Aus der Provinz ins All

Auf den ersten Blick könnte nichts unter­schied­li­cher sein: Auf der einen Seite die Geschichte einer Kind­heit im unter­pri­vi­le­gier­ten Norden Schwe­dens, geprägt von harter Arbeit, sau­fen­den Vätern und den ersten Lie­bes­er­fah­run­gen. Auf der ande­ren Seite Sci­ence-Fic­tion voller haar­sträu­ben­der Zukunftsvisionen,

bril­lan­ter Ideen und schrä­ger Aliens. Diese zwei Seiten sind der inter­na­tio­nal gefei­erte Erst­ling des Schwe­den Mikael Niemi, „Popu­lär­mu­sik aus Vit­tula“, und sein zwei­ter Roman „Das Loch in der Schwarte“. Wo Niemi sich zuvor dem Leben in der Pro­vinz wid­mete, lässt er sich nun aus über das Leben im Welt­raum, Pech-Par­ti­kel namens „Kurts“ und besag­tes Loch, die wil­deste Kneipe des Universums. 

  Wie soll man da bitte eine Werk­ein­heit her­stel­len? Auf den zwei­ten Blick wach­sen die Gemein­sam­kei­ten zwi­schen „Vit­tula“ und „Loch“. Zunächst ist da der Humor, denn beide Romane sind so komisch, dass man sie nicht in öff ent­li­chem Umfeld lesen sollte. Auch durch­dringt beide Romane eine tiefe, unstill­bare Sehn­sucht. Ob die Kinder von Pajala weg wollen aus dem Pro­vinz­mief und sich nach Jimi Hen­drix, Elvis oder den Beat­les sehnen, oder ob sich ein­zelne Aben­teu­rer in die Tiefen des Welt­alls wagen, aus­ge­rüs­tet nur mit einem schrott­rei­fen Raum­schiff und der vagen Hoff nung, einen bewohn­ba­ren Pla­ne­ten zu finden – immer ist es ein melan­cho­li­sches Gefühl der Ein­sam­keit und Sehn­sucht, das Niemis Figu­ren antreibt und ihren ein­ma­li­gen Blick aufs Leben bestimmt.
Auch die gro­tes­ken Über­stei­ge­run­gen, die schier wahn­wit­zi­gen Ein­fälle, von denen das „Loch“ bestimmt ist, blit­zen schon in Niemis Erst­ling auf, etwa wenn der Erzäh­ler auf einem nepa­le­si­schen Berg mit dem Mund an einer Metall­platte hängen bleibt, den auf­zie­hen­den Sturm im Rücken, und sich nur durch äußerst unäs­the­ti­sche Ver­rich­tung befreien kann. Viel­leicht braucht es einen Spiel­platz wie das Uni­ver­sum selbst, um soviel bril­lan­ten Wahn­sinn voll ent­fal­ten zu können.