Die Freude am Entwurf
Aus Leidensdruck fand Andreea Vrajitoru zur Mode. Weil ihr der Schnitt der Hosen, die es in ihrer Jugend zu kaufen gab, überhaupt nicht gefi el, nähte sie sich ihre eigenen Hosen. „Ob es gut aussieht oder nicht, interessierte mich damals nicht.
Wenn es sich gut anfühlt, trage ich es gern“, sagt sie über ihre Anfänge vor vielen Jahren. Inzwischen hat sie ein Diplomstudium an der FHTW hinter sich und den Abschluss in Modedesign in der Tasche. Vor drei Jahren eröffnete sie ihr Geschäft mit ihrer Kollektion am Hackeschen Markt. Sie bereut den Schritt in die Selbständigkeit nicht, auch wenn sie sich gelegentlich nach ihrer Studienzeit zurücksehnt. Um viele Dinge muss sie sich kümmern: Kleidung entwerfen, die Produktion koordinieren, den Laden betreiben, ihre Mode präsentieren. „Es sind immer die vielen kleinen Dinge – ständig sind kleine Änderungen notwendig.“ Gerade für den Laufsteg sind viele Anpassungen an den Modellen nötig, denn da wirkt Kleidung ganz anders als im Alltag, eben glamouröser, die Blicke auf sich ziehend.
Individuell und dezent
Der Alltag ist ihr wichtig. „Es ist nicht leicht, in Berlin Mode zu verkaufen. Ich versuche, dass es individuell und originell wird, aber es muss dezent bleiben und für den Alltag geeignet sein.“ Andreea Vrajitoru lässt sich vom Viktorianismus, den 20er und 60er Jahren inspirieren – „raffi nierte Klassik im sportiven Look“ beschreibt sie ihren Stil und stellt sich als Leitfrage: „Habe ich die Sachen so schon einmal gesehen?“ Natürlich gab es irgendwie alles schon mal, „aber, für mich ist die Herausforderung, dass ich bei jedem meiner Kleider weiß: So habe ich das noch nirgends gesehen.“ Da sie selbst wenig Zeit hat, fertigt sie die Muster und Schnitte an, und lässt danach die Nullserie eines Kleidungsstücks produzieren. Eine kleine Produktionsfi rma mit sechs Schneiderinnen näht dann die Stückzahlen, die für ihren Laden und Lieferungen benötigt werden.
Immer mehr Großkunden beliefert sie inzwischen, „aber ich laufe niemandem hinterher – das schönste für mich ist das Entwerfen und nicht das Verkaufen.“ Bisher läuft ihr Geschäft ganz gut. Bei der Eröff nung hatte sie sich ein Limit von drei Jahren gesetzt, um das Risiko überschaubar zu halten, aber die Kostendeckung hat sie schnell erreicht. Gleich mit drei Klischees sieht sie sich konfrontiert: Newcomerin auf dem Modemarkt, kreatives Mastermind und erfolgreiche Inhaberin des Labels „Adddress“ – daher bleibt ihr keine Gelegenheit, sich auf dem Erreichten auszuruhen, auch wenn sie es eher zurückhaltend formuliert: „Ich sehe das alles als Lernprozess. Ich habe zwar ein Studium abgeschlossen und einige Praktika absolviert – aber es kommt immer wieder Neues dazu.“
Eigener Stil
In Berlin ist sie aufgewachsen und hat hier studiert, also fi el ihr die Entscheidung nicht schwer, hier den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Das Konkurrenzdenken in der Modebranche oder gar Angst vor der zahlreichen Konkurrenz in Berlin kennt sie nicht. „Diese Situation hier ist eher eine Herausforderung für mich. Wenn ich schlechter verkaufe als die anderen, dann muss ich halt was tun.“ Aber mit Stolz stellt sie fest, dass ihr Stil ankommt, sie attestiert sich nach kurzem Nachdenken, einen „eigenen Stil“ gefunden zu haben; die Worte „eigener Stil“ schwingen als etwas Wichtiges nach, während ihr Blick über das Kleidungsangebot schweift. Ihr Ehrgeiz geht zwar nicht so weit, ausschließlich selbst entworfene Kleidung zu tragen, aber mit Freude zieht sie ihre eigenen Kreationen an. „Am liebsten noch selbst genäht – allerdings erst, wenn es auch für die Kunden im Laden hängt.“ Warum sie nicht mehr Herrenkleidung anbietet? „Aus Zeitmangel.“
Jonas Morten, Jan Machner