China: Wenn das neue Jahr gleich zweimal beginnt!

Zwölf Flug­stun­den und knapp 1.5 Auto­stun­den ist Wuxi von Berlin ent­fernt. Die Stadt Wuxi liegt im Osten von China, Shang­hai ist bequem mit dem Zug, Bus oder Auto in weni­ger als zwei Stun­den zu errei­chen. In jüngs­ter Ver­gan­gen­heit haben sich in der Stadt, die zur Pro­vinz Jiangsu gehört, viele nam­hafte deut­sche und inter­na­tio­nale Unter­neh­men angesiedelt.

In jüngs­ter Ver­gan­gen­heit haben sich in der Stadt, die zur Pro­vinz Jiangsu gehört, viele nam­hafte deut­sche und inter­na­tio­nale Unter­neh­men angesiedelt.

Hierzu gehört auch die Firma Sie­mens, die ein Joint Ven­ture mit einem chi­ne­si­schen Part­ner ein­ge­gan­gen ist. In Wuxi werden Vakuum Schalt­röh­ren her­ge­stellt, die für den chi­ne­si­schen Markt bestimmt sind. Das Werk ist nach deut­schen Vor­ga­ben errich­tet worden und hatte am 9.9.99 seine offi­zi­elle Eröff­nung gefeiert. 

Für deut­sche Ver­hält­nisse ist die Stadt inklu­sive umlie­ge­nen­der Gemein­den mit ihren über 4 Mil­lio­nen Ein­woh­nern sehr groß, nach chi­ne­si­schen Maß­stä­ben ist dieses jedoch nur Mit­tel­maß. Der Land­kreis erstreckt sich auf einer Grösse von 4.650 Quadratkilometern. 

Das Prak­ti­kum, das ich Anfang Novem­ber letz­ten Jahres anfing und das bis Anfang April andau­erte, ist für mich eine sehr wich­tige Erfah­rung gewesen. 

Die offi­zi­elle Geschäfts­spra­che im Joint Ven­ture ist eng­lisch, was außer­halb des Unter­neh­mens jedoch kaum Bedeu­tung hat. Viele Chi­ne­sen spre­chen kein oder nur sehr wenig eng­lisch. Das ist aber auch nicht ver­wun­der­lich, da es bis vor weni­gen Jahren nicht üblich war, diese Spra­che zu erlernen. 

Das Prak­ti­kum habe ich mit zwei wei­te­ren Kom­mi­li­to­nen von meiner Fach­hoch­schule absol­viert. In den ersten Wochen sind wir in einem Hotel unter­ge­bracht gewe­sen, die ver­blei­ben­den Wochen haben wir in einer gemein­sa­men Woh­nung gelebt. 

Ich habe in der Mar­ke­ting­ab­tei­lung mit­ge­wirkt, in der neben mir noch zwei wei­tere Mit­ar­bei­ter tätig waren. Meine wesent­li­che Auf­gabe war es, an den Mar­ke­ting­ak­ti­vi­tä­ten des Joint Ven­tures mit­zu­ar­bei­ten. Das Beson­dere an dieser Auf­gabe bestand darin, noch nicht fer­tige Kon­tu­ren zu formen und zu verändern. 

Für viele Chi­ne­sen ist es sicher­lich das erste Mal gewe­sen, dass sie so genann­ten “Lang­na­sen”, so die nicht ganz offi­zi­elle Bezeich­nung für alle west­lich aus­se­hen­den Men­schen, in Augen­schein nehmen konnten. 

Für mich ist es bis heute ein offe­nes Geheim­nis, wie Chi­ne­sen, die häufig nicht mehr als 200 Dollar im Monat ver­die­nen, mit diesem Geld über die Runden kommen. Ein Gross­teil der Bevöl­ke­rung, dar­un­ter auch meh­rere Mil­lio­nen Arbeits­lose, müssen mit viel weni­ger aus­kom­men. Viele Preise sind sehr west­lich und einige Waren, wie bei­spiels­weise Milch­pro­dukte, sogar teurer. An west­li­chen Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men man­gelt es an der Ost­küste nicht. Bei­spiels­weise gibt es in Wuxi eine große Metro und dem­nächst eröff­net der erste OBI Bau­markt Chinas in Wuxi seine Pforten. 

Ich war in der glück­li­chen Lage, das wohl wich­tigste chi­ne­si­sche Fest, näm­lich das Neu­jahrs­fest, mit­er­le­ben zu dürfen. Es wird am ersten Neu­mond nach dem 29. Januar gefei­ert, bei meinem Auf­ent­halt also am 5. Februar. Es gilt als das chi­ne­si­sche Fami­li­en­fest schlecht­hin. Zu diesem Feste werden dann so genannte “hong­bao” (rote Umschläge) aus­ge­tauscht, die klei­nere oder grö­ßere Summen von Geld ent­hal­ten. Somit bin ich letz­tes Jahr nicht nur am 31. Dezem­ber ins neue Mill­en­nium geschlit­tert, son­dern Anfang Februar auch ins Jahr des Dra­chens. Die Fest­lich­kei­ten dauern meh­rere Tage, in denen auch viele Betriebe und Geschäfte geschlos­sen bleiben. 

In der Zukunft werden auf China noch viele Pro­bleme zukom­men, gerade der Bei­tritt zur WTO wird einige Schat­ten­sei­ten auf das Land werfen, viele Land­ar­bei­ter werden ihren Beruf als Farmer ver­lie­ren, da die chi­ne­si­schen Pro­dukte dann preis­lich nicht mehr welt­markt­fä­hig sein werden. Ande­rer­seits gilt der Bei­tritt auch als große Chance, poten­ti­elle Inves­to­ren ver­stärkt nach China zu holen und so neue Arbeits­plätze zu schaf­fen. Sicher­lich wird es ein schwie­ri­ger und stei­ni­ger Weg, in dem man Umwelt­pro­bleme, die teil­weise heute schon sehr dra­ma­tisch sind, nicht ver­ges­sen darf. Hier­bei ist auch die Unter­stüt­zung von west­li­cher Seite gefragt. 

Das Wirt­schafts­wachs­tum in China ist in den ver­gan­ge­nen Jahren mit über 7 Pro­zent über­durch­schnitt­lich gut gewe­sen, dabei darf man aber auch nicht ver­ken­nen, dass ein beacht­li­cher Teil des Wachs­tums nur durch die mas­si­ven Aus­ga­ben im Infra­struk­tur­be­reich ent­stan­den ist. Noch immer kämpft Taiwan um seine Unab­hän­gig­keit, die von den Chi­ne­sen nie aner­kannt wurde. Auch viele ande­ren Länder haben aus Angst vor dem Abbruch wirt­schaft­li­cher Bezie­hun­gen mit China Taiwan nie als selbst­stän­di­ges Land anerkannt. 

 

Mike Brü­ning