Think Tanks

Schon Max Weber stellte vor 87 Jahren fest: „Es

gibt zwei Arten, aus der Poli­tik seinen Beruf zu machen.

Ent­we­der: man lebt ‚für’ die Poli­tik, – oder

aber ‚von’ der Poli­tik.“ Will man nicht als Berufspoltiker

im Weber­schen Sinn „für“ die Poli­tik leben,

bieten Bera­ter­tä­tig­kei­ten für Sozi­al­wis­sen­schaft­ler, Poli­to­lo­gen und andere Geis­tes­wis­sen­schaft­ler ein brei­tes Spek­trum an

Wir­kungs­mög­lich­kei­ten.

Poli­tik­be­ra­tung hat Konjunktur.

Mit der Frage, was genau Politikberatung

ist, und was sie bewir­ken kann, tut sich die Branche

selbst schwer. Von Image­bil­dung und strategischer

Ideen­ver­mark­tung durch Public Relations

Agen­tu­ren, Inter­es­sen­si­che­rung durch Lobbyisten

über Kri­sen­ma­nage­ment bis hin zur wissenschaftlichen

Bear­bei­tung und Bereit­stel­lung von Informationen

reicht das Betätigungsfeld.

Bera­ten, nicht entscheiden

Diplom Sozi­al­wis­sen­schaft­ler Ste­phan Götze

grenzt die Auf­gabe einer Poli­tik­be­ra­tung deutlich

ab: „Poli­tik ist immer noch Sache der Parteien.

Eine gute Poli­tik­be­ra­tung arbei­tet nicht an

den inhalt­li­chen Pro­gram­men der Auftraggeber.“

Daher können Bera­tungs­un­ter­neh­men auch parteiunabhängig

Auf­träge anneh­men, denn sie behandeln

wis­sen­schaft­lich fun­diert politikbezogene

und pra­xis­re­le­vante Fra­ge­stel­lun­gen. „Aber

die Bewer­tung der Infor­ma­tio­nen liegt letztendlich

bei den Par­teien und ihren Akteuren.“

Ste­phan Götze ist einer der Mit­be­grün­der der

Nau­ti­lus Poli­tik­be­ra­tung. Die Idee hierzu ging

vor fünf Jahren aus dem Pro­jekt-Semi­nar „Wis­sen­schaft­li­che

Poli­tik­be­ra­tung beim Deutschen

Bun­des­tag“ hervor, das jungen Absol­ven­ten einen

Ein­blick in den poli­ti­schen Alltag der Abgeordneten

ermög­licht.

Denk­fa­bri­ken

Neben Uni­ver­si­tä­ten und Beratungsagenturen

fun­gie­ren Think Tanks, auch „Denk­fa­bri­ken“ genannt, als Schnitt­stelle zwi­schen Poli­tik und

Wis­sen­schaft. Die Idee stammt aus den USA. Unter

Think Tanks ver­steht man Insti­tu­tio­nen, die

ihre For­schungs­er­geb­nisse der Poli­tik zur Verfügung

stel­len. In Deutsch­land gibt es über 130

sol­cher Think Tanks wie das Deut­sche Institut

für Wirt­schafts­for­schung (Berlin) oder das Institut

für Welt­wirt­schaft (Kiel), IFO-Insti­tut (Mün­chen)

und im wei­te­ren Sinn auch Stif­tun­gen wie

Ber­tels­mann.

„Der Knack­punkt bei unse­rer Arbeit liegt in

der Trans­for­ma­tion von wis­sen­schaft­li­chen Informationen

in hand­lungs- und entscheidungsvorbereitende

Ergeb­nisse“, erläu­tert Ste­phan Götze,

„Poli­ti­ker haben heute keinen Allwissenheitsanspruch

mehr. Durch die Aus­la­ge­rung bestimmter

Fra­ge­stel­lun­gen kann eine selek­tive Blindheit

gegen­über wich­ti­gen Themen ver­mie­den werden.“

Damit gewinnt die Ent­schei­dungsfi ndung

an Objek­ti­vi­tät. „Wich­tig ist hier­bei, dass die wissenschaftlichen

Metho­den zwar als Instrument

ange­wen­det werden, die Arbeit im Ergeb­nis aber

viel mehr an der realen Umwelt ori­en­tiert ist und

ver­ständ­li­cher kom­mu­ni­ziert wird, als dies an den

Uni­ver­si­tä­ten der Fall ist.“

Idea­lis­mus

Könnte eine seriöse Bera­ter­land­schaft in

Deutsch­land dem Auf­wärts­trend des Populismus

in der Poli­tik vor allem im Bereich der Medien

so Ein­halt gebie­ten? Sollte sich tatsächlich

ein Wandel in der poli­ti­schen Arbeitsweise

durch Poli­tik­be­ra­tun­gen voll­zie­hen? Ist am Ende

alles nur eine Frage der Kommunikation?

Die Poli­tik hat in vielen gesellschaftlichen

Berei­chen ihre Mei­nungs- und Deutungshoheit

ver­lo­ren. Somit wäre ein Wandel notwendig.

Um jedoch ein gewis­ses Maß an Qua­li­tät in

der Poli­tik­be­ra­tung zu sichern und sich gegen

Lob­by­is­ten und Mein­un­s­gma­cher durchzusetzen,

bedarf es Idea­lis­mus. „Ohne wirk­li­ches Interesse

und ohne Erfah­rung in der politischen

Arbeit ist Poli­tik­be­ra­tung nicht mach­bar. Eine

spru­delnde Geld­quelle ist die Arbeit zumindest

auf dem freien Markt bisher nicht“, sagt

Ste­phan Götze. Aber gerade für junge Hochschulabsoventen

bietet sich hier eine Perspektive

jen­seits einer Par­tei­kar­riere. Viel­leicht gibt

es in Zukunft sogar ein Leben „für“ und „von“

der Poli­tik gleichzeitig.

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