„Ich bin sehr gern am Leben und ich glaube letztendlich auch an den Menschen.”

Lang­ver­sion des Inter­views in bus: Ingo Pohl­mann ist der fleisch­ge­wor­dene „ame­ri­can dream“ – ganz nach dem Vor­bild des großen Bru­ders ist er grad auf dem Weg vom Tel­ler­wä­scher zum Mil­lio­när … na ja, das könnte even­tu­ell noch eine Weile dauern, denn er hat soeben erst sein Debüt-Album „Zwi­schen Heim­weh und Fern­sucht“ ver­öf­fent­licht, aber dieses sprüht nur so vor Enthu­si­as­mus und Hoff­nungs­schim­mer. Er singt über Geschich­ten, die direkt aus dem Leben gegrif­fen sind. Die Inspi­ra­tion hier­für stammt ver­mut­lich aus seinem eige­nen, denn grad­li­nig war dieses bisher nicht. Nach­dem er seinen Haupt­schul­ab­schluss gemacht hat, absol­vierte er eine Lehre als Maurer, eine Zeit, in der er, wie er selbst sagt, acht, neun Stun­den am Tag nicht er selbst sein konnte. In dieser Zeit begann er Gitarre zu spie­len. Nach seinem Zivil­dienst zog es ihn nach Müns­ter, wo er wiss­be­gie­rig sein Fach­abi nach­holte, um dann im Anschluss in Ham­burg, nicht wie er es seinen Eltern zur Beru­hi­gung erzählte, Bau­we­sen zu stu­die­ren, son­dern um dort als Musi­ker Fuß zu fassen. Und das scheint ihm gelun­gen zu sein. Seit Ende Februar steht nun sein Erst­lings­werk in den Läden und wartet auf ein Publi­kum, das ähn­lich wie er dem Folk ver­haf­tet ist. Seine Gesangs­leh­rer waren Tracy Chap­man und Bob Marley, musi­ka­lisch liegt er zwi­schen Ben Harper und Jack John­son. Ein Singer- Song­wri­ter also, der sich aller­dings der deut­schen Spra­che bedient: „Das Volk wird gerade ein­ge­schwo­ren auf seine eigene Spra­che, das wird auch mal Zeit“. Und er weiß sie wort­ge­wandt ein­zu­set­zen. Pohl­mann, ein hoff­nungs­vol­ler neuer Sänger aus Deutschland. 

bus: Du bist ja eigent­lich gelern­ter Maurer. Jetzt, wo du stän­dig unter­wegs bist und Musik machst bist du ja sozu­sa­gen auf der Walz. Wie fühlt es sich denn an per­ma­nent on the road zu sein?
Pohl­mann: Irgend­wann wird es zu einem Rausch. Man pil­gert von Ort zu Ort und trifft immer mehr Leute und ist dem­nach kaum noch zuhause. Mein Zimmer, zum Bei­spiel ist ein ein­zi­ges Chaos, ich komm nicht einmal dazu mal wieder ein biss­chen auf­zu­räu­men. Ich komm nur noch rein in die Woh­nung und mein Mit­be­woh­ner sagt grad mal „hallo“, ich schmeiß irgend­et­was raus aus meinem Ruck­sack in pack irgend­et­was ande­res ein und schon bin ich wieder weg. 

War es das mit dem Mau­rern jetzt für immer?
Pohl­mann: Ja, bestimmt. Ich schau mal, wie das alles jetzt so läuft, aber ich werde immer Musik machen, das ist für mich klar. Aber, wenn ich irgend­wann mal kein Geld mehr habe, dann werd ich viel­leicht auch mal wieder auf den Bau müssen. 

Auf dem Bau hast du ja auch den wenig schmei­chel­haf­ten Spitz­na­men“ Schlampe“ bekom­men, hast du den noch?
Pohl­mann: Na ja, ich hatte halt sehr sehr lange Haare und das war damals als ich die Lehre gemacht habe für diese Jungs irgend­wie nicht zu fassen, die haben mich dann halt immer Schlampe genannt. Da hieß es dann: „Schlampe, hol mal Steine…“ 

Du bezeich­nest deine Musik selbst als „erdig“. Was kann man sich denn dar­un­ter vor­stel­len?
Pohl­mann: Mein größ­tes Vor­bild ist eigent­lich Ben Harper- den höre ich auch schon bedeu­tend länger als Jack John­son. An ihm fand ich immer seine Viel­sei­tig­keit beson­ders gut. Von Funk bis Soul über Pop, der kann alles. Und das wollte ich auch. Ich habe auch immer gemerkt, dass ich mich mit sol­cher Musik beson­ders wohl fühle und vor allem auch im Folk. Meine Gesangs­leh­rer waren damals Tracy Chap­man und Bob Marley. Und irgend­wann hat es mich auch wieder dahin geführt, nach­dem ich lange Zeit auch dem Grunge ver­fal­len war, bin ich jetzt wieder zurück­ge­kom­men, gewis­ser­ma­ßen zu meinen Roots. 

Zwi­schen Heim­weh und Fern­sucht ist der Titel deines Albums, was besagt das für dich?
Pohl­mann: Ich will ver­su­chen diesen Zwie­spalt zu ergrün­den, in dem wir Men­schen uns ein­fach befin­den. Schon allein, wenn du dar­über nach­denkst, ob es Gott gibt oder nicht. Gibt es ein Leben nach dem Tod und woran glaub ich eigent­lich? Wir nehmen alles immer so hin als wäre es etwas ganz Nor­ma­les. Aber eigent­lich ist es nicht normal, son­dern viel­mehr eine gewach­sene Sache. Wir hätten es ja alle gerne ein­fach im Leben, so dass sich Ant­wor­ten einem sehr leicht erschlie­ßen, aber es gibt ein­fach sehr viel Dinge im Leben, die sich zwar gegen­sei­tig aus­schlie­ßen, beide aber den­noch wahr sind. Heim­weh und Fern­sucht ist so etwas zum Bei­spiel. Da bewegt sich eigent­lich jeder drin. Jemand, der zum Bei­spiel in einer festen Bezie­hung steht und trotz­dem ande­ren Frauen hin­ter­her schaut und sich abends im Bett dar­über Gedan­ken macht, was mach ich hier eigent­lich? Was ist denn jetzt eigent­lich Liebe??? 

In deiner Bio stand auch, dass du dir früh tief­grün­dige Fragen, wie „Warum bin ich?“, gestellt hast. Warum bist du denn? Hast du Ant­wor­ten gefun­den?
Pohl­mann: 42. 

In deiner Bio steht, dass du früher Kon­zen­tra­ti­ons- und Recht­schreib­schwä­che hat­test. Wie ist es dir denn dann gelun­gen jetzt ein so tolles neues Wort wie „Fern­sucht“ zu kre­ieren? Ich hab extra nach­ge­se­hen, im Duden steht es nicht!
Pohl­mann: Echt??? Na dann ist es ja meine Krea­tion. Na schau mal an! Ich hatte damals mal einen Lehrer auf der Haupt­schule- ja, ich wäre damals auch ein­fach nichts ande­res gewor­den, außer Maurer- dieser Lehrer hat sich meine Auf­sätze ange­guckt und fand, dass ich irgend­wie gut schrei­ben konnte und der Worte mäch­tig war. „Der schreibt nur alles falsch“, meinte er mal. Und ich hatte min­des­tens 40 Fehler auf einer Din A4 Seite, und er hat mir dann trotz­dem immer wieder mal eine drei gege­ben. Meine Mutter fand das aber nicht so toll, die hat sich dann immer beim Lehrer beschwert: „So lernt er das nie“. 

Und was macht diese Schwä­che heute?
Pohl­mann: Ich schi­cke keine Mail ab und schreib nichts in mein Gäs­te­buch, bevor ich es nicht min­dest fünf­mal durch Word hab laufen lassen. Ich schreibe ein­fach so wie ich gerade Bock habe. Wenn ich also grad emo­tio­nal dazu Lust habe irgend­ein Verb groß zu schrei­ben, weil das für mich gerade so ne fette Aus­sage ist, dann schreib ich das halt groß. Und das pas­siert mir stän­dig. Aber heut­zu­tage kann man ja sowieso machen, was man will. 

Welche Weis­heit passt am ehes­ten zu dir? Und warum? 1. Da ist ein Licht am Ende des Tun­nels. 2. Besser man bereut Dinge, die man getan hat, als Dinge, die man nicht getan hat. 3. Der Weg ist das Ziel.
Pohl­mann: Da ist Licht am Ende des Tun­nels. Ich bin immer sehr hoff­nungs­voll, das ist auch in meinen Lie­dern so. Ich bin sehr gern am Leben und hoffe, dass wir das alle auch irgend­wie geba­cken krie­gen. Ich glaube letzt­end­lich auch an den Menschen. 

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