Von Couch zu Couch

Mit Gast­freund­schaft lässt sich die Welt ver­än­dern, meinen die „Couch­sur­fer“ sie haben Recht.

Ich wan­dere durch Auck­land, die Haupt­stadt von Neu­see­land. Mein Ruck­sack drückt, es ist schwül, zu sti­ckig für meinen Geschmack. Des­ori­en­tiert blicke ich umher. Ein Mäd­chen tritt auf mich zu, etwas älter als ich. „You must be Chris“, sagt sie. Es ist Karen, die erste Couch­sur­fe­rin, die ich treffe und gleich­zei­tig die erste, bei der ich übernachte.
Couch­sur­fing ist eine Inter­net-Com­mu­nity, die es sich zur Auf­gabe gemacht hat, die Welt zu ver­än­dern. Die Non-Profit-Orga­ni­sa­tion möchte errei­chen, dass die Men­schen näher zusam­men­rü­cken und sich inter­kul­tu­rell ver­ste­hen allein durch Gast­freund­schaft. An Per­so­nen, die dieses Pro­jekt unter­stüt­zen, man­gelt es nicht. Mitt­ler­weile sind eine halbe Mil­lion Men­schen als Mit­glie­der regis­triert. Das Gute: Je mehr Mit­glie­der es werden, desto mehr hören von Couch­sur­fing. Ein sich selbst ver­stär­ken­der Prozess.
Jede Woche werden es mehr
Karen zeigt mir die Küche, ins­be­son­dere den Kühl­schrank. „Help yourself“ ist ihr Kom­men­tar. Sie bietet mir ein Glas kaltes Wasser und ein gemüt­li­ches Sofa zum Ent­span­nen an. Ich hatte sie etwa eine Woche, bevor ich nach Neu­see­land flog, über die Home­page kon­tak­tiert. Ihre Ant­wort kam prompt, wirkte freund­lich, und jetzt, wo ich ihr gegen­über­sitze, ist auch die letzte Skep­sis ver­flo­gen. Das Kon­zept funktioniert.
Die Couch­sur­fing-Anmel­dung ist kos­ten­los. Man kann das Pro­jekt unter­stüt­zen, indem man spen­det oder sich veri­fi­zie­ren lässt, um sich mehr Glaub­wür­dig­keit zu ver­lei­hen, doch not­wen­dig ist das nicht. Der­zeit melden sich jede Woche etwa 7.000 neue Couch­sur­fer an, von denen etwa jeder dritte tat­säch­lich ein Zimmer, eine Couch oder einen Platz für ein Zelt zur Ver­fü­gung stellt. Doch mitt­ler­weile ist ein Schlaf­platz nicht mehr das Ein­zige, was die Nutzer dazu bewegt, sich mit­ein­an­der in Ver­bin­dung zu setzen. Ob man sich auf einen Kaffee trifft oder es doch um die Über­nach­tung geht, Couch­sur­fer sind soziale Wesen. Hilfs­be­reit­schaft ist ihre größte Gemeinsamkeit.
Ein gren­zen­lo­ser Trend
Karens Katze ist zahm und zeigt mir ihre Kunst­stü­cke, wäh­rend wir typi­scher­weise Mak­ka­roni mit Käse essen. Der­weil erklärt Karen, was ich mir in der Stadt unbe­dingt anschauen sollte und welche Rei­se­füh­rer­emp­feh­lun­gen igno­rier­bar sind. Als ich mein Nacht­la­ger ein­richte, merke ich, dass die Katze ihr Geschäft auf meinem Schlaf­sack ver­rich­tet hat. Meine Gast­ge­be­rin bietet mir ihr Bett als Schlaf­platz an sie sei ohne­hin nicht da. Auf meine Nach­fra­gen, ob sie das ernst meine und ob sie keine Beden­ken hat, wenn ich allein in ihrer Woh­nung bin, zuckt sie mit den Schul­tern. Sie wäre keine Couch­sur­fe­rin, wenn dem so wäre. Das mit dem Bett war ernst gemeint.
Die meis­ten Couch­sur­fer sind zwi­schen 20 und 25 Jahre alt. Gerade junge, rei­se­freu­dige Leute nutzen die Mög­lich­keit der kos­ten­lo­sen Unter­kunft gern. Ältere Men­schen, meist solche, deren Kinder das Haus ver­las­sen haben und wo nun ein Zimmer zur Ver­fü­gung steht, haben zudem die Initia­tive für sich ent­deckt. Die meis­ten Mit­glie­der kommen aus Nord­ame­rika, Europa ist eben­falls stark ver­tre­ten. Der Rest der Welt zieht nach, und mitt­ler­weile suchen und bieten Ein­woh­ner aus 225 Län­dern einen Schlafplatz.
Ich liege tat­säch­lich in Karens Bett, allein in ihrer Woh­nung und lasse mir den Tag durch den Kopf gehen. Es ist der erste Tag in einem frem­den Land, in dem ich bis vor weni­gen Stun­den noch nie­man­den kannte. Schon jetzt habe ich ein wenig Heimat gefunden.