Dinge, die zauberhaft sind

Die Schau­spie­le­rei kann Beruf und Beru­fung sein – von einem Stu­dium am Rand.

Julia (24) lernt Schau­spiel an der Hoch­schule für Schau­spiel­kunst |Ernst Busch“ und führt im Dezem­ber und Januar mit ihrer Klasse „Faust“ auf. 
Wur­dest du gleich nach der Schule von einer Schau­spiel­hoch­schule aufgenommen? 
Die Schau­spie­le­rei kann Beruf und Beru­fung sein

Es hat zwei Jahre gedau­ert, bis das Vor­spre­chen erfolg­reich war. 16 Mal habe ich vor­ge­spro­chen. Ich war an fast jeder Schule zum Vor­spre­chen. Auch an der Ernst-Busch-Hoch­schule war ich zwei­mal. Ich war erlöst, als es geklappt hat. 

Glaubst du, dass ein Schau­spiel­stu­dium ver­gleich­bar ist mit einem nor­ma­lem Studium? 
Da ich kein nor­ma­les Stu­dium habe, kann ich schwer ver­glei­chen. Andere Stu­di­en­gänge sind bestimmt genauso zeit­in­ten­siv, aber wir als Schau­spie­ler lie­fern uns aus und stel­len uns infrage. Wir müssen uns selber begeg­nen. Ein Schau­spie­ler ist selber sein Werk­zeug und muss wissen, wie er funk­tio­niert. Manch­mal muss man da auch Türen auf­ma­chen, hinter denen es nicht beson­ders schön ist. Man muss sich seine Schwä­chen anschauen können. Das ist mein Mate­rial, mit dem ich arbeite. Das wird ein Mathe­ma­tik­stu­dent nicht haben. 
Meinst du, man kommt als Schau­spie­ler oft an den oder seinen per­sön­li­chen Rand? 
In dieser Pro­fes­sion und diesem Stu­dium ver­sucht man stän­dig, an die Grenze zu gehen. Wir bewe­gen uns, wenn es gut läuft, immer am Rand. Man spielt oft, ohne zu wissen, ob es gut oder nicht gut ist. 
Ist Schau­spie­le­rei eine Grenzerfahrung? 
Ich möchte Schau­spie­le­rin werden, weil man stän­dig Situa­tio­nen erlebt, die span­nend sind und in denen man viel­leicht nicht weiß, wie es wei­ter­geht. Schau­spie­ler stoßen oft an Gren­zen. Manch­mal kann ich die erwei­tern, doch manch­mal muss ich sie ein­fach aner­ken­nen. Manche Gren­zen kann ich ver­schie­ben, manche will ich ver­schie­ben, und manche Gren­zen sind auch ein­fach gut und schüt­zen mich. Da ist es sehr wich­tig, diese unter­schei­den zu können. 
Kann das gefähr­lich werden, wenn man zu viel über sich erfährt? 
Natür­lich ist es immer dann mög­lich, viel von sich preis­zu­ge­ben, wenn man in einer guten Gruppe ist. Wenn man den Part­nern ver­traut und mit einem guten Regis­seur arbei­tet, dann ent­ste­hen Dinge, die ganz zau­ber­haft sind. 
Du probst momen­tan für Faust, stimmt dabei die Arbeitsatmosphäre? 
Bei Faust geht es gera­dezu um das An-den-Rand-Gehen. Das tut Faust. Das tue ich auch, denn ich spiele den alten Faust bis zur Ver­jün­gung. Dann werde ich abge­löst von einem ande­ren Schau­spie­ler. Wir haben eine sehr inter­es­sante Truppe, sieben Leute, die alle sehr unter­schied­lich sind. Wir haben bisher in den vori­gen Stu­di­en­jah­ren kaum mit­ein­an­der gespielt. Zudem kann­ten wir den Regis­seur vorher nicht. Es war also eine neue Begegnung. 
War frag­wür­dig, ob das funktioniert? 
Ja, ich habe mich das gefragt. Zumal ich sehr über­rascht war, dass ich den Faust spie­len soll, aber mitt­ler­weile fühle ich mich sehr wohl. Der Regis­seur hat daran großen Anteil und lässt mich Faust ent­de­cken, er stülpt mir kein festes Gerüst über. Gerade bei so etwas Bekann­tem finde ich es gut, dass er der Figur und mir Frei­raum lässt. Er gibt mir Zeit zum Ent­de­cken. Auch die ande­ren haben Zeit, ihre Figur zu finden. Dafür braucht es viel Fein­ge­fühl und Inter­esse an den jungen Men­schen, die diesen Beruf erler­nen wollen. 
Wie fühlt es sich an, am Ende der Proben auf der Bühne zu stehen? 
Ganz unter­schied­lich. Es kommt stark auf das Publi­kum an. Du merkst meist bei den ersten Worten oder Zeilen, wie das Publi­kum dem Stück gegen­über­tritt. Manch­mal ist es offen, und manch­mal ist da eine kalte Wand. Dann muss man ackern, um was über die Rampe zu brin­gen. Mal sehen, was aus dem jet­zi­gen Expe­ri­ment wird. Wir machen uns auf die Suche, und der Zuschauer begibt sich mit uns auf die Suche. Es ist gut, wenn der Zuschauer keine Ant­wort erwar­tet. Er sollte nicht ins Thea­ter kommen, um zu erfah­ren, was die Welt im Inners­ten zusam­men­hält. Was wir tun können, ist Fragen zu stel­len, und der Zuschauer, wenn er das Thea­ter ver­lässt, sollte diese Fragen mitnehmen.