Der ewige Student 5: Oscar Wilde

Stu­den­ten sind ego­is­tisch. Wirk­lich ego­is­tisch und ziem­lich ober­fläch­lich. Wer sich den Glau­ben, dass diese Behaup­tung eine Lüge ist, bewah­ren will, lese nicht, auf gar keinen Fall „Die Nach­ti­gall und die Rose“ von Oscar Wilde.

  Denn das reißt uns glatt die Maske vom Gesicht. Da ist dieser Stu­dent, unglück­lich und höchst melo­dra­ma­tisch ver­liebt, der nach einer nicht auf­find­ba­ren roten Rose schreit. Nur die kann näm­lich seine Liebste zu einem Tanz ver­füh­ren. Eine Nach­ti­gall hört das und opfert ihr Leben, um eine rote Rose zu erschaf­fen. Da liegt sie, tot, einen Dorn im Herzen. Aber immer­hin blüht eine Rose. Der Stu­dent pflückt sie und bringt sie seiner Liebs­ten. Als diese schnip­pisch wird, schmeißt er das kost­bare Gewächs ein­fach in den Graben und stu­diert weiter Phi­lo­so­phie: „Liebe ist doch ein dummes Ding”, sagte der Stu­dent, als er heim­ging.  „Sie ist nicht halb soviel nütze als Logik.” Stu­den­ten, also wirk­lich. Viel­leicht sollte ich eine Lehre anfan­gen. Oder Nach­ti­gall werden. Das sind ja doch die ein­zi­gen echten Men­schen heutzutage.