Der ewige Student 4

Über die zarten Triebe zwi­schen Stu­den­ten und Dozen­ten wird gerne gere­det und gerät­selt. Von sexu­el­ler Beläs­ti­gung bis zur wilden Erobe­rung eines alten Aka­de­mi­kers ist alles dabei in der Gerüch­te­kü­che der Uni­ver­si­tä­ten, und die Mei­nun­gen sind ebenso ent­schie­den wie unterschiedlich.

Auch die Lite­ra­tur beackert das Thema begeis­tert, aus­führ­lich und meist sehr mora­lisch; man nehme nur Schwa­nitz’ „Campus“ und Coetzees „Schande“ als Bei­spiele. So beliebt es sein mag, neu ist dieses Motiv nicht. Denn schon im 12. Jahr­hun­dert gab es lüs­terne Dozen­ten und allzu leicht zu begeis­ternde Stu­den­tin­nen, wie die „His­to­ria Cala­mi­ta­tum“ des Abael­ard beweist. 

  Eigent­lich hätte besag­ter Abael­ard als Mit­be­grün­der der Scho­las­tik in die Geschichte ein­ge­hen sollen, hätte er nicht eines Tages beschlos­sen, sich in Herz und Schoß seiner jungen Schü­le­rin ein­zu­schlei­chen: Heloise, außer­ge­wöhn­lich gebil­dete Toch­ter eines rei­chen Pari­ser Bür­gers. Der Plan war – im enge­ren Sinne – erfolg­reich, nur hatte der arme Abael­ard mit zwei­er­lei nicht gerech­net: Der eige­nen Liebe zu Heloise und dem äußerst ver­är­ger­ten Vater der jungen Dame, der die beiden zur Heirat zwang. 

Das wäre ja noch akzep­ta­bel gewe­sen, aber in Tagen der Prü­gel­strafe für Stu­den­ten war auch für Dozen­ten das Leben gefähr­li­cher: Abael­ard wurde ent­führt und kur­zer­hand kas­triert. Sol­cher­art zum Spott von ganz Paris gewor­den, konnte sich der ent­mannte Phi­lo­soph nur in ein Klos­ter zurück­zie­hen und die best­sel­ler­ver­däch­tige Geschichte seines Lebens zu Papier bringen. 

Von der unkon­ven­tio­nel­len Liebe blie­ben nur ein Sohn, ein Brief­wech­sel und zwei Klos­ter­be­woh­ner übrig. Ihre Legende aber reichte aus, um Heloise und Abael­ard neben Tris­tan und Isolde zum wohl berühm­tes­ten Lie­bes­paar des Mit­tel­al­ters zu machen. Also Vor­sicht: Besagte zarte Triebe ver­schaff en zwar Berühmt­heit auf dem Campus und dar­über hinaus, aber die Folgen können mehr als unan­ge­nehm sein.