Grundlegend und exotisch
Wie fühlt sich Engagement an? Wir sprachen mit Esther Mosel über
ihr Berliner Projekt für trans- und intergeschlechtliche Menschen.
bus: Worum geht es bei TrIQ?
Esther Mosel: Mit TrIQ bieten wir eine Anlaufstelle
für Menschen, die nicht in dem Geschlecht
leben können oder wollen, welches ihnen bei
der Geburt zugesprochen wurde. Unter die Bezeichnung
?transgeschlechtliche Menschen?
fallen aber nicht nur Transsexuelle ? das ist nur
eine medizinische Bezeichnung für eine kleinere
Gruppe ?, sondern auch Transgender, Transvestiten,
Drag-Queens, Drag-Kings und viele
mehr.
Es geht aber auch um intergeschlechtliche
Personen, also Menschen, die man als Zwitter
oder Hermaphroditen bezeichnet, und die
von der Medizin als geschlechtlich uneindeutig
eingestuft werden.
Seit den letzten Jahren hat die Trans-Bewegung
zumindest in Berlin an Zuwachs gewonnen,
weil sich auch viele schwullesbische Projekte
des Themas angenommen haben. Wir
sind aber der Meinung, dass trans- und intergeschlechtliche
Menschen ein eigenes Projekt benötigen.
Zu unseren Leistungen gehört in erster
Linie die Beratung und Information zu medizinischen,
psychosozialen oder rechtlichen Fragen.
Was sind die Ziele von TrIQ?
Emanzipation: Wir arbeiten an einer gleichberechtigten
Teilhabe für trans- und intergeschlechtliche
Menschen an der Gesellschaft.
Entpathologisierung: Es ist ein großes Problem,
dass Trans- und Intergeschlechtlichkeit
als Krankheit bzw. medizinischer Defekt eingestuft
wird ? das wollen wir ändern.
Abbau von
Diskriminierung: Wir glauben, dass eine Erweiterung
der Zwei-Geschlechter-Ordnung die gesamte
Gesellschaft bereichert. Die strikte Einteilung
in Männer und Frauen greift sehr kurz. Das
führt soweit, dass man nur aufgrund des Geschlechts
unterschiedliche Denkstrukturen unterstellt.
Momentan werden sowohl Männer als
auch Frauen auf die Hälfte der zur Verfügung
stehenden Möglichkeiten reduziert.
Es geht uns nicht um die Abschaffung der
persönlichen Identifikation als Mann oder Frau;
wir fordern nur eine Erweiterung dieses Schemas und die selbstbestimmte Zuordnung zu
den einzelnen Kategorien.
Welche Rolle spielst du in dem Projekt?
Es gibt mittlerweile über 50 Leute, die sich
dafür engagieren. Die Kerngruppe, die seit etwa
2001 an dem Projekt effektiv arbeitet, besteht
aber nur aus etwa zwölf Personen. Zu denen
gehöre ich. Ich gehöre auch zu den Ideengebern
des Projektes und besitze die Ausbildung,
die man offiziell benötigt, um die psychosoziale
Beratungstätigkeit innerhalb eines solchen Projektes
ausführen zu dürfen.
Ist das politische Arbeit?
Wenn man sich für die Rechte von Menschen
einsetzt, die bisher nicht gemäß ihrer eigenen
Interessen leben konnten, ist das auf jeden Fall
politische Arbeit. Zum Beispiel setzen wir uns
dafür ein, nicht als krank eingestuft zu werden,
wie es schon vor etwa 30 Jahren Schwule und
Lesben durchgesetzt haben.
Leben wir in einer Zeit, in der gesellschaftspolitisches
Engagement wieder wichtiger geworden
ist, oder ist die Zeit des Engagements vorbei?
Die Notwendigkeit für Engagement wird
eher immer größer. Dass die Zeit vorbei wäre,
könnte ich an nichts festmachen. Mir fällt aber
auf, dass das gesellschaftspolitische Engagement
in Deutschland im Vergleich zu anderen
Ländern geringer ist.
Gibt es Situationen, in denen du Rückschläge erfahren
hast?
Stagnation würde ich als Rückschlag bezeichnen.
Es kommt schon vor, dass ich an einem
Teilprojekt arbeite, und nichts dabei heraus
kommt. Das passiert immer mal wieder. Besonders
frustrierend ist, wenn ich mit anderen Menschen
zu tun habe, von denen ich erwartet hatte,
dass sie sich dafür begeistern und das dann
ausbleibt. Das passiert zum Glück nicht so oft.
Wie motivierst du dich?
Mir liegt selbst so viel an der Sache, dass ich
mich allein durch mein persönliches Interesse motivieren kann. Es ist aber gut zu wissen, dass
nicht nur ich engagiert bin, sondern auch andere
an der Sache mitarbeiten. Das baut mich auf.
Leiden Freunde und Familie unter deinem Engagement?
Ich opfere sehr viel Zeit für die Sache, da
bleibt nicht immer ausreichend Zeit für Freunde.
Mein Freundeskreis hat sich aber mittlerweile so
entwickelt, dass ich mit den meisten Freunden
auch in dem Projekt zusammenarbeite. Natürlich
bin ich auch mit Menschen befreundet, die
mit meinen Ideen gar nichts zu tun haben; ich
hoffe, dass ich die zeitlich nicht vernachlässige.
Hast du den Eindruck, dass deine Ideen und dein
Engagement anerkannt werden?
Es ist mir sehr wichtig, dass auch andere an
meine Ideen glauben. Das muss aber nicht irgendeine
Mehrheit sein, schließlich habe ich mir
ja einen recht exotischen Bereich ausgesucht. Mir
ist bewusst, dass sich der Großteil der Menschheit
fragt, warum man dieses Thema überhaupt bearbeiten
muss. Damit habe ich aber kein Problem.
Meine Ideen sind kein Massenthema.
Die Meinung bestimmter Menschen ist mir
aber schon wichtig. Von diesen Meinungen bin
ich insofern abhängig, dass ich mir wünsche,
dass man mein Engagement und meine Ziele
anerkennt.
Bist du ein Idealist?
Ja, würde ich sagen. Ideale zu haben, ist für
mich lebenswichtig!
Weitere Informationen:
- TransGender Netzwerk Berlin: www.tgnb.de
- Transinterqueer: www.transinterqueer.org