Grundlegend und exotisch

Wie fühlt sich Enga­ge­ment an? Wir spra­chen mit Esther Mosel über

ihr Ber­li­ner Pro­jekt für trans- und inter­ge­schlecht­li­che Men­schen.
bus: Worum geht es bei TrIQ?

Esther Mosel: Mit TrIQ bieten wir eine Anlaufstelle

für Men­schen, die nicht in dem Geschlecht

leben können oder wollen, wel­ches ihnen bei

der Geburt zuge­spro­chen wurde. Unter die Bezeichnung

?trans­ge­schlecht­li­che Menschen?

fallen aber nicht nur Trans­se­xu­elle ? das ist nur

eine medi­zi­ni­sche Bezeich­nung für eine kleinere

Gruppe ?, son­dern auch Trans­gen­der, Transvestiten,

Drag-Queens, Drag-Kings und viele

mehr.

Es geht aber auch um intergeschlechtliche

Per­so­nen, also Men­schen, die man als Zwitter

oder Herm­aphro­di­ten bezeich­net, und die

von der Medi­zin als geschlecht­lich uneindeutig

ein­ge­stuft werden.

Seit den letz­ten Jahren hat die Trans-Bewegung

zumin­dest in Berlin an Zuwachs gewonnen,

weil sich auch viele schwulles­bi­sche Projekte

des Themas ange­nom­men haben. Wir

sind aber der Mei­nung, dass trans- und intergeschlechtliche

Men­schen ein eige­nes Pro­jekt benötigen.

Zu unse­ren Leis­tun­gen gehört in erster

Linie die Bera­tung und Infor­ma­tion zu medizinischen,

psy­cho­so­zia­len oder recht­li­chen Fragen.

Der/die Sozialpädagoge/in Esther Mosel (34) grün­dete Trans­In­ter­Queer (TrIQ) mit. Foto: Alex­an­der Graeff

Was sind die Ziele von TrIQ?

Eman­zi­pa­tion: Wir arbei­ten an einer gleichberechtigten

Teil­habe für trans- und intergeschlechtliche

Men­schen an der Gesellschaft.

Ent­pa­tho­lo­gi­sie­rung: Es ist ein großes Problem,

dass Trans- und Intergeschlechtlichkeit

als Krank­heit bzw. medi­zi­ni­scher Defekt eingestuft

wird ? das wollen wir ändern.
Abbau von

Dis­kri­mi­nie­rung: Wir glau­ben, dass eine Erweiterung

der Zwei-Geschlech­ter-Ord­nung die gesamte

Gesell­schaft berei­chert. Die strikte Einteilung

in Männer und Frauen greift sehr kurz. Das

führt soweit, dass man nur auf­grund des Geschlechts

unter­schied­li­che Denk­struk­tu­ren unterstellt.

Momen­tan werden sowohl Männer als

auch Frauen auf die Hälfte der zur Verfügung

ste­hen­den Mög­lich­kei­ten reduziert.

Es geht uns nicht um die Abschaf­fung der

per­sön­li­chen Iden­ti­fi­ka­tion als Mann oder Frau;

wir for­dern nur eine Erwei­te­rung dieses Sche­mas und die selbst­be­stimmte Zuord­nung zu

den ein­zel­nen Kategorien.

Welche Rolle spielst du in dem Projekt?

Es gibt mitt­ler­weile über 50 Leute, die sich

dafür enga­gie­ren. Die Kern­gruppe, die seit etwa

2001 an dem Pro­jekt effek­tiv arbei­tet, besteht

aber nur aus etwa zwölf Per­so­nen. Zu denen

gehöre ich. Ich gehöre auch zu den Ideengebern

des Pro­jek­tes und besitze die Ausbildung,

die man offi­zi­ell benö­tigt, um die psychosoziale

Bera­tungs­tä­tig­keit inner­halb eines sol­chen Projektes

aus­füh­ren zu dürfen.

Ist das poli­ti­sche Arbeit?

Wenn man sich für die Rechte von Menschen

ein­setzt, die bisher nicht gemäß ihrer eigenen

Inter­es­sen leben konn­ten, ist das auf jeden Fall

poli­ti­sche Arbeit. Zum Bei­spiel setzen wir uns

dafür ein, nicht als krank ein­ge­stuft zu werden,

wie es schon vor etwa 30 Jahren Schwule und

Lesben durch­ge­setzt haben.

Leben wir in einer Zeit, in der gesellschaftspolitisches

Enga­ge­ment wieder wich­ti­ger geworden

ist, oder ist die Zeit des Enga­ge­ments vorbei?

Die Not­wen­dig­keit für Enga­ge­ment wird

eher immer größer. Dass die Zeit vorbei wäre,

könnte ich an nichts fest­ma­chen. Mir fällt aber

auf, dass das gesell­schafts­po­li­ti­sche Engagement

in Deutsch­land im Ver­gleich zu anderen

Län­dern gerin­ger ist.

Gibt es Situa­tio­nen, in denen du Rück­schläge erfahren

hast?

Sta­gna­tion würde ich als Rück­schlag bezeichnen.

Es kommt schon vor, dass ich an einem

Teil­pro­jekt arbeite, und nichts dabei heraus

kommt. Das pas­siert immer mal wieder. Besonders

frus­trie­rend ist, wenn ich mit ande­ren Menschen

zu tun habe, von denen ich erwar­tet hatte,

dass sie sich dafür begeis­tern und das dann

aus­bleibt. Das pas­siert zum Glück nicht so oft.

Wie moti­vierst du dich?

Mir liegt selbst so viel an der Sache, dass ich

mich allein durch mein per­sön­li­ches Inter­esse moti­vie­ren kann. Es ist aber gut zu wissen, dass

nicht nur ich enga­giert bin, son­dern auch andere

an der Sache mit­ar­bei­ten. Das baut mich auf.

Leiden Freunde und Fami­lie unter deinem Engagement?

Ich opfere sehr viel Zeit für die Sache, da

bleibt nicht immer aus­rei­chend Zeit für Freunde.

Mein Freun­des­kreis hat sich aber mitt­ler­weile so

ent­wi­ckelt, dass ich mit den meis­ten Freunden

auch in dem Pro­jekt zusam­men­ar­beite. Natürlich

bin ich auch mit Men­schen befreun­det, die

mit meinen Ideen gar nichts zu tun haben; ich

hoffe, dass ich die zeit­lich nicht vernachlässige.

Hast du den Ein­druck, dass deine Ideen und dein

Enga­ge­ment aner­kannt werden?

Es ist mir sehr wich­tig, dass auch andere an

meine Ideen glau­ben. Das muss aber nicht irgendeine

Mehr­heit sein, schließ­lich habe ich mir

ja einen recht exo­ti­schen Bereich aus­ge­sucht. Mir

ist bewusst, dass sich der Groß­teil der Menschheit

fragt, warum man dieses Thema über­haupt bearbeiten

muss. Damit habe ich aber kein Problem.

Meine Ideen sind kein Massenthema.

Die Mei­nung bestimm­ter Men­schen ist mir

aber schon wich­tig. Von diesen Mei­nun­gen bin

ich inso­fern abhän­gig, dass ich mir wünsche,

dass man mein Enga­ge­ment und meine Ziele

aner­kennt.

Bist du ein Idealist?

Ja, würde ich sagen. Ideale zu haben, ist für

mich lebens­wich­tig!

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