Sparsamkeit, Effizienz, Hoffnung

Wir spra­chen mit dem Regie­ren­den Bür­ger­meis­ter Klaus Wowe­reit über seine nächste Amts­zeit und die Hoch­schul­si­tua­tion in Berlin.

Das Inter­view wurde per eMail geführt.

Die Aussage, dass Berlin mit der Niederlage um Bundesmittel ja Unabhängigkeit behält, zeugt von einer Chuzpe, die möglicherweise nicht alle befürworten. Aber die erwähnte Unabhängigkeit bietet Chancen – was können die Berliner in dieser Legislaturperiode erwarten?

Klaus Wowe­reit: Es ist nicht Chuzpe, son­dern die nüch­terne Beschrei­bung der Lage nach der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts. Berlin hat zwar keine Hilfen bekom­men, aber auch kei­ner­lei Aufl agen und ist des­halb frei in seinen Ent­schei­dun­gen. Wir haben bisher den Haus­halt erfolg­reich kon­so­li­diert. Berlin liegt in dieser Hin­sicht unum­strit­ten weit vorn. Diese Poli­tik werden wir mit Augen­maß und in sozia­ler Ver­ant­wor­tung fort­set­zen. Dabei werden wir Schwer­punkte setzen. Dazu gehört vor allem die Bil­dung, dafür muss und wird Geld da sein, damit wir den zukünf­ti­gen Genera­tio­nen das Rüst­zeug mit­ge­ben, in der Kon­kur­renz zu bestehen.

Welche Vorteile brächten die veränderten Ressort-Zuschnitte für die Hochschulen?

Durch den neuen Zuschnitt ergibt sich eine gemein­same Ver­wal­tung des gesam­ten Bil­dungs­we­sens vom Kin­der­gar­ten bis zum Habi­li­ta­ti­ons­we­sen. Das ist sozu­sa­gen Bil­dungs- und Wis­sen­schafts­po­li­tik aus einem Guss.

Wie werden sich die Veränderungen der Ressort-Zuschnitte auf das Studieren in Berlin auswirken?

Ich erwarte keine spür­ba­ren Aus­wir­kun­gen auf das Stu­die­ren an den Ber­li­ner Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len. Die Hoch­schul­ver­träge gelten. Wir stär­ken wei­ter­hin die Auto­no­mie der Uni­ver­si­tä­ten, die damit auch wei­ter­hin selber für ihr Ange­bot in der Lehre ver­ant­wort­lich sind.

Warum sollten Studierende von auswärts in Berlin studieren wollen – sollen sie das überhaupt?

Natür­lich will Berlin junge, krea­tive Men­schen aus ganz Deutsch­land und dar­über­hin­aus aus aller Welt anzie­hen! Das ist doch gar keine Frage. Und sie wollen ja auch nach Berlin. Wie Sie sicher­lich wissen, muss­ten für das lau­fende Semes­ter erneut Tau­sende abge­lehnt werden. Für unsere Stadt sind junge Leute ein Kapi­tal für die Zukunft. Berlin ist eine span­nende Stadt, die Uni­ver­si­tä­ten sind gut und angesehen.

Sie und die Koalitionsparteien haben sich gegen Studiengebühren ausgesprochen; allerdings scheinen sachliche Argumente wie Studierendenflucht aus Gebührenländern und Finanznot die Einführung zu erzwingen … wie lange kann sich Berlin noch gegen Studiengebühren wehren?

Fest steht jeden­falls, dass Berlin in erheb­li­chem Maß über den eige­nen Bedarf hinaus aus­bil­det. Dafür müssen andere Länder in wel­cher Form auch immer einen Aus­gleich schaff en. Schließ­lich profi tieren sie ja auch von den Leis­tun­gen der Ber­li­ner Steu­er­zah­ler. Wir haben uns mit der Links­par­tei darauf ver­stän­digt, dass es für den Hoch­schul­zu­gang keine finan­zi­el­len Hürden geben soll. Diese Ver­ein­ba­rung gilt für die gesamte neue Legislaturperiode.

Die Hochschulverträge sehen zwar keine Kürzungen vor; dennoch zwängen sie die Hochschulen in enge Korsetts, die ihre Elite-Chancen mindern. Langfristig scheint die Hochschulbildung weggespart zu werden – Ihr Plädoyer für Berlin als Hochschulstandort?

Ich habe als Regie­ren­der Bür­ger­meis­ter eine Ver­ant­wor­tung für die gesamte Stadt und vor allem für die Gesamt­heit der Men­schen, die hier leben und die hier Steu­ern zahlen. Ange­sichts der Zumu­tun­gen, die wir allen Ber­li­ne­rin­nen und Ber­li­nern schon in der vori­gen Legis­la­tur­pe­ri­ode haben auf­bür­den müssen, kann es gar nicht anders sein, dass jeder, der mit öff ent­li­chen Mit­teln umgeht, spar­sam und effi zient damit umge­hen muss. Mehr Geld bedeu­tet im übri­gen nicht immer auto­ma­tisch mehr Qua­li­tät. Das gilt auch für die Uni­ver­si­tä­ten, auch wenn sie für Berlin eine unver­zicht­bare Zukunfts­res­source dar­stel­len, ohne die die Zukunft der Stadt und ins­be­son­dere die Schaff ung neuer Arbeits­plätze nicht vor­stell­bar ist.

Wie nah ging Ihnen als FU-Alumni die „Niederlage” der FU im Elitewettkampf?

Natür­lich erin­nere ich mich dann und wann an meine Zeit an der Freien Uni­ver­si­tät, ins­be­son­dere an die Juris­ti­sche Fakul­tät und an die Arbeit in der Biblio­thek dort. Aber die Ber­li­ner Uni­ver­si­tä­ten haben im Exzel­lenz­wett­be­werb koope­riert. Inso­fern stellt sich die Frage nicht unbe­dingt in der Weise, wie Sie sie for­mu­lie­ren. Und außer­dem wollen wir hoffen, dass wir bei den nächs­ten Wett­be­werbs­ent­schei­dun­gen noch Erfolge ver­bu­chen können.

Sie setzen sich ein für „ein menschliches Berlin, wo sozialer Zusammenhalt mehr gilt als egoistische Einzelinteressen.” Aber gerade die Reformen, der wirtschaftliche Druck und das gesellschaftliche Klima befördern ein Einzelkämpfertum, auch an den Hochschulen. Wie kann in einem Umfeld wie dem heutigen noch sozialer Zusammenhalt gegen den zunehmenden Alltagsstress tatsächlich gelebt werden?

Es ist nach wie vor mög­lich, sozia­len Zusam­men­halt zu orga­ni­sie­ren und bei allem gewoll­ten Wett­be­werb Mensch­lich­keit und Soli­da­ri­tät zu leben. Man sollte da nicht pes­si­mis­tisch sein. Wesent­lich ist dafür – und da fängt es an – das Enga­ge­ment des Ein­zel­nen in seinem Umfeld. Poli­tisch sehe ich es als meine Auf­gabe an, trotz der harten ins­be­son­dere fi nan­zi­el­len Bedin­gun­gen die Spiel­räume, die wir über­haupt noch haben, in sozia­ler Ver­ant­wor­tung zu gestal­ten. Ich bin über­zeugt, dass es im Rahmen der Mög­lich­kei­ten einen Unter­schied auch in Bezug auf das soziale Klima und auf die Mensch­lich­keit in der Gesell­schaft macht, ob Neo­li­be­rale oder Sozi­al­de­mo­kra­ten diese Ver­ant­wor­tung wahrnehmen.

Über Alexander (10 Artikel)
1998 bis 2008: Studium ÄdL und Angl/Am an der HU • 2000 bis 2004: Mitarbeit bei UnAufgefordert und Rettungsring • 2005 bis 2011: verantwortlicher Redakteur „Spree“ und „bus“ • mehr auf: www.zanjero.de und www.axin.de