Stipendienpuzzle

Zwei Gefühle beherr­schen meine Brust. Zum einen die Angst vor der Zeit, wenn mein aktu­el­ler Neben­job aus­läuft in vier Wochen. Zum ande­ren der Neid. Chris aus meinem Semi­nar hat ein Sti­pen­dium bekom­men. Der Ver­such, mich auf­zu­mun­tern, gelingt teil­weise: Flo, bewirb dich doch ein­fach. Bis Ende 2009 will der Staat die Zahl der Sti­pen­dia­ten erhö­hen. Gute Zeiten also für ver­zwei­felte Seelen wie mich.

Die Stu­di­en­be­ra­tung emp­fahl, mir erst einmal Stif­tun­gen her­aus­zu­su­chen, die zu mir passen. Stimmt. Im Laufe meiner Suche ent­de­cke ich immer mehr Stif­tun­gen, bei denen ich zweifle, ob ich mich für sie eigne. Außer diesem Hin­weis konnte mir die Stu­di­en­be­ra­tung nicht wei­ter­hel­fen; die ganze Recher­che­ar­beit würde an mir selbst hängen blei­ben. Sti­pen­dien­su­che gerät quasi zum zwei­ten Nebenjob.

Die Sozi­al­be­ra­tung des Asta hilft mir etwas weiter. Bei­spiels­weise mit der Infor­ma­tion, dass von den über 10.000 Stif­tun­gen in Deutsch­land nur etwa ein Drit­tel tat­säch­lich Sti­pen­dien ver­gibt dar­un­ter sollte sich doch eine für mich finden lassen. Aus­ge­rüs­tet mit einer Info­bro­schüre, die ich bei der Stu­di­en­be­ra­tung ergat­tert habe, reise ich weiter zur Sozi­al­be­ra­tung des Stu­den­ten­werks. Die größ­ten Sti­pen­dien­stif­tun­gen sind darin verzeichnet.

Mit etwas Glück kann ich bis zu 525 Euro För­de­rung erhal­ten. Die 80 Euro Bücher­geld würden mein Stu­den­ten­bud­get zusätz­lich ent­las­ten. Viele Stif­tun­gen ori­en­tie­ren sich am Bafög. Je länger ich mich mit der Mate­rie beschäf­tige, desto mehr neue Zwei­fel schlei­chen sich in mein Gemüt. Bin ich begabt genug für ein Begab­ten­sti­pen­dium? Wel­cher Pro­fes­sor oder Dozent würde mich für ein Sti­pen­dium vor­schla­gen? Wel­cher würde mir ein Emp­feh­lungs­schrei­ben aus­stel­len? Wie bewirbt man sich eigent­lich um ein Stipendium?

 

Illus­tra­tion: Markus Blatz

 

Mit zahl­lo­sen neuen Fragen komme ich beim Stu­den­ten­werk an. Ich bin viel zu früh. Erst ab Juli hat die Sti­pen­dien­be­ra­tung eine eigene Sprech­stunde. Aber ich erwi­sche eine kom­pe­tente Person. Nach einem län­ge­ren Gespräch bin auch ich kom­pe­ten­ter. Auf dem Heim­weg sor­tiere ich die Stif­tun­gen in meh­rere Kate­go­rien. Ich schreibe mir alle heraus, die mir gefal­len. Die erste Kate­go­rie sind Stif­tun­gen, bei denen ich mich selbst bewerbe; es gibt auch zahl­rei­che kleine Stif­tun­gen, die spe­zi­elle Zwecke ver­fol­gen. Für die muss ich nicht die besten Noten haben, aber Eigen­in­itia­tive mit­brin­gen. Von denen gibt es über­ra­schend viele. Die zweite Kate­go­rie sind Stif­tun­gen, für die ich vor­ge­schla­gen werden muss. Ich über­lege, ob es schlau ist, meinen Lieb­lings­prof mal darauf anzu­spre­chen, ob er die Stif­tun­gen kennt und schon mal jeman­den emp­foh­len hat. Die dritte Kate­go­rie sind alle übri­gen Stif­tun­gen, die grund­sätz­lich infrage kommen, für die ich aber noch recher­chie­ren muss.

Bei der Recher­che hilft mir der Stif­tungs­in­dex im Inter­net. Von dort komme ich schnell zu den Inter­net­sei­ten der Stif­tun­gen und kann meine Liste lang­sam auf ein ver­nünf­ti­ges Maß zusam­men­strei­chen, denn manche Stif­tungs­richt­li­nie sagt mir gar nicht zu. Ich ent­de­cke auch einige neue Stif­tun­gen, was mir wei­tere Zuver­sicht gibt. Wei­te­ren Auf­trieb erhalte ich vom Mae­ce­nata-Stif­tungs­füh­rer. Der emp­fiehlt bei­spiels­weise für Ber­li­ner Stu­die­rende die Biblio­thek der Hum­boldt-Via­drina School of Gover­nance, die im Bereich Stif­tun­gen gut sor­tiert ist. Also fahre ich dort­hin und wälze Stiftungsführer.

Auf dem Hinweg brüte ich über meiner Stif­tungs­liste. Mitt­ler­weile sind zahl­rei­che getilgt, die mir zwar sym­pa­thisch waren, aber keine Sti­pen­dien ver­ge­ben. Im Stif­tungs­füh­rer ent­de­cke ich wei­tere span­nende Kan­di­da­ten, die mich för­dern könn­ten. Auf der Heim­reise sor­tiere ich die Liste um und mar­kiere meine Top Ten?g, also die viel­ver­spre­chends­ten Stif­tun­gen. Ein biss­chen Sorge macht mir, dass ich von der Idee bis zur Kon­ten­be­we­gung etwa ein Jahr rech­nen muss.

Na Flo, wie läufts bei dir? Chris hält mich nach dem Semi­nar fest. Gerade wollte ich den Pro­fes­sor fragen, ob er mir ein Emp­feh­lungs­schrei­ben auf­setzt. Ich beschließe, lieber in die Sprech­stunde zu gehen und erzähle Chris von meinen Fort­schrit­ten. Wenn sogar ich ein Sti­pen­dium ergat­tern konnte, bekommst du wahr­schein­lich drei?g, scherzt Chris. Drei Sti­pen­dien für mich allein? Das wäre groß­ar­tig! Jetzt muss ich noch mal von vorn anfan­gen und raus­fin­den, welche Stif­tun­gen Par­al­lel­be­wer­bun­gen nicht mögen und Dop­pel­för­de­run­gen ausschließen.

Wei­tere Informationen:

Jens Hübner, Reinold Kotter