Studieren in Deutschland

Aus­län­di­sche Stu­den­ten sind an jeder deut­schen Uni­ver­si­tät. Sie kommen aus Russ­land, China, Polen, aus dem Liba­non, der Türkei … — kurzum aus aller Welt. Doch wer weiß schon, mit wel­chen Pro­ble­men sie wäh­rend des Stu­di­ums in Deutsch­land zu kämp­fen haben? bus sprach mit eini­gen aus­län­di­schen Kom­mi­li­to­nen und wollte wissen, mit wel­chen finan­zi­el­len Pro­ble­men sie zu kämp­fen haben.

Lulu ist 28 Jahre alt und kommt aus China. Sie stu­diert an der FU Berlin Volks­wirt­schafts­lehre. Sie ist ver­hei­ra­tet und hat zwei Kinder. Seit 1997 lebt und stu­diert Lulu in Deutsch­land. Von der chi­ne­si­schen Regie­rung bekam sie ein Sti­pen­dium für zwei Jahre in Höhe von 1200,-DM monat­lich. Neben­bei hatte sie einen festen Job. Auf meine Frage hin, ob sie Schwie­rig­kei­ten mit dem Stu­dium hat, weil sie sich um die Finan­zie­rung küm­mern muss, sagt sie: “Nein, ich habe schon früh ange­fan­gen, das Geld von meinem Neben­job zu sparen.” Außer­dem geht ihr Mann, der die deut­sche Staats­bür­ger­schaft besitzt, arbei­ten. Somit stehen Lulu bei­spiels­weise auch Kin­der­geld und Erzie­hungs­geld für ihre Kinder zu. Im Moment hat sie ein Urlaubs­se­mes­ter genom­men, um sich um die Erzie­hung ihres jüngs­ten Kindes zu küm­mern. Seit acht Semes­tern stu­diert sie nun an der FU und will nächs­tes Semes­ter ihre Diplom­ar­beit schrei­ben. Anders sah es bei Ati aus. Er kommt aus Peru und ist 31 Jahre alt. Seit über einem Jahr ist er bei T‑Systems als Sys­tem­ma­na­ger ange­stellt. Auch er hatte stu­diert. Sei­ner­zeit an der TU Berlin. Wirt­schafts­in­ge­nieur­we­sen. Zuvor stu­dierte er ein Jahr in der Ukraine. Dafür bekam er ein Sti­pen­dium. In Deutsch­land bekam er jedoch kei­ner­lei Unter­stüt­zung, son­dern musste sich einen Job suchen. Er fand einen Job mit einer 40 Stun­den-Woche. Da Ati sein Zimmer im Stu­den­ten­wohn­heim, Kran­ken­kasse und Leben selbst finan­zie­ren musste, brauchte er auch diesen Job. Aller­dings blieb ihm so kaum Zeit für das Stu­dium. Seine Semes­ter­an­zahl stieg und stieg, ein Ende seines Stu­di­ums war jedoch nicht in Sicht. Allein der Zufall kam ihm zu Hilfe. Durch ein Prak­ti­kum bei Sie­mens erfuhr er von der Sie­mens-Aka­de­mie. Er bewarb sich und tauschte sein Stu­dium gegen die Aus­bil­dung zum Indus­trie­tech­no­lo­gen aus. Wäh­rend der Aus­bil­dung erhielt er monat­lich 1000,-DM. Damals zwei­felte er daran, ob es rich­tig war, sein Stu­dium an den Nagel zu hängen; heute weiß er: “Ohne finan­zi­elle Unter­stüt­zung ist es fast unmög­lich sein Stu­dium zu beenden.” 

Nach seiner Aus­bil­dung bewarb er sich bei T‑Systems und wurde auch gleich genom­men. “Hätte ich mich nicht ent­schie­den die Aus­bil­dung zu machen, würde ich wahr­schein­lich noch immer stu­die­ren. Dann wäre ich jetzt im 20.Semester!” Ati kennt viele Kom­mi­li­to­nen, die ihr Stu­dium abge­bro­chen haben, weil es ihnen durch die Tat­sa­che, sich selbst finan­zie­ren zu müssen, unmög­lich war, sich aufs Lernen zu kon­zen­trie­ren. Manche von ihnen wech­sel­ten zu Fach­hoch­schu­len, andere blei­ben pro forma an der Uni imma­tri­ku­liert, gehen aber aus­schließ­lich jobben. Bis sie zwangs­ex­ma­tri­ku­liert werden und zurück in ihre Heimat müssen.

“Regel­stu­di­en­zei­ten sind für aus­län­di­sche Stu­den­ten Quatsch.”

Nicht ganz so düster sieht es bei Mag­da­lena aus. Im Gegen­satz zu Ati bekommt sie Unter­stüt­zung von ihren Eltern. Mag­da­lena kommt aus Polen. Sie stu­diert an der TU Infor­ma­tik. Sie lebt in einem Stu­den­ten­wohn­heim. Die Miete finan­ziert sie sich dadurch, dass sie neben­bei abends kell­nern geht. “So habe ich genug Zeit zum Lernen und komme gut in meinem Stu­dium voran”, meint sie. Das Geld reicht ihr. “Zur Not würde ich mit der Hilfe meiner Eltern rech­nen können.” Mag­da­lena ist 23 und im sechs­ten Semes­ter. Sie glaubt, in zwei, drei Semes­tern fertig zu sein.

Was die Stu­di­en­zeit angeht, glaubt Mo, ist es für aus­län­di­sche Stu­den­ten unmög­lich in der Regel­stu­di­en­zeit ihr Stu­dium abzu­schlie­ßen. “Durchs Arbei­ten ver­län­gert sich die Stu­di­en­zeit.” Er findet: “Regel­stu­di­en­zei­ten sind für aus­län­di­sche Stu­den­ten Quatsch”.

Mo ist 32 und Mon­gole, aber in Deutsch­land gebo­ren. Wie die meis­ten Stu­den­ten muss auch er neben der Uni arbei­ten gehen. Seinen Freun­den, die aus der Mon­go­lei kommen, und nicht die deut­sche Staats­bür­ger­schaft haben, geht es nicht so gut, wie ihm. Sie haben nur eine befris­tete Auf­ent­halts­er­laub­nis (nur fürs Stu­dium) und dürfen vom Gesetz her nur wenige Wochen im Jahr arbei­ten gehen. Von ihren Fami­lien können sie keine finan­zi­elle Unter­stüt­zung, wie es bei Mag­da­lena der Fall ist, erwar­ten, weil die Eltern meist selbst kein Geld haben.

Abge­se­hen von ein paar Stu­den­ten, die schein­bar keine Pro­bleme mit ihrem Stu­dium hier in Deutsch­land haben, habe ich den Ein­druck bekom­men, dass viele aus­län­di­sche Stu­die­rende hier in Deutsch­land doch mit erheb­li­chen Pro­ble­men zu kämp­fen haben. Viele befin­den sich in einer Art Teu­fels­kreis: Sie kommen nach Deutsch­land, weil sie hier stu­die­ren wollen, doch nur die wenigs­ten von ihnen haben ein Sti­pen­dium. Der Groß­teil muss sich selbst finan­zie­ren. Manch einer schafft das gut, andere hin­ge­gen ver­nach­läs­si­gen durch das Jobben ihr Stu­dium, schaf­fen es selten, in der Regel­stu­di­en­zeit ihren Abschluss zu machen. Viele bre­chen auch ihr Stu­dium ab, weil sie es ein­fach nicht schaf­fen, Finan­zie­rung und Stu­dium unter einen Hut zu bekommen.