Schweden: Lust auf Familie

Die zahl­rei­chen deut­schen Tou­ris­ten, die sich in Schwe­den jedes Jahr erneut der Ver­kehrs­schil­der mit Elch­ap­pli­ka­tion bemäch­ti­gen, haben ihre guten Gründe dieses Land zu besuchen.

Nicht nur, dass Schwe­den für sein Sozi­al­sys­tem gelobt wird, auch die Bücher zahl­rei­cher Kri­mi­au­toren aus dem Blon­di­nen­land, allen voran Hen­ning Man­kell, werden viel und gerne gele­sen. Zudem ver­kör­pert die typisch schwe­di­sche Land­schaft mit end­lo­sen Wäl­dern, Seen und schnee­be­deck­ten Bergen eine Art Zufl uchts­ort aus unse­rem hek­ti­schen Alltag, in dem sich alles nur noch um Arbeit und Erfolg zu drehen scheint. Natür­lich waren dies auch für mich über­zeu­gende Gründe, mein Aus­lands­se­mes­ter im ver­gan­ge­nen Win­ter­se­mes­ter in der schö­nen Uni­ver­si­täts­stadt Lund in Süd­schwe­den zu ver­brin­gen. Als Sozio­lo­gie-Stu­den­tin inter­es­sierte mich in erster Linie das Wohl­fahrts­sta­at­mo­dell, das immer wieder als vor­bild­haft dar­ge­stellt wird. Ich muss zuge­ben: Nir­gendwo habe ich je mehr Lust gehabt, eine Fami­lie zu grün­den, als in Schwe­den. Dass Kinder dort gesell­schaft­lich wert­ge­schätzt werden, sieht man nicht nur an der Auf­schrift „Für die wich­tigs­ten Men­schen der Welt“ über der Kin­der­welt im Ikea. Gene­rell begeg­net man dort bedeu­tend mehr jungen Klein­fa­mi­lien, die es sich erlau­ben können, Fami­lie und Beruf vor allem finan­zi­ell unter einen Hut zu kriegen. 

Süße Ver­su­chun­gen

Schwe­den hat zudem außer­ge­wöhn­lich viele süße Dinge zu bieten: Prin­zes­si­nen-Torte, Semm­ler (eine Art Wind­beu­tel), Zimt-Schne­cken und zahl­rei­che Scho­ko­la­den­va­ri­an­ten munden ein­fach gött­lich. Lakrit­ze­f­a­na­ti­ker dürf­ten sich dort wie im Schla­raf­fen­land fühlen. Für das def­tige Genie­ßer­herz gibt es Kött­bullar en masse und schon bald fühlt man sich wie in ein rie­si­ges Ikea-Restau­rant ver­setzt. Dass bei Pippi Lang­strumpf alles drei­fach teurer sein soll als in nichts­kan­di­na­vi­schen Län­dern ist übri­gens nur bedingt wahr: Mit drei Netto- Märk­ten vor der Haus­tür lässt es sich in Lund durch­aus preis­wert leben. Die Kla­mot­ten der schwe­di­schen Mode­kette mit den zwei großen Buch­sta­ben sind auch nicht wesent­lich teurer als in Deutsch­land, und ein wirk­li­cher Vor­teil sind zudem die preis­wer­te­ren Rei­se­mög­lich­kei­ten. Mit denen kann ich das Land und auch das angren­zende Däne­mark pro­blem­los erkun­den. Beson­ders Kopen­ha­gen ist immer wieder einen Tages­aus­flug wert. Schmeißt man sich mit ein paar Leuten zusam­men, kommt man bei Bahn­ti­ckets, Her­bergs­zim­mern oder Miet­wa­gen alle­mal bil­li­ger weg. Klei­ner Tipp: Zu viert reist es sich immer gut. 

Der per­fekte Kom­pro­miss

Was auch von Vor­teil für die eige­nen Erfah­run­gen sein kann, ist, sich eine Pri­vat­un­ter­kunft zu suchen. Ich hatte sicher­lich rie­si­ges Glück, eine solche Vor­zeige-Gast­mutti im Zen­trum Lunds gefun­den zu haben. Sie hat mich oft mit zu Freun­den genom­men, mit denen ich dann sogar Heilig Abend ver­brin­gen durfte. Aber gene­rell ist es ein­fach viel authen­ti­scher, in einem schwe­di­schen Haus­halt zu leben als auf einem der in Schwe­den übli­chen Stu­den­ten­kor­ri­dore. Dieser ist selbst­ver­ständ­lich wegen häu­fi­ge­rer Kon­takt­auf­nahme und des bedeu­tend höhe­ren Maßes an Spaß auch nicht zu ver­ach­ten. Man muss also abwä­gen. Sich regel­mä­ßig bei Freun­den auf einem inter­na­tio­na­len Kor­ri­dor ein­zufi nden zum Kochen, Quat­schen und „L‘Auberge Espanol“-Gucken ist ein per­fek­ter Kom­pro­miss aus beidem. 

Fünf Monate ver­brachte ich zum Stu­die­ren in Lund, was übri­gens luft­li­ni­en­mä­ßig von Berlin nicht mal so weit ent­fernt ist wie Frankfurt/Main. Was ich in dieser Zeit beson­ders schät­zen gelernt habe: Das Rauch­ver­bot in Clubs, Bars und Restau­rants sowie das bedeu­tend höhere Maß an Grup­pen­ar­beit an der Uni. Und so habe ich jetzt aus­rei­chend fri­schen Wind für mein rest­li­ches Stu­dium getankt und schaue immer wieder weh­mü­tig in mein Foto­al­bum mit der Gewiss­heit, dass ich viel erlebt und gelernt habe. Allem voran: Der Blon­di­nen­über­schuss scheint, zumin­dest im Süden des Landes, nur ein Mythos zu sein.