editorial Sommer 2006: Gesicht zeigen

„Zeigt her eure Füße, zeigt her eure Schuh…“, achja, die Kin­der­tage sind lange her, und wie die nächs­ten Zeilen dieses Schla­gers unse­rer unbe­schwer­ten Zeit lau­te­ten, müssen wir jetzt schon im Inter­net her­aus­fin­den. Des­halb schauen wir den Men­schen auch lieber ins Gesicht als auf die Schuhe.

Jeder trägt sein Gesicht all­täg­lich vor sich her, zeigt es in Semi­na­ren, Demons­tra­tio­nen oder im Fami­li­en­kreis her. Damit gibt der Zei­gende viel von sich preis. Die Beschwer­nis des Alters ist an den Falten abzu­le­sen, die schlaf­lo­sen Nächte an den Augen­rin­gen, die Ner­vo­si­tät an der zer­kau­ten Lippe.

Genau­ge­nom­men möch­ten die meis­ten ihr Gesicht nur zu den wenigs­ten Gele­gen­hei­ten vor­zei­gen – wer gele­gent­lich im Freun­des­kreis foto­gra­fiert, kennt die Angst vor dem eige­nen Gesicht. Aber ein Gesicht lässt sich nur auf­fäl­lig ver­ste­cken und erst recht nicht zu Hause lassen. Was also tun?

Aus der Not eine Tugend machen und sein Gesicht offen­siv in die Welt tragen, als Visi­ten­karte, Aus­hän­ge­schild, Flir­t­an­reiz, und natür­lich sagt es mehr über dich aus als jeder Text, jeder Stu­den­ten­aus­weis es könnte.