Griechenland: Antike live erleben
Drei Dinge bestimmen die Berichte, die ein Auslandsstudent aus Athen mitbringt: chaotischer Straßenverkehr, Streiklust und unnötige Bürokratie. Doch Athen und Griechenland haben nicht nur ignorante Autofahrer oder viel Papierkram zu bieten, sondern auch leckeren Eiskaffee in zahlreichen Cafés und einen wunderschönen Studienort, der aber auch einiges Engagement erfordert.
Die griechische Geschichte ist in vielen Ecken Athens präsent. Wir alle haben die zahlreichen Tempel und Ruinen vor unserem geistigen Auge, von der Akropolis über das alte Olympiastadion bis zum Zeustempel. Orangenbäumchen säumen die Straßen, Touristen bevölkern die Stadt und die direkte Meeresnähe lässt die ganze Sache schnell einem Urlaub im Süden ähneln. Zumindest möchte das touristische Auge das so sehen, denn eigentlich besteht Athen größtenteils aus schmucklosen Betonbauten.
Organisationswut
Nicht ganz so sonnig wie das Urlaubsfeeling sind die kompliziert anmutenden Umstände, von denen ein Student manchmal eingeholt wird. Da ist zum Beispiel die Anschaffung der vier mit verschiedenen Funktionen ausgestatteten Studentenausweise, für die es vier verschiedene verschiedene Büros gibt, die direkt nebeneinander liegen – aber völlig unterschiedliche Öffnungszeiten haben. Da fällt es schwer, nicht schon in der ersten Woche an griechischer Organisationswut zu verzweifeln. Mit dem ersten Ausweis kann man günstig in der Mensa essen, mit dem zweiten günstig die öff entlichen Verkehrsmittel nutzen und mit dem dritten die Museen und Kulturstätten Athens günstig besuchen – den vierten und größten von allen gibt es einfach so.
Eine andere aufregende Sache sind die unberechenbaren Streiks in öff entlichen Einrichtungen, zu denen zum Leidwesen der Studierenden sowohl die öff entlichen Verkehrsmittel als auch die Uni gehören. So kann es schon mal passieren, dass man endlich mal pünktlich zum Seminar kommen will – und der Bus fährt nicht. Das Informationssystem der Athener Verkehrsgesellschaft ist nicht wirklich gut ausgebaut und scheitert auch an den mangelnden Sprachkenntnissen eines Auslandsstudenten, der die Radio-Durchsagen nicht versteht. So wartet man schon mal 45 Minuten, bis man feststellt, dass die persönlichen Ambitionen durch streikende Busfahrer zerstört wurden. Oder man ist rechtzeitig in der Uni, aber sonst niemand außer den motivierten Studis, weil die Professoren streiken. Man muss also mit einigen Unwägbarkeiten in der Tagesplanung rechnen.
Reisen bildet
Aber das Semester in Athen wäre kein tolles Semester, wenn es nicht auch was Schönes zu berichten gäbe. Wetter, Wetter, Wetter! Es ist meist trocken, sonnig und warm. Profi tieren kann student auch von den Preisen für frischgepresste Säfte, Blätterteigtaschen, Obst und Gemüse oder landestypischen Fetakäse. Taxis, Busse, Metros und Trams können ebenso mit Niedrigpreisen punkten. Für die Erweiterung des eigenen Horizonts bietet Griechenland neben der südeuropäischen und gastfreundlichen Mentalität reichlich geschichtsträchtige Stätten und unzählige Inseln vor der Küste. Auch wenn es vom Studium ablenkt: Reisen bildet. Um das Land kennenzulernen sollte man an der Universität unbedingt nach Uni-eigenen Ferienhäusern auf den Inseln fragen, in denen man sich für ein paar Tage kostenlos einmieten kann.
Sprachlich kommt man mit Englisch irgendwie, aber nicht problemlos voran. Nur wenige Kurse an den Athener Universitäten werden in Englisch abgehalten. Einige Professoren schreiben zumindest eine Zusammenfassung des Seminar-Inhalts auf Englisch. Die griechische Sprache einigermaßen zu beherrschen, kann also nützlich sein, sowohl an der Uni als auch im Alltag. Dort besonders, damit die Griechen im Zuge ihres Nationalstolzes den Fremden nicht bei jeder Gelegenheit übers Ohr hauen können.
Der Aufenthalt in Athen erfordert Flexibilität und Genügsamkeit. Bringt man einen Koffer voll davon im Billigflieger mit und zeigt genügend Off enheit für eine von der deutschen völlig verschiedene Mentalität, so steht einem abwechslungsreichen Semester nichts mehr im Wege.