Oh, Gott!

Es gibt viele Theo­rien, wo Gott zu suchen sei. Manche finden ihn im Glauben.

Deutsch­land ist längst nicht so welt­lich und reli­gi­ons­fern, wie gemein­hin ange­nom­men wird. Mehr als zwei Drit­tel der Deut­schen glau­ben an Gott, ergab eine Infra­test-Umfrage. Die USA sind den Deut­schen aber weit voraus und debat­tie­ren, ob neben der Evo­lu­ti­ons­theo­rie auch die gött­li­che Schöp­fung unter­rich­tet werden muss. Vor Jahr­hun­der­ten stellte sich die Frage nicht, theo­lo­gi­sches Wissen war per se kor­rekt, allen­falls ließe sich über Details strei­ten. Neben Medi­zin und Jura war Theo­lo­gie die wich­tigste Dis­zi­plin an Hoch­schu­len, bevor das Fächer­spek­trum weiter aus­dif­fe­ren­ziert wurde. 
Gött­li­ches Studium 
Ein Theo­lo­gie­stu­dium führt nicht zwangs­läu­fig zum Pries­ter­tum. Zum Beruf des Pfar­rers gehört mehr als das Wissen, das dort ver­mit­telt wird. Ver­schie­dene Teil­be­rei­che werden im Stu­dium ange­spro­chen, die später durch ein Pries­ter­se­mi­nar ergänzt werden müssen. Die Exegese lehrt die Inter­pre­ta­tion reli­giö­ser Schrif­ten, wobei zwei Zeilen Bibel­text meh­rere hun­dert Seiten Aus­le­gungs­schrif­ten her­vor­ru­fen können. Schon der zweite Petrus­brief beschei­nigt den Texten des Paulus, dass “einige Dinge schwer zu ver­ste­hen“ (2. Petr 3, 16) sind. 
Neben Kir­chen­ge­schichte ver­mit­telt das Theo­lo­gie­stu­dium Kennt­nisse der Sys­te­ma­ti­schen Theo­lo­gie. Dieses Fach beschäf­tigt sich vor allem mit der Begrün­dung des Glau­bens gegen­über ratio­na­len Argu­men­ten sowie mit Ethik. Kennt­nisse der Prak­ti­schen Theo­lo­gie münden im katho­li­schen Fall in ein Pries­ter­se­mi­nar. Das schließt sich an die fünf Jahre des Stu­di­ums an, und der katho­li­sche Anwär­ter ver­bringt wei­tere zwei Jahre damit, sich auf die Tätig­keit als Pries­ter vor­zu­be­rei­ten. Im Anschluss an die Aus­bil­dung in mensch­li­cher Rei­fung, dem geist­li­chen Leben und pas­to­ra­ler Befä­hi­gung folgt die Pries­ter­weihe. Bei den Pro­tes­tan­ten gibt es diese nicht, da dort streng genom­men jedes Mit­glied der Gemeinde Pries­ter ist. Für Theo­lo­gen bietet sich als Alter­na­tive an, Ver­bän­den und Behör­den als Refe­rent zur Seite zu stehen oder in Ver­la­gen tätig zu werden. 
Erfah­rung schafft Glaube 
Die Theo­lo­gi­sche Fakul­tät der Hum­boldt Uni­ver­si­tät gehört zu den Grün­dungs­fa­kul­tä­ten der Hoch­schule. Die Dis­zi­plin hat den­noch einen schwe­ren Stand, da sie sich Kritik aus­ge­setzt sieht, die auf imma­nente Pro­bleme zielt. Gott ist nicht fal­si­fi­zier­bar, seine Exis­tenz ist eine Prä­misse und muss nicht begrün­det werden. Sol­chen Argu­men­ten kann man nur mit Selbst­re­fle­xion begeg­nen. 50 Pro­zent der Teil­neh­men­den der Infra­test-Studie gaben an, dass sie davon aus­ge­hen, dass es ein höhe­res Wesen geben muss. 45 Pro­zent sagten, dass eigene Erfah­run­gen aus­schlag­ge­bend für ihren Glau­ben sind. Dafür braucht es keine Begründung. 
In den USA glaubt laut Umfra­gen jeder Zweite, dass Er die Erde in den letz­ten 10.000 Jahren geschaf­fen hat. Dem­ge­gen­über glaubt nur jeder dritte Deut­sche, dass Gott sich um jeden ein­zel­nen küm­mert. Die Men­schen ver­las­sen sich mehr und mehr auf sich selbst und fühlen sich ver­mut­lich etwas ver­las­sen. Etwa die Hälfte glaubt, dass Gott die Welt erschaf­fen hat, aber nicht mehr auf das täg­li­che Leben Ein­fluss nimmt. 
Auf der Suche 
Die Indi­vi­dua­li­sie­rung der Reli­gion beginnt mit diesem Gefühl. Längst suchen sich jene einen “Ersatz­glau­ben“, die sich nicht in einer orga­ni­sier­ten Reli­gion oder Kirche wie­der­fin­den. Ob die Spie­ler einer Sport­mann­schaft ver­göt­tert werden oder der DJ ange­be­tet wird, weil er seine Sam­ples begna­det mixt – Gott steht bei vielen nicht mehr an erster Stelle, son­dern schwingt höchs­tens in Lobes­hym­nen und Flü­chen mit. 
Die Abtrün­nig­keit macht in ihrer Ziel­lo­sig­keit bewusst, dass es keine befrie­di­gende Alter­na­tive gibt, die ähn­lich sinn­stif­tend ist wie Reli­gion. Iden­ti­tät schafft nur, was seine bereits gefun­den hat. Wie man seine ganz per­sön­li­che Reli­gion gestal­tet, kann einem nur der innere Gott sagen, der einem Rat­schläge direkt ins Hirn flüs­tert. Sollte die Stimme zu leise sein, kann man immer noch ins Klos­ter gehen.