Gute Randlage

Orchi­deen­fä­cher gelten als vom Aus­ster­ben bedroht. Doch bieten gerade sie ein­ma­lige Kar­rie­re­chan­cen abseits des Mainstreams.

Tibe­to­lo­gie, Afri­ka­nis­tik oder Bohe­mis­tik – „Ja, und was macht man später damit?“ Eltern schla­gen ihre Hände über dem Kopf zusam­men, wenn der Spröss­ling ihnen beich­tet, er möchte Mine­ra­lo­gie stu­die­ren. Solche als „Orchi­deen­fä­cher“ bezeich­ne­ten Stu­di­en­gänge gelten oft als ent­behr­lich und die Stu­den­ten als poten­zi­elle Taxi­fah­rer. Nach wie vor schei­nen BWL, Jura oder Medi­zin berufs­si­che­rer als ihre weni­ger bekann­ten Nachbarn. 
Foto: Albrecht Noack

Die Orchi­deen bilden mit 30.000 ver­schie­de­nen Arten die größte Pflan­zen­fa­mi­lie der Welt. In Deutsch­land sind sie aber nur noch selten ver­tre­ten. So auch die Fächer, die nach dieser Pflanze benannt wurden. Wer sich ent­schei­det, Archäo­lo­gie oder Ägyp­to­lo­gie zu stu­die­ren, sollte kon­krete Vor­stel­lun­gen haben, was er damit beruf­lich machen will. Sonst fehlen der rote Ori­en­tie­rungs­fa­den und ein Ziel, beide sind bei exo­ti­schen Stu­di­en­gän­gen wie Byzan­ti­nis­tik unverzichtbar. 

Das Spe­zi­elle als Vorteil 
Es ist häufig ein Vor­ur­teil zu sagen, dass die Rari­tät des gewähl­ten Stu­di­en­gan­ges zur Arbeits­lo­sig­keit führt. Es ist zwar rich­tig zu behaup­ten, dass man als Orchi­deen­ab­sol­vent, bei­spiels­weise der Tibe­to­lo­gie, so sehr auf eine Berufs­rich­tung spe­zia­li­siert ist, dass es oft­mals nur eine hand­voll Stel­len­an­ge­bote gibt. Da müssen Lei­den­schaft und Liebe zum gewähl­ten Fach schon sehr groß sein, damit der Mut nicht ver­lo­ren geht und man am Ball bleibt. Hinzu kommt, dass Orchi­deen­stu­den­ten beson­ders oft mit der immer glei­chen Frage „Was kann man damit eigent­lich später machen?“ beläs­tigt werden, sobald sie sich als Stu­dent einer wenig popu­lä­ren Stu­di­en­rich­tung outen. Meist stel­len gerade jene solche Fragen, die sich mit VWL oder Jura die besten Berufs­chan­cen ausrechnen. 
Dabei wird aber ver­ges­sen, dass gerade Orchi­deen­fä­cher die soge­nann­ten Soft-Skills för­dern und helfen, über zwei Ecken hinaus und in kom­ple­xen Zusam­men­hän­gen zu denken. Welt­fremde Stu­den­ten gibt es in allen Fächern, ihr Anteil bei den Orchi­deen­fä­chern ist aller­dings unter­durch­schnitt­lich. Die freie Markt­wirt­schaft hat die Orchi­deen­fä­cher für sich ent­deckt und lockt mit zahl­rei­chen Stel­len. Die Bezeich­nung der offe­nen Stel­len reicht von Refe­rent, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter oder Pro­jekt­lei­ter über Medi­en­lek­tor, Ver­triebs­as­sis­tent bis Bera­ter im Sozi­al­mar­ke­ting. Die Chan­cen für Orchi­deen­ab­sol­ven­ten sind oft besser als ver­mu­tet. Neben fach­spe­zi­fi­scher Kom­pe­tenz erwer­ben die Orchi­deen­stu­den­ten jede Menge Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen, die ihnen Vor­teile im Berufs­le­ben verschaffen. 
Der Status quo als Studienvorgabe 
Ein Blick in die Ver­gan­gen­heit zeigt aber auch, dass einst groß­ar­tige Stu­di­en­fä­cher nach eini­ger Zeit zu Orchi­deen­fä­chern ver­küm­mer­ten. Ein Bei­spiel wäre das deut­sche Korea­nis­tik­stu­dium. Einst füh­rend, ist es heute zu einem exo­ti­schen Stu­di­en­gang gewor­den, weil die wirt­schafts­po­li­ti­sche Lage dafür im Moment keinen Bedarf sieht. Bei dem Stre­ben, den Rot­stift so anzu­set­zen, dass die bis­he­rige Fächer­viel­falt an den Unis auf­ge­ge­ben und durch die Kon­zen­tra­tion auf Kern­kom­pe­ten­zen ersetzt wird, blei­ben als erstes die Orchi­deen­fä­cher auf der Stre­cke. Die Wis­sen­schafts­mi­nis­ter wollen die Hoch­schu­len ver­stärkt nach den Bedin­gun­gen des Arbeits­mark­tes aus­rich­ten. Was nach Pra­xis­nähe und viel­mehr noch nach Zukunfts­tech­no­lo­gie klingt, wird geför­dert. Die klei­nen Phi­lo­lo­gien und Kul­tur­wis­sen­schaf­ten hin­ge­gen gelten als brot­lose Kunst – und werden vie­ler­orts gestutzt oder eingestampft. 
Auf der ande­ren Seite gibt es hier und da noch das umge­kehrte Phä­no­men. Die Geo­wis­sen­schaf­ten zum Bei­spiel, mit­samt den Teil­ge­bie­ten wie Pho­to­gramm­me­trie, Geo­mor­pho­lo­gie oder Lim­no­lo­gie, wurde einst auch zu den Orchi­deen­fä­chern gezählt. Der­zeit erfah­ren sie jedoch einen Auf­schwung. Die aktu­elle Kli­ma­pro­ble­ma­tik und die Suche nach neuen Ener­gie­quel­len hat die For­schung in den Geo­wis­sen­schaf­ten zudem in ein neues, öffent­li­ches Licht gerückt. 
Am Ende zählt trotz­dem immer eines. Egal was andere über das gewählte Stu­di­en­fach denken: Allein man selbst muss sein Stu­di­en­ge­biet lieben und darf das eigene Ziel nicht aus den Augen verlieren.