Bachelors am Scheideweg

Der Bolo­gna-Pro­zess steht vor seiner Bewährungsprobe.

Das gestufte Stu­di­en­sys­tem nach den Bolo­gna-Kri­te­rien schwankt noch zwi­schen Erfolg und Pleite. Sowohl Befür­wor­ter als auch Kri­ti­ker der „Agenda 2010“ in der Hoch­schul­bil­dung finden Bestä­ti­gung in loka­len Absol­ven­ten­be­fra­gun­gen und deutsch­land­wei­ten Sta­tis­ti­ken des Cen­trums für Hoch­schul­ent­wick­lung. Für die Stu­den­ten blei­ben Ver­wir­rung und Unsi­cher­heit, beson­ders wenn sie in der Über­gangs­phase von Diplom zu Bache­lor und Master ein Stu­dium absolvieren. 

Steigt man nach dem Bache­lor gleich in das Berufs­le­ben ein, vor­aus­ge­setzt, man bekommt seinen Traum­job? Oder stu­diert man lieber einen kon­se­ku­ti­ven Mas­ter­stu­di­en­gang, vor­aus­ge­setzt, man wird zugelassen?
Das Kreuz mit dem Bachelor 

 

Längst ist klar, dass nicht alle Bache­lor­ab­sol­ven­ten einen Mas­ter­platz bekom­men. In Fächern wie Jura oder beim Lehr­amt ist er jedoch Vor­aus­set­zung, um später in der geplan­ten Pro­fes­sion arbei­ten zu können. Viele Stu­den­ten wollen immer noch aus ver­schie­de­nen Grün­den eher später als früher in den Beruf ein­stei­gen. Laut einem Bericht des Hoch­schul-Infor­ma­ti­ons-System von 2005 sahen die meis­ten Befrag­ten gerade die Mög­lich­keit, nach dem Stu­di­en­ab­schnitt noch einen Master-Stu­di­en­gang anschlie­ßen zu können, als Vorteil.
Zwar gibt es offi­zi­ell keinen Unter­schied, an wel­cher Art Hoch­schule – Uni­ver­si­tät oder Fach­hoch­schule – der Bache­lor erwor­ben wurde. Jedoch ent­schei­det jede Hoch­schule selbst, nach wel­chen Kri­te­rien sie ihre Master-Bewer­ber aus­wählt. Die Ver­gleich­bar­keit bleibt dabei auf der Stre­cke: Bache­lor­stu­di­en­gänge können sechs oder acht Semes­ter lang sein, mit einem sechs­se­mest­ri­gen Bache­lor ist aber kein zwei­se­mest­ri­ger Master stu­dier­bar – es kommt auf den Ein­zel­fall an.
Neben der Qua­li­fi­ka­tion des Bewer­bers defi­niert die Prü­fungs­ord­nung des Master-Stu­di­en­gangs bestimmte Min­dest­an­for­de­run­gen. Die eige­nen Bache­lor­ab­sol­ven­ten werden zumeist durch Bar­rie­ren für externe Bewer­ber bevor­zugt behan­delt. So heißt es oft im Anfor­de­rungs­pro­fil: „min­des­tens 20 ECTS in empi­ri­schen Metho­den“. Oft ist „das Beherr­schen zweier moder­ner Fremd­spra­chen“ Bedin­gung. Akzep­tiert werden dabei nur offi­zi­elle Nach­weise wie der Toefl, Kos­ten­punkt min­des­tens 120 Euro.
Die Mas­ter­be­wer­bung ist oft kom­pli­zier­ter und auf­wän­di­ger als eine Job­be­wer­bung. Neben offi­zi­el­len Doku­men­ten werden oft ein per­sön­li­ches Moti­va­ti­ons­schrei­ben gewünscht und teil­weise Arbeits­pro­ben erwar­tet. Nach einer Grob­aus­wahl folgt ein Eig­nungs­ge­spräch. Wer sich für mehr als fünf Stu­di­en­plätze bewirbt, ist quasi vollzeitbeschäftigt.
Die Chan­cen für den direk­ten Job­ein­stieg sind unter­schied­lich zu bewer­ten. Die deut­sche Wirt­schaft unter­stützte den Abschied von Hum­boldts Bil­dungs­ideal. Die Aus­bil­dungs­zei­ten für Aka­de­mi­ker gelten als zu lang und wenig anwen­dungs­ori­en­tiert. Medien und Per­so­nal­ab­tei­lun­gen sind noch zurück­hal­tend in ihrer Beur­tei­lung der neuen Abschlüsse. Die Per­so­nal­chefs müssen ihre Arbeits­kul­tur ändern und bei­spiels­weise neue Formen der Ein­ar­bei­tung finden.
Unge­wisse Zukunft für Bachelors 
„Die Bache­lor­ab­sol­ven­ten sind weni­ger erfah­ren“, stellt Chris­toph Fay von der Deut­schen Luft­hansa fest. „Aber sie sind besser aus­ge­bil­det.“ Luft­hansa ist daher Mit­glied der “Bache­lors welcome“-Initiative. Wer dage­gen bei Voda­fone Deutsch­land einen Trai­nee­platz ergat­tern will, braucht min­des­tens Diplom, besser noch einen Master. Der oft ange­kün­digte Fach­kräf­te­man­gel in den Inge­nieurs- und Natur­wis­sen­schaf­ten zwingt den Arbeits­markt, sich auf Bache­lor­ab­sol­ven­ten ein­zu­stel­len. Die Abbre­cher­quo­ten sind nach der Umstel­lung auf Bachelor/Master in diesen Fächern gestie­gen. Die Job­aus­sich­ten für Geis­tes­wis­sen­schaft­ler mit einem Bache­lor sind der­zeit ungewiss.
„Agenda“ heißt frei aus dem Latein über­setzt das „zu Tuende“. Getan werden muss noch eini­ges auf Seiten der Wis­sen­schaft und der Wirt­schaft, um die gegen­wär­tig gras­sie­ren­den Zukunfts­ängste deut­scher Bache­lor­ab­sol­ven­ten zu mildern.
Europa soll eins werden – auch in der aka­de­mi­schen Aus­bil­dung. Nach­dem sich deut­sche, fran­zö­si­sche, ita­lie­ni­sche und bri­ti­sche Bil­dungs­mi­nis­ter 1998 in der Sor­bonne dar­über ver­stän­dig­ten, was nötig sei, folgte 1999 die Bolo­gna-Erklä­rung, die 29 euro­päi­sche Länder unterschrieben.
Der darauf ein­set­zende Bolo­gna-Pro­zess soll die Mobi­li­tät, inter­na­tio­nale Wett­be­werbs­fä­hig­keit und Beschäf­ti­gungs­fä­hig­keit der Stu­die­ren­den ver­bes­sern. Dazu einigte man sich auf die Ein­füh­rung der Bache­lor- und Master-Stu­di­en­gänge, um die „deut­sche Son­der­lö­sung“ Magis­ter- und Diplom-Stu­di­en­gänge abzu­lö­sen. Das ECTS-Punk­te­sys­tem soll Hoch­schul­leis­tun­gen euro­pa­weit ein­heit­lich bewerten.
His­to­risch ent­stan­den Ba/Ma aus dem mit­tel­al­ter­li­chen Uni-Betrieb, wie auch der Magis­ter. Nur wurden sie dies­mal aus den USA re-impor­tiert. Die Umstel­lung auf diese neuen Abschlüsse wird von zwei Seiten mit Kritik beglei­tet. Zum einen wird die Ver­fach­hoch­schu­li­sie­rung der Uni-Stu­di­en­gänge bemän­gelt, denn Diplom und Magis­ter waren mit neun Regel­stu­di­en­se­mes­tern aus­führ­li­cher, in der Gestal­tung freier und ent­spra­chen mehr Hum­boldts Ideal der Ein­heit von Bil­dung und For­schung. Zum ande­ren bekla­gen gerade die Betrof­fe­nen an den Hoch­schu­len vor Ort die ehr­gei­zi­gen Zeitpläne.
Jean­nette Gusko, Alex­an­der Florin