Rückzug
„Die Koalitionspartner sind in der Frage von Studiengebühren unterschiedlicher Auffassung.“ So steht es auf Seite 36, Zeile 1.793 der 191 Seiten dicken Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD. Mehr ist zu diesem Thema darin nicht zu finden, denn nach Empfehlung der Föderalismuskommission soll die Hochschulbildung komplett auf die Bundesländer übertragen werden. Der Bund regelt dann nur noch die Zulassungsbedingungen für das Studium sowie die Abschlüsse.
Da der Bund auf das Recht zur Rahmengesetzgebung verzichten will, sind Vorhaben wie die Exzellenzinitiative und die Fortführung der Juniorprofessurenförderung fraglich. Bisher wurde jede Juniorprofessur mit 30.000 Euro aus Bundesmitteln gefördert. Solche zusätzlichen Ausgaben können sich nicht alle Bundesländer leisten. Der einzige Einfluss, den sich der Bund offenhält, ist die finanzielle Unterstützung mit Investitionshilfen für den Bau von Gebäuden oder Anschaffung von Computern, allerdings sind keine Mittel für Personal möglich. Ein Programm – ähnlich des Vier-Milliarden- Programms für Ganztagsschulen – hat die designierte Bildungsministerin Annette Schavan auch für den Hochschulbereich angekündigt.
Laut Parteitagsbeschluss der SPD bleibt das Erststudium jedoch gebührenfrei, dies ist über Studienkonten zu regeln. Ebenso soll künftig die Hochschulfinanzierung durch die Bundesländer erfolgen, aus denen die Studierenden jeweils kommen. Das angestrebte hohe Niveau der Bachelor- und Masterstudiengänge werden Akkreditierung und Evaluierung sicherstellen. Da die SPD allerdings nur noch vier Landesparlamenten vorsteht und sich der Bund ja aus der Hochschulbildung zurückziehen will, dürften diese Beschlüsse zunächst folgenlos bleiben. Wenn es nach Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) geht, sollen jedoch bis 2008 auch in Berlin Studiengebühren eingeführt werden, um sich vor dem Ansturm von Studierenden aus anderen Bundesländern zu schützen.
Durch die Akkreditierung soll eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse gewährleistet werden, dennoch bleibt das Schreckgespenst der bewährten deutschen Kleinstaaterei, wo ein Bundesland die Abschlüsse des anderen nicht anerkennt. Der Rückzug einer zentralen Instanz irritiert umso mehr, als sich Deutschland ja für international vergleichbare Abschlüsse einsetzt.
Annette Schavan, die das Ministerium für Bildung und Forschung in der Großen Koalition übernehmen soll, sieht ihre Schwerpunkte in der beruflichen Bildung und Weiterbildung. Aus dem Forschungsbereich wurden einige Kompetenzen an das Wirtschaftsministerium übertragen, der Hochschulbereich ist bei den Ländern – da bleibt der früheren Kultusministerin Baden-Württembergs nicht mehr viel Betätigungs- und Gestaltungsraum. Diesen kann sie gut nutzen, denn die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen laut Koalitionsvereinbarung um 20 Prozent steigen: bis 2010 auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes.