Leistung ohne Kontrolle

Der Bache­lor sollte die Magis­ter­män­gel besei­ti­gen. Es ist ihm nur teil­weise gelungen.

„Die Leis­tungs­kon­trolle ist zu gering“, kri­ti­sierte einst FU-Prä­si­dent und Erzie­hungs­wis­sen­schaft­ler Prof. Dr. Dieter Lenzen am Stu­di­en­gang Magis­ter. Der Bache­lor im Gegen­satz hat feste Vor­ga­ben für solche Leis­tungs­kon­trol­len, doch ein festes Gerüst hat sich noch nicht durch­ge­setzt. So for­dert Bache­lor-Dozent Dr. Roberto Ubbi­diente vom Insti­tut für Roma­nis­tik an der HU von seinen Stu­die­ren­den mehr als vor­ge­schrie­ben. In einem Semi­nar mit ledig­lich obli­ga­to­ri­scher Abschluss­prü­fung sieht er am Semes­ter­ende zusätz­lich Semi­nar­ar­bei­ten vor. „Die in der Stu­di­en­ord­nung für ein Semi­nar vor­ge­schrie­be­nen 90 Leis­tungs­stun­den will ich sehen“, ent­geg­net er den Ein­wän­den der Studierenden. 
Offen­bar kann man Stu­die­ren­den keinen Stu­dier­wil­len unter­stel­len, son­dern muss sie zwin­gen. Solche zusätz­li­chen Auf­ga­ben redu­zie­ren den Frei­raum für eigene For­schungs­in­ter­es­sen von Stu­die­ren­den erheb­lich. Obwohl der Leiter des Insti­tuts für Roma­nis­tik, Prof. Dr. Helmut Pfeif­fer, for­dert, dass gerade das stu­den­ti­sche For­schen geför­dert und aus­ge­baut werden soll. 
In einem Ver­tie­fungs­se­mi­nar mit hun­dert Stu­die­ren­den bei Prof. Dr. Dr. Hart­mut Kael­ble vom Insti­tut für Geschichte an der HU bleibt, damit die obli­ga­to­ri­schen Refe­rate geleis­tet werden können, kaum Zeit für Lehre und Dis­kus­sion. Die Sit­zun­gen sind gefüllt mit Refe­ra­ten. Dadurch kann ein roter Faden in der Aus­rich­tung des Unter­rich­tes schwer ver­folgt werden. Uni­ver­si­tä­ten hätten not­wen­di­ger­weise Schul­cha­rak­ter, ist kein sel­te­nes Argu­ment. Der Begriff Hoch­schule als Syn­onym für Uni­ver­si­tät dürfe nicht unter­be­wer­tet werden, meinte eine Dozen­tin. Dieser Logik fol­gend müssen BA-Stu­die­rende zu Semi­nar­be­ginn mit Namen auf­ge­ru­fen werden. 
In den prin­zi­pi­ell dia­log­freund­li­chen Lehr­ver­an­stal­tungs­ty­pen Semi­nar und Übung wirkt der Unter­richt des BA-Dozen­ten oft mono­log­ar­tig. Mit­un­ter erhal­ten Stu­die­rende kaum Lite­ra­tur­an­ga­ben, keinen Semes­ter­plan, die Refe­rats- und Semi­nar­ar­beits­the­men werden aus einer Liste dik­tiert. Zeit­man­gel lautet die prag­ma­ti­sche Erklä­rung. Ein stär­ke­res Ein­be­zie­hen Stu­die­ren­der for­dert eine höhere Vor­be­rei­tungs­zeit vom Dozen­ten. Lehr­stoff­in­ten­sive BA-Stu­di­en­gänge und Spar­zwänge an den Insti­tu­ten rauben den Dozen­ten die Frei­räume zur Vorbereitung. 
Das BA-Stu­dium ist schnel­ler, es wird im Ver­gleich zum Magis­ter weni­ger Fach­wis­sen ver­mit­telt; dafür sind die BA-Absol­ven­ten jünger. Unter­neh­men bemän­gel­ten den feh­len­den Pra­xis­be­zug im Magis­ter. Der Bache­lor bietet nun Mög­lich­kei­ten für mehr Pra­xis­be­zug. So kann im Modul „Berufs­feld­be­zo­gene Zusatz­qua­li­fi­ka­tio­nen“ an der HU ein frei wähl­ba­res Prak­ti­kum mit Bezug zum Stu­di­en­fach ange­rech­net werden. In den Career-Ein­rich­tun­gen der Ber­li­ner Unis ange­bo­tene Kurse können eben­falls ange­rech­net werden. 
Etwas hat sich von Magis­ter zu Bache­lor nicht geän­dert: Das Feed­back der Dozen­ten ist indi­vi­du­ell ver­schie­den. Ver­all­ge­mei­nert lässt sich fest­stel­len, dass die Sprech­stun­den tat­säch­lich Zeit für per­sön­li­che Ein­zel­fra­gen bieten und die Dozen­ten bei der Struk­tur einer Semi­nar­ar­beit oder der Aus­ar­bei­tung eines Refe­rats hilf­rei­che Unter­stüt­zung gewäh­ren. In den Lehr­ver­an­stal­tun­gen reicht die Zeit für indi­vi­du­elle Fragen selten. Im Semi­nar eines Auf­bau­mo­duls am Insti­tut für Roma­nis­tik wurden zwar unter der laten­ten Andro­hung von Punkt­ab­zü­gen Auf­ga­ben ver­teilt, zum Bei­spiel ein zwi­schen­zeit­li­ches Semes­ter­fa­zit, ein aus­führ­li­cher Kom­men­tar zu einem Fern­seh­bei­trag und eine Film­ana­lyse. Ein Feed­back gab es dazu aller­dings nicht. Es schien, als ob die Auf­ga­ben durch zu viele andere Pflich­ten schlicht­weg ver­ges­sen wurden. Nicht nur bei Stu­die­ren­den kommt es zu Über­for­de­run­gen durch zu viel Leis­tungs­druck in den BA-Stu­di­en­gän­gen. Stän­dige Leis­tungs­kon­trolle erhöht nur schein­bar die Moti­va­tion der Stu­den­ten, wenn Feed­back und Inter­esse an den erbrach­ten Leis­tun­gen fehlen.