Der Geist des Geldes

Kli­schee 1: Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler machen Kar­riere. Kli­schee 2: Geis­tes­wis­sen­schaft­ler blei­ben arbeits­los. Doch Kli­schees müssen nicht stim­men. Die Ban­ken­bran­che braucht alle Absolventen.

Mit­tags vor der Mensa der FU Berlin. Auf die Frage, wer von den Stu­den­ten einen Job in der Ban­ken­bran­che antre­ten wird, erhält man klare Ant­wor­ten: “Na, die ganzen BWLer und Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler.“ “Die Schnö­sel von der Juris­ten-Fakul­tät können da bestimmt was werden.“ Die klas­si­schen Stu­di­en­rich­tun­gen wie Jura und BWL sind nach wie vor die Königs­dis­zi­pli­nen für Banken und Ver­si­che­run­gen. Die Unter­neh­men können sich hier sicher sein, einen Beschäf­tig­ten mit harten Kennt­nis­sen über das deut­sche Wirt­schaft­sys­tem zu finden. Oft wird an den Uni­ver­si­täts-Absol­ven­ten aller­dings bemän­gelt, dass sie über dürf­tige Soft-Skills verfügten. 
Den Unter­neh­men ist die kom­mu­ni­ka­tive Kom­pe­tenz genauso wich­tig wie die Fach­kom­pe­tenz, ergab eine Umfrage unter 221 Per­so­nal­ver­ant­wort­li­chen in der Finanz­bran­che. Eine Fremd­spra­che wie Eng­lisch oder Fran­zö­sisch im Neben­fach zahlt sich eben­falls aus. Die Per­so­na­ler freuen sich neu­er­dings auch über Absol­ven­ten mit Kennt­nis­sen der ost­eu­ro­päi­schen Sprachen. 
Azubis im Vorteil 
Abitu­ri­en­ten, die sich direkt nach dem Schul­ab­schluss im Finanz­we­sen sehen, erklim­men die erste Sprosse der Kar­rie­re­lei­ter meist mit einer Aus­bil­dung bei einer der fünf deut­schen Groß­ban­ken. Pri­vat­ban­kiers legen großen Wert auf exzel­lente Umgangs­for­men, denn der Azubi ver­kehrt mit erle­se­ner Kund­schaft. Im Anschluss an die Aus­bil­dung erwer­ben die meis­ten Bank­kauf­frauen und ‑männer ihr Diplom- oder Mas­ter­zeug­nis an einer Hochschule. 
Auch Sebas­tian aus Berlin hat nach seiner Aus­bil­dung bei der Bank ein Stu­dium an der Euro­pean Busi­ness School bei Frankfurt/Main begon­nen. “Die prak­ti­schen Erfah­run­gen, die ich bei der Aus­bil­dung gesam­melt habe, ver­schaf­fen mir einen großen Vor­teil. Nicht nur im Stu­dium, auch beim spä­te­ren Berufs­ein­stieg kann ich wahr­schein­lich die Zeit als Trai­nee ver­kür­zen“, weiß der 23-Jäh­rige. Da auf diesem klas­si­schen Aus­bil­dungs­weg vielen Banken die teuer aus­ge­bil­de­ten Azubis ver­lo­ren gehen, binden die Unter­neh­men die Stu­den­ten durch Bücher­geld und Stu­di­en­kre­dite an sich. Stu­den­ten soll­ten ihre Kon­takte zur Aus­bil­dungs­bank auf­recht­erhal­ten und an Fort­bil­dun­gen und Ver­an­stal­tun­gen teil­neh­men. Infos für Kon­takt­mes­sen finden sich auf allen Web­sei­ten der großen Bankunternehmen. 
Mehr Geist fürs Finanzwesen 
Geis­tes­wis­sen­schaft­ler ver­mu­tet man kaum in der Ban­ken­bran­che. Zah­len­ge­nies und Kal­ku­la­ti­ons­künst­ler werden in den klas­si­schen Ban­ken­be­ru­fen gese­hen. Geis­tes­wis­sen­schaft­ler, die “brot­lo­sen Künst­ler“, können aller­dings mit ande­ren Kennt­nis­sen wie einem brei­ten All­ge­mein­wis­sen und sozia­ler Kom­pe­tenz glän­zen. Das Stu­dium der Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten, Infor­ma­tik, Sta­tis­tik und Physik rüstet die Absol­ven­ten mit ein­sei­ti­gen Qua­li­fi­ka­tio­nen aus. Genau hier findet der Geis­tes­wis­sen­schaft­ler seine Nische. Schließ­lich hat er gelernt, gründ­lich zu ana­ly­sie­ren, kri­tisch zu hin­ter­fra­gen und über den Tel­ler­rand hinauszusehen. 
Für His­to­ri­ker, Phi­lo­so­phen und Sprach­wis­sen­schaft­ler bedeu­tet der Ein­stieg in die Bran­che viel Ein­satz. Punkte können sie schon wäh­rend des Stu­di­ums durch prak­ti­sche Erfah­run­gen in Wirt­schafts­un­ter­neh­men sam­meln. Geis­tes­wis­sen­schaft­ler in der Wirt­schaft müssen zeigen, dass sie nicht ver­geis­tigt sind und auch prak­ti­sche Bei­träge für das Unter­neh­men leis­ten können. Ein­satz­ge­biete finden sich für die Exoten im Wirt­schafts­we­sen zum Bei­spiel im Wealth-Manage­ment. Ein neues Arbeits­feld findet sich auf dem Gebiet des Cross-See­lings. Dienst­lei­tun­gen aus Bank- und Ver­si­che­rungs­we­sen werden hier an einem Ort ver­knüpft und so optimiert. 
Der Job in einer Bank ist sehr arbeits­in­ten­siv. Ob der Absol­vent einem bank­af­fi­nen Stu­di­en­fach mit oder ohne Bank­aus­bil­dung oder den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten ent­stammt – alle Bewer­ber müssen viel Ehr­geiz und Durch­hal­te­ver­mö­gen bewei­sen. Viel­leicht ent­schä­digt hier­bei das jähr­li­che Durch­schnitts­ge­halt von 43.000 Euro nach weni­gen Jahren Berufserfahrung.