Wie in guten so in schlechten Tagen

Von beiden hat unser schö­nes Berlin wahr­lich reich­lich zu bieten. Im Winter über­wie­gen auf den Stras­sen jedoch zumeist die letz­te­ren. Da die Stadt der Städte bekann­ter­ma­ßen in allen Facet­ten außer­ge­wöhn­lich ist, gilt das selbst­ver­ständ­lich auch für den Winter, und so ist dieser außer­ge­wöhn­lich kalt und außer-gewöhn­lich ungemütlich.

So kann zum Bei­spiel der Fried­richs­hai­ner — und nicht nur er — seinen mor­gend­li­chen Weg zur Uni ent­lang einer der zahl­rei­chen Pracht­stra­ßen des Sozia­lis­mus aus­rich­ten. Durch ihre Aus­maße sind sie ein Para­dies für den Wind, und beglei­tet von Eis­re­gen und Berufs­ver­kehr fallen einem viel­leicht ganz neue, bisher gar nicht in Erwä­gung gezo­gene Gründe für den Unter­gang der DDR ein.

Hingen nicht noch die Son­nen­ver­gilb­ten Pla­kate der som­mer­li­chen Open-Air-Ver­an­stal­tun­gen an Tra­fo­käs­ten und Schau­fens­tern, es wäre kaum zu glau­ben, dass es hier über­haupt jemals einen Sommer gab.

Berlin hat jedoch auch in der kalten Jah­res­zeit reich­lich Ecken zu bieten, an denen man auf ver­schie­denste Art und Weise die Schön­heit der Stadt genie­ßen und ver­su­chen kann, den dro­hen­den Win­ter­de­pres­sio­nen vorzubeugen.

Der Gru­ne­wald­see

Die Pri­vi­le­gier­ten des kai­ser­li­chen Ber­lins wuss­ten, warum sie in der Umge­bung der west­li­chen Seen ihre Villen errichteten.

Groß­flä­chige und für Ber­li­ner Ver­hält­nisse recht unkul­ti­vierte Grün­flä­chen inklu­sive reich­lich echtem Wald mit einem schö­nen See bieten Abwechs­lung und im Winter sogar rich­ti­gen Schnee. Und zwar weißen.

Per Auto, Bus 129 oder U1 rela­tiv leicht und schnell zu errei­chen — wenn man nicht gerade in Mar­zahn wohnt — bietet die Gegend um den Grund­wald­see echte Ent­span­nung von Schnee­matsch und uniso­lier­ten Alt­bau­woh­nun­gen. Man sollte jedoch tier­freund­lich sein, denn es ist laut Tages­spie­gel das größte offi­zi­elle Hun­de­aus­lauf­ge­biet Euro­pas. Ist das kein Pro­blem, kann man schön spa­zie­ren gehen, joggen oder bei Kaffee oder Cur­ry­wurst — die Stadt dringt mit zwei Imbiss­wa­gen auch bis in den Wald vor — den zahl­rei­chen Hunden und deren Besit­zern beim Spie­len am Strand, im Wasser oder auch auf Eis zu schauen.

Die Monu­men­ten­brü­cke

Wer das Glück hat, in Kreuz­berg zu wohnen und mit der S1 zur Uni zu fahren, kann seine trübe Stim­mung durch ein paar Minu­ten auf der Monu­men­ten­brü­cke auf­hel­len. Hier trifft man — solang es nicht aus Eimern regnet — in den Morgen- oder Abend­stun­den Jogger, Pär­chen und Medi­tie­rende, die ihren Weg durch die Hektik der Stadt an dieser Stelle unter­bre­chen, um nicht zu ver­ges­sen, wie schön Berlin eigent­lich ist. Völlig umsonst kann man hier über eine breite Schneise durch die sonst so dichte Bebau­ung hinweg die gesamte — wenn man es denn so nennen kann — Sky­line des Pots­da­mer Plat­zes und des Alex­an­der­plat­zes sehen, ver­bun­den mit unge­wöhn­li­cher Stille.

Der Cha­misso­platz

Wenn man schon mal in der Gegend ist, sollte man die Stra­ßen rund um den Cha­misso­platz erkun­den, die nicht ohne Grund des Öfte­ren als his­to­ri­sche Film­ku­lisse genutzt werden. Nicht weit von der wohl jedem bekann­ten Berg­mann­straße ent­fernt, prägen Stuck­ver­zierte Alt­bau­ten in ange­neh­men Farb­tö­nen aus der Zeit um die Jahr­hun­dert­wende zusam­men das Bild. Ergänzt wird es durch das alte Kopf­stein­pflas­ter und ein ori­gi­na­les, schön restau­rier­tes “Cafe Achteck”.

Wenn man sich die Stoß­stange an Stoß­stange gepark­ten Autos weg­denkt und ein wenig Phan­ta­sie ein­setzt, so fühlt man sich zurück­ver­setzt in die Zeit, als noch die Rang­hö­he­ren der Preu­ßi­schen Armee hier ihre Fami­lien zum Abschied grüß­ten, um sich auf dem Exer­zier­platz auf dem Gelände des heu­ti­gen Flug­ha­fens Tem­pel­hof für Gefechte zu üben — und wenn keine anstan­den, eben ein­fach so ein wenig paradierten.

Der Flug­ha­fen Tempelhof

Wer nun die Zeit­rei­se­rei für sich ent­deckt hat, kann sich im Anschluss in die 50er und 60er Jahre kata­pul­tie­ren, durch einen Besuch der Ein­gangs­halle des Flughafens.

Die gewal­ti­gen Aus­maße des Gebäu­des — es ist eines der längs­ten genutz­ten Bau­werke der Welt — beein­dru­cken schon vor dem Ein­tritt in die Halle. Innen ange­langt, kann man sich hier — beson­ders an kalten und reg­ne­ri­schen Tagen — förm­lich die Agen­ten des Kalten Krie­ges beim ein- und aus­che­cken vorstellen.