Howard Zinn: Historischer Perspektivenwechsel
Schon der Titel des Buchs von Howard Zinn ist bemerkenswert. Es heißt Eine Geschichte des amerikanischen Volkes und nicht etwa Die Geschichte des amerikanischen Volkes. Schließlich ist Zinn, ein 1922 in New York geborener Historiker und Dramatiker, überzeugt von der Unvermeidbarkeit, Partei zu ergreifen, die durch Auswahl und Schwerpunkt in der Geschichtsschreibung entsteht.
1980 setzte er deswegen mit der Erstausgabe seines Buches A People?es History of the United States ein Gegengewicht zu den bestehenden Lehrplänen. Denn wenn wir die Geschichtsbücher lesen, die man Kindern in den Vereinigten Staaten gibt, dann begann alles mit heldenhaften Abenteuern ?c es gibt kein Blutvergießen. Dass das Ganze in Wahrheit anders aussah, belegt Zinn anhand von historischen Aufzeichnungen. So beschrieb der Priester Bartholomé de la Casas, was nach der Ankunft von Kolumbus geschah, folgendermaßen: Aber unser Werk war es, Verzweifelung zu bringen und zu verwüsten, zu töten, zu zerfleischen und zu zerstören.
Aus diesem Grund zieht es Zinn vor zu versuchen, die Geschichte der Entdeckung Amerikas aus der Perspektive der Arawak zu erzählen und so weiter über die Ereignisse vom spanisch-amerikanischen Krieg aus der Sicht der Kubaner oder ?c vom amerikanischen Nachkriegsimperium aus der Sicht der Landarbeiter in Lateinamerika. Das neueste Kapitel befasst sich zudem mit der Wahl 2000 und dem Krieg gegen den Terrorismus. Denn eines steht fest: Die Verzerrung des Historikers ist mehr als handwerklich; sie ist ideologisch. Zinn nimmt an oder hofft zumindest, dass unsere Zukunft eher in den flüchtigen Momenten des Mitgefühls in der Vergangenheit zu finden sein mag als in ihren beständigen Jahrhunderten des Krieges. Nachdem im Sommer 2006 der erste Band der deutschsprachigen Erstausgabe erschien, folgt nun nach acht weiteren Bänden endlich die mehr als 600 Seiten starke Gesamtausgabe im Verlag Schwarzer Freitag. |
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