Wenn Wissen gefährlich wird

Am 1. August wurde Andrej H. ver­haf­tet. Der Ber­li­ner Stadt­so­zio­loge arbei­tet als Dozent an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät. Schon seit knapp einem Jahr wurde er über­wacht. Andrej H. wird ver­däch­tigt, Mit­glied der „mili­tan­ten gruppe“ (mg) zu sein. Diese ist als ter­ro­ris­ti­sche Ver­ei­ni­gung ein­ge­stuft. Die Ver­mu­tung, dass Andrej H. Mit­lied der mg sei, basiert auf der Beob­ach­tung des BKA, dass einer von seinen Texten eine „Viel­zahl“ von über­ein­stim­men­den Begrif­fen mit Texten der mg auf­weise.
Nun sieht sich der Sozio­loge damit kon­fron­tiert, einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung ange­hö­ren zu sollen. Am 31. Juli sollte ein Bun­des­wehr­fahr­zeug in Brand gesetzt werden. Angeb­lich von Ange­hö­ri­gen der mg. Das ergebe sich aus „Par­al­le­len zu Anschlä­gen der mg“. Andrej H. hatte sich zwei­mal mit einem der mut­maß­li­chen Brand­stif­ter getrof­fen  – dieser Vor­wurf brachte ihn in Unter­su­chungs­haft.
Seit dem 22. August ist Andrej H. wieder auf freiem Fuß – vor­erst. Die drei mut­maß­li­chen Brand­stif­ter sitzen wei­ter­hin in Unter­su­chungs­haft.
Wis­sen­schaft­ler, Poli­ti­ker und Medien kri­ti­sier­ten, dass Andrej H. allein durch glei­che Begriffe zum Ver­däch­ti­gen wurde. Das bedrohe die wis­sen­schaft­li­che und intel­lek­tu­elle Unab­hän­gig­keit. Die Vor­würfe gegen Andrej H. und die Folgen seien unge­heu­er­lich.
Ins­be­son­dere da die Bun­des­an­walt­schaft Andrej H. keine Tat­be­tei­li­gung vor­wer­fen konnte, ent­stand der Ver­dacht, bereits das Denken und Planen bestra­fen zu wollen. Bis zum Gedan­ken­ver­bre­chen sei es dann ein kurzer Weg.
Andere ver­mu­ten die poli­ti­sche Absicht, Andrej H. zu scha­den. Die bis­he­rige Praxis des Para­gra­fen 129?a (Bil­dung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung) zeigt zwar, dass fast alle Ver­fah­ren fal­len­ge­las­sen werden. Den­noch wird in die Pri­vat­sphäre ein­ge­grif­fen, Ver­däch­tige werden in der Unter­su­chungs­haft wie Schwerst­ver­bre­cher behan­delt – oft ver­lie­ren sie den Beruf.
Im Okto­ber wird über die wei­tere Haft­ver­scho­nung ent­schie­den. Andrej H. muss also weiter um seine Zukunft und seinen Ruf bangen.Felix Werdermann