Kritik an Lehre unerwünscht
Das Bewertungsportal meinprof.de wird angegriffen.
TU-Studenten haben eine sehr erfolgreiche Internetseite gegründet, sind jetzt aber in Debatten auf höchster Ebene verwickelt. Auf www. meinprof.de können Studenten Dozenten aller Universitäten in ganz Deutschland bewerten. Kategorien wie „Fairness“, „Verständlichkeit“, „Material“, „Unterstützung“, „Spaß“ und „Note im Verhältnis zum Aufwand“ stehen zur Verfügung. Die Abfrage der Ergebnisse, Teilnahme und Registrierung sind kostenlos und für jeden zugänglich. Die persönliche Teilnahme an einem Kurs des zu bewertenden Professors wird in den Nutzungsrichtlinien vorausgesetzt. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass keine Mehrfachabstimmung möglich ist und die Bewertung und eventuellen Kommentare objektiv und fair ohne unlautere Motivation gefasst sein sollten. Diese Idee ist in den USA bereits erfolgreich unter www.ratemyprofessor.com etabliert.
Der Lehre an den Hochschulen in Deutschland wurde bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Die Evaluation ist keinem anerkannten Bewertungssystem unterworfen und untersucht nur vergleichbare Werte wie die Zahl der Studenten pro Dozent, erzielte Noten und finanzielle Ausstattung der Kurse. Dabei geht die didaktische Kompetenz des Dozenten unter. Im Gegensatz dazu wird die Forschung sehr genau beobachtet, wobei gilt: Je mehr Veröffentlichungen, desto besser der Professor. Unberücksichtigt bleibt, dass eine nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ hochwertige Forschung leicht auf Kosten der Lehre stattfindet.
Bei meinprof.de schneiden einige Professoren nicht sonderlich gut ab. Statt sich mit der Kritik auseinanderzusetzen, drohten zum Beispiel die Dozenten der RWTH Aachen mit rechtlichen Schritten. Tatsächlich wurden einige Klagen eingereicht. Diese riefen den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Alexander Dix auf den Plan. Dix vermutet die Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Dozenten. Außerdem sieht er die Vergabe von Drittmitteln an die entsprechenden Schulen und Professoren gefährdet. Zu den Vorwürfen mussten die Verantwortlichen von meinprof.de bis Ende August offiziell Stellung nehmen. Dabei wurden sie von ihrem Anwalt Lambert Grosskopf, selbst Dozent in Bremen, mit einem Gutachten unterstützt. Ende September traf man sich erneut, um den Forderungen des Datenschutzbeauftragten Dix entgegenzutreten.
Zustimmung findet die Bewertungsmöglichkeit von Dozenten nicht nur unter Studenten. Ein engagierter Verfechter der Seite meinprof.de ist der Diplom-Betriebswirt Bernd Schmitz, Dozent für Kommunikation und Medienwirtschaft an der Rheinischen Fachhochschule in Köln. Auch der Jurist Patrick Breyer engagiert sich im Datenschutz und argumentiert „trotzdem” für das Bestehen der Seite: In diesem Fall gehe die Meinungsfreiheit vor.
Die Diskussion zwischen Breyer und Dix gewährt Einblicke in die rechtliche Situation und zeigt, dass dieses Thema eine ganze Reihe weiterer Probleme aufwirft. Es führt letztlich zur großen Rechtsfrage Internet, wo Fragen zu Pressefreiheit und Meinungsfreiheit immer noch ungeklärt sind. Somit würde ein Gerichtsurteil in diesem Streit zu einem Präzedenzfall. Zwar streben die Studenten der TU Berlin eine gütliche Einigung an, scheuen den Gang vor Gericht aber nicht.
Neben den rechtlichen Fragen bleibt der Befund, dass zahlreiche Dozenten eine kritische Bewertung ihrer Lehre fürchten und diese Art von öffentlicher Meinungsäußerung unterbinden wollen.
Weitere Informationen:
Bewertungsportal in Deutschland: www.meinprof.de
Bewertungsportal in der USA: www.ratemyprofessor.com