bei Erst­se­mes­tern weg), geplan­ter Abschluss (Diplom, Magis­ter oder Bache­lor), Haupt- und Neben­fä­cher (Anzahl, Fach), belegte Semi­nare (beson­ders schwer, da für gewöhn­lich in jedem Semes­ter neue hin­zu­kom­men, man die schon besuch­ten aber nicht ver­ges­sen darf), Dozen­ten (Nach­name genügt), Gebäude und Stra­ßen, sowie die Tele­fon­num­mer der Stu­di­en­be­ra­tung. Letz­te­res ist für den Barm­her­zi­ger-Sama­ri­ter-Effekt wich­tig, weil man so gleich hilf­reich wirken kann, falls das Gegen­über weni­ger gut vor­be­rei­tet ist. Wer diese Fakten nicht sofort parat hat, wird schnell als igno­rant ein­ge­stuft und man geht am Ende unbe­frie­digt nach Hause.

 

Bei der Suche nach Stu­den­ten­jobs sollte man auf Qua­li­tät achten, auch wenn das wegen man­geln­der Quan­ti­tät in Berlin schwer genug ist. Denn wer einen attrak­ti­ven Neben­job hat, der ist dop­pelt fein raus. Nicht nur sind die Taschen schnel­ler gefüllt, auch das Anse­hen steigt bei den Kom­mi­li­to­nen und nicht zuletzt beim poten­zi­el­len Geschlechts­ver­kehr­part­ner immens. Abstand nehmen sollte man des­halb von den in Berlin zu Tau­sen­den ange­bo­te­nen Call-Center-Jobs. Denn auch wenn “Call-Center-Agent” drauf steht, ist nur “auf­dring­li­che Tele­fon­ver­kaufs­ge­sprä­che zu Hun­ger­löh­nen” drin. 

Um mit der Flut von Ange­bo­ten für Zei­tungs­abon­ne­ments fertig zu werden, die es beson­ders zu Semes­ter­be­ginn an U‑Bahn-Aus­gän­gen und Uni­ge­bäu­de­ein­gän­gen jeden Tag gleich dut­zend­weise hagelt, gibt es zwei Stra­te­gien. Wenn man das ganze Semes­ter kos­ten­los Zei­tung lesen möchte, sollte man den Beginn der Abon­ne­ments auf­ein­an­der abstim­men und ter­mi­nie­ren. Übli­cher­weise dauert jedes Schnup­pe­r­abo zwei Wochen plus­mi­nus. Anschlie­ßend sollte man akku­rat Liste über die ange­nom­me­nen Pro­be­a­bos führen, denn sonst geht schnell das BAföG für die zwölf Zei­tun­gen drauf, die man zu Semes­ter­ende bekommt. (Falls es dafür zu spät sein sollte, kann man sich auch jedes Semes­ter eine neue Woh­nung oder WG suchen, um den Mah­nun­gen aus dem Weg zu gehen.) Falls man bereits eine anstän­dige Zei­tung bezieht und von den Ver­käu­fern lieber nichts wissen will, hilft nur eines: aus dem Weg gehen. Die Ver­käu­fer haben eine Lizenz zum Ver­kau­fen und das Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung, wes­halb sie auch vor den U‑Bahnhöfen das Blatt ihrer Wahl anprei­sen dürfen. Am besten, man steigt eine Sta­tion vor der Uni aus und schleicht sich dann hinter dem Ver­käu­fer vorbei. Falls er einen doch sieht, kann man immer noch “Ich habe schon ein Abo Ihrer Zei­tung” sagen. Bei diesem Satz gehen selbst den Powersel­lern der Ber­li­ner Zei­tung die Argu­mente aus.