Chemie macht Spaß

Zwar fand ich die Vor­le­sun­gen über Chemie schon irgend­wie inter­es­sant, aber einen rich­ti­gen Zugang zur Mate­rie konnte ich dabei nie finden. Viel­leicht lag es daran, dass die Theo­rie doch immer etwas grau blieb.

  Zwar gab es auch mal ein paar Expe­ri­mente zu bewun­dern, aber haupt­säch­lich ging es doch um so Sachen wie Reak­ti­ons­glei­chun­gen, Orbi­tal­quan­ten­zah­len und Enthal­pie­be­rech­nun­gen. Dass die Chemie aber auch anders erleb­bar ist, beschreibt der am Albert Ein­stein Col­lege of Medi­cine in New York unter­rich­tende Neu­ro­loge Oliver Sacks in seiner Auto­bio­gra­phie “Onkel Wolf­ram — Erin­ne­run­gen”. 1933 in London als Sohn zweier Medi­zi­ner gebo­ren, begann sich der junge Oliver schnell für Natur­wis­sen­schaf­ten und vor allem Chemie zu begeis­tern. Zur dama­li­gen Zeit war der Umgang mit dieser Wis­sen­schaft noch ein ganz ande­rer als heute. Einige Ele­mente waren noch gar nicht ent­deckt. Auch die von den ver­schie­dens­ten Che­mi­ka­lien aus­ge­hen­den Gefah­ren waren wenig bekannt — oder wurden von Oliver (und seinen Mit­men­schen) igno­riert. So besorgte er sich in seiner kind­li­chen Expe­ri­men­tier­freude Stoffe, die heute nicht mehr ganz so ein­fach zu besor­gen sind. “Erst als ich später dar­über nach­dachte, staunte ich über die sorg­lose Art, in der Grif­fin (und andere in meinen Büchern) die Ver­wen­dung hoch­gif­ti­ger Sub­stan­zen vorschlugen. 

“Der andere Umgang mit der Wis­sen­schaft”

Ich hatte nicht die min­deste Schwie­rig­keit, mir Kali­um­zya­nid aus der Apo­theke in unse­rer Straße zu besor­gen — ein Mittel, das nor­ma­ler­weise zur Insek­ten­ver­nich­tung benutzt wurde -, doch ich hätte mich mit dem Zeug leicht selber ver­nich­ten können.” Wie die Chemie bei Oliver Sacks mit seinen per­sön­li­chen Erfah­run­gen ver­schmolz, zeigt unter ande­rem auch, dass er z.B. seinem Onkel Dave “Onkel Wolf­ram” nannte, da er Oliver in seiner Fabrik z.B. zeigte, wie dort Glüh­lam­pen mit feinen Dräh­ten aus Wolf­ram bestückt wurden. Wäh­rend bei mir in den Vor­le­sun­gen Wolf­ram (wenn über­haupt) nur in Sätzen wie “Bei der Reak­tion WO3 + 3 H2 ? W + 3 H2O fällt Wolf­ram als Pulver an.” vorkam, konnte Oliver Sacks eine rich­tige Bezie­hung zu dem Mate­rial auf­bauen. “Ich erkannte das Metall augen­blick­lich — an der Art, wie es sich anfühlte, und am Klang.” Da brau­che ich wohl nicht noch nach­zu­fra­gen, wel­ches Zitat neu­gie­ri­ger macht, oder? Doch Oliver Sacks leis­tet sogar noch mehr, als uns nur seine “Memo­ries of a Che­mi­cal Boy­hood” nahe zu brin­gen. Geschickt ver­bin­det er die Anek­do­ten aus seinem eige­nen Leben mit der Geschichte der Chemie und erklärt in unzäh­li­gen Neben­be­mer­kun­gen, wie z.B. Men­de­le­jew das Peri­oden­sys­tem der Ele­mente ent­wi­ckelte oder die Curies die Radio­ak­ti­vi­tät ent­deck­ten. Um diese lehr­rei­chen Abschnitte schnel­ler auf­find­bar zu machen, ent­hält das Taschen­buch sogar ein Regis­ter mit Schlag­wör­tern von Absorp­ti­ons­spek­trum bis Zoe­trop. Ach wäre das schön, wenn doch Lehre nur immer so unter­halt­sam und anschau­lich sein könnte!