Praktikum bei einem besonderen Blatt — Vier Wochen “die tageszeitung”

“Bei der taz? Wie sind’n die da?” — Das haben viele gefragt, als sie hörten, wo ich noch einen Prak­ti­kums­platz ergat­tert hatte. Es geis­ter­ten wohl Vor­stel­lun­gen von Müsli-fut­tern­den Ökos durch die Köpfe, von einer Atmo­sphäre pazi­fis­ti­scher Einig­keit und Har­mo­nie oder auch von heil­lo­sem Chaos. Aber nicht von einem nor­ma­len, “pro­fes­sio­nel­len” Zeitungsbetrieb.

Da ich bisher außer einer klei­nen Lokal­re­dak­tion und eben der taz noch nichts gese­hen habe, kann ich nicht beur­tei­len, wie rauh und zackig es in ande­ren großen Redak­tio­nen zugeht.

Bei der taz finde ich es jeden­falls ganz nett und lustig. Trotz­dem hat man nicht den Ein­druck, dass da jeder die Per­so­ni­fi­zie­rung des typi­schen Grünen dar­stellt. Gut, betrach­tet man mal eine der mor­gend­li­chen Redak­ti­ons­sit­zun­gen, fallen viel­leicht einige Eigen­hei­ten auf. Zum Bei­spiel, dass die Chef­re­dak­teure nicht wie Götter über den ande­ren schwe­ben, son­dern auf der glei­chen Stufe zu stehen schei­nen. Außer, wenn eine Dis­kus­sion mal gar kein Ende nehmen will und ein­fach ein Macht­wort gespro­chen werden muss.

Über­haupt, die Dis­kus­sio­nen: Sicher­lich gibt es für einen Bei­trag auch mal ein sar­kas­ti­sches Lä­cheln oder ein hämi­sches Kichern. Aber eigent­lich hat man das Gefühl, dass jeder seine Mei­nung und seine Ideen vor­brin­gen kann. Das ist auch wich­tig: Denn schließ­lich geht es nicht nur um das “Was brin­gen wir morgen”, son­dern auch um das “Wie”. Gerade die taz steht ja für eine andere Art der Bericht­erstat­tung — aus ande­rem Blick­win­kel, mit (ande­ren) Schwer­punk­ten, auch mal ein biss­chen flap­sig oder witzig. Und nur in locke­rer Atmo­sphäre können dann Ideen gebo­ren werden wie neu­lich für die Seite 1: Die Maus erklärt uns die Affäre um Trit­tin, Schlag­zeile: “Darf der Jürgen noch Minis­ter sein?” — eine gelun­gene Mischung aus Tages­po­li­tik und dem Ereig­nis “30jähriges Jubi­läum der Sen­dung mit der Maus”. Wie man sich jetzt denken kann, wird bei den Sit­zun­gen auch immer viel gelacht. Aber es gibt auch hit­zige Debat­ten, die zum Bei­spiel die ganze Redak­tion in Femi­nis­tIn­nen und Nicht-Femi­nis­tIn­nen spalten.

Eine andere Spe­zia­li­tät der taz war neu­lich Tages­thema: Von sechs Redak­teu­ren, die in letz­ter Zeit Vater gewor­den sind, haben fünf den Erzie­hungs­ur­laub genom­men. Eins der betref­fen­den Kinder berei­chert übri­gens auch gerne mal die Redak­ti­ons­sit­zung. Typisch grün? Viel­leicht. Aber sicher­lich liegt es auch am nied­ri­gen Gehalt eines taz-Redak­teurs. Wenn man nur halb so viel wie ein Redak­teur bei einer Regio­nal­zei­tung ver­dient, muss schon ein Maß an Idea­lis­mus mit­spie­len, um bei der Stange zu blei­ben. Wie sieht nun der Tages­ab­lauf aus: Mor­gens um zehn ist die schon erwähnte Redak­ti­ons­sit­zung. Es emp­fiehlt sich, bis dahin die aktu­elle taz gele­sen zu haben. Prak­ti­scher­weise kann man wäh­rend des Prak­ti­kums ein Mit­ar­bei­ter-Abon­ne­ment beziehen.

Die meis­ten Redak­teure sind schon früher da, lesen die Tik­ker­mel­dun­gen, die ande­ren Tages­zei­tun­gen, machen erste Pla­nun­gen. Bei der Sit­zung kommt dann erst­mal die “Blatt­kri­tik” — die aktu­elle taz wird von einem Redak­teur oder einem Gast aus der Medi­en­welt kom­men­tiert. Danach wird die “taz von morgen” bespro­chen — und schon geht der heiße Streit um die Seiten los. Denn von den Res­sorts Inland, Aus­land und Wirt­schaft bekommt meis­tens eins nur eine Seite, und diesen Schwar­zen Peter will nie­mand, denn es gibt immer mehr Themen als Platz.

Die wei­te­ren Tätig­kei­ten kenne ich nur von der Aus­lands­re­dak­tion, wo ich mein Prak­ti­kum mache. Und an dieser Stelle ein Tip: Man sollte auf keinen Fall zum Aus­land gehen, wenn man noch nicht kurz vor Ende seines Stu­di­ums steht und sich in einem Land oder einer Region rich­tig gut aus­kennt, mög­lichst auch Kon­takte dahin hat. Denn nur dann kann man da wirk­lich viel mit­ar­bei­ten. Ansons­ten bieten sich für Prak­tika wohl doch eher die Inland- und die Lokal­re­dak­tion an. Da kann man zu Ter­mi­nen — Pres­se­kon­fe­ren­zen usw. — in Berlin gehen und auch viel selbst schreiben.

Aber zurück zum Aus­land. Irgend­wann nach der Sit­zung kommt der Chef vom Dienst noch mal zu jedem Res­sort und sagt genau, wie lang die Texte sein dürfen. Dann macht sich etwas Gemüt­lich­keit breit, man liest noch Ticker­mel­dun­gen und Mails, dann geht’s nor­ma­ler­weise zum Mit­tag­essen. Das gibt’s für die taz beim Ita­lie­ner nebenan, für zwei Essens­mar­ken ein Menü, bestehend aus Suppe oder Salat (ohne Dres­sing), klei­ner Por­tion Haupt­ge­richt (äus­serst red­un­dant) und einem Stück Obst. Also ehr­lich gesagt, nicht so rich­tig über­zeu­gend, aber okay. Leider rei­chen die Essens­mar­ken, die die taz ihren Mit­ar­bei­tern zuge­steht, nur für zwei Drit­tel des Monats.

Sitzt man zum Essen bei denen vom Aus­land, bekommt man in der Regel nette Anek­do­ten aus der ganzen Welt zu hören, manch­mal ist auch ein Kor­re­spon­dent zu Gast. Danach geht die Arbeit rich­tig los: Die Redak­teure fangen an, die Texte der Kor­re­spon­den­ten zu redi­gie­ren, so sie denn schon ein­ge­trof­fen sind. Für den gemei­nen Prak­ti­kant heißt es: Randmeldungen