Studieren in der Schweiz: Gelassen und eifrig

Die Schweiz ent­puppt sich als Stu­dier-Eldo­rado, das alle Vor­züge mit­ein­an­der kombiniert.

Foto: Christiane Kürschner

Für Eras­mus-Jahre sind Länder im Süden mit Sonne, Strand und Urlaubs­stim­mung beliebt. Aber auch das Alpen­ländle Schweiz hat seine Vor­züge: Käse, Wein und viele Nobelpreisträger.

Ich wohnte und stu­dierte  für zwei Semes­ter in Bern. Ruhig und beschau­lich ging es dort zu, wenn man die fast wöchent­li­chen Demons­tra­tio­nen auf dem Bun­des­platz gegen alles, was man als schlecht anse­hen könnte – Brust­krebs, Atom­kraft, Welt­wirt­schafts­kri­sen – nicht dazu zählt.

Zur Uni brauchte ich zu Fuß nur zwan­zig Minu­ten, denn ich bin eine der sehr weni­gen Eras­mus-Stu­den­ten, die nicht in einem Wohn­heim am Rande der Stadt wohn­ten. Außer­dem hatte ich mit meinem Mit­be­woh­ner, einem Schwei­zer Stu­den­ten, einen per­fek­ten Beglei­ter gefun­den, der mich in die Kunst des Fondue-Anrich­tens, Röschti und Raclette Zube­rei­tens einführte.

Ein Leben mit Klischees

Ich ernährte mich wie Heidi fast aus­schließ­lich von Käse auf Ruch­brot. Durch die güns­tige Lage Rich­tung Frank­reich ist es nicht selten, dass man das eine oder andere Gläs­chen Wein trinkt. Dass die Schwei­zer im euro­päi­schen Ver­gleich mit dem höchs­ten Scho­ko­la­den-Ver­zehr pro Kopf glän­zen, wun­dert nicht. Kli­schees sind in Bezug auf das Essen voll­kom­men ange­bracht und können genuss­voll aus­ge­lebt werden.

Die Resul­tate des über­mä­ßi­gen Ver­zehrs an „Schoggi“ und Emmen­ta­ler kann man sich durch den Uni­ver­si­täts­sport wieder abtrai­nie­ren. Über 90 Sport­ar­ten werden mit wöchent­li­chen Trai­nings ange­bo­ten, die meis­ten davon sind kostenlos.

Ihre Lage macht die Schweiz beson­ders attrak­tiv. Ich war inner­halb einer Stunde in Lau­sanne und schaute über den Lac Léman hinweg nach Frank­reich. In diesem fran­zö­sisch­spra­chi­gen Teil der Schweiz, mit seinem beein­dru­cken­den Dom kann man viele Museen besu­chen oder ein­fach die fran­ko­phone Kultur genie­ßen. Ende Sep­tem­ber stan­den noch die Wein­re­ben am Bieler See und bei schöns­tem Wetter konnte man am Rand des Jura­ge­bir­ges wan­dern, Trau­ben sti­bit­zen und mit den weißen Gip­feln der Alpen eine atem­be­rau­bende Kulisse genie­ßen. In kür­zes­ter Zeit konnte ich in den schöns­ten Städ­ten und Orten der Schweiz sein und war dabei gerade so lange unter­wegs, wie ich in Berlin allein zur Uni brau­che. So hatte ich die Mög­lich­keit, in meinem Eras­mus-Jahr ein ganzes Land kennenzulernen.

Über meine Wan­de­run­gen hinaus habe ich jedoch die Uni nicht ver­ges­sen. Das Phi­lo­so­phie-Insti­tut in Bern ist klein, aber sehr fein. Die Beson­der­heit ist, dass es eine inter­fa­kul­täre Pro­fes­sur für Wis­sen­schafts­theo­rie und ‑geschichte hat, was für eine natur­wis­sen­schaft­li­che Aus­rich­tung des Stu­di­ums genutzt werden kann.

Gute Betreuung im kleinen Kreis

Hier stu­dierte ich in einem klei­nen Kreis, wo sich die Stu­die­ren­den unter­ein­an­der kennen, die Pro­fes­so­ren aber auch merken, wenn man mal nicht zur Vor­le­sung kommt.

Durch die Aus­ge­wo­gen­heit des Stu­den­ten-Dozen­ten-Ver­hält­nis­ses wird man sehr gut betreut und die Dozen­ten haben Zeit, um sich mit den Ideen der Stu­den­ten aus­ein­an­der zu setzen. Das macht das Stu­dium sehr inten­siv, aber eben auch sehr ergie­big. Ein wei­te­res Plus sind die Biblio­the­ken: Hier darf man in den meis­ten Biblio­the­ken unge­stört mit Sack und Pack durch die Gänge strei­fen, plus Kaf­fee­be­cher in der einen Hand und dem Scho­ko­rie­gel in der ande­ren. In den Insti­tuts­bi­blio­the­ken findet man an den Lese­ti­schen Zettel geklebt, die ver­kün­den, wem dieser Arbeits­platz gehört, manch­mal nebst Was­ser­ko­cher und Haus­schu­hen. Man fühlt sich in seinem Insti­tut zu Hause. Unter diesen Bedin­gun­gen ist es ver­ständ­lich, warum die Schweiz mit so vielen Nobel­preis­trä­gern punk­ten kann. Man ist frei im Lernen.

Mit diesen Gedan­ken und erfreu­li­chen Aus­sich­ten freute ich mich auf die kalte Win­ter­zeit, in der man min­des­ten einmal pro Woche einen netten Raclette-Abend in gesel­li­ger Runde ver­bringt. Wenn meine Berner Urge­steine in heiße Dis­kus­sio­nen ver­fal­len, ver­stand ich zwar kein Wort, aber so konnte ich den ande­ren unge­stört ihren Käse vom Grill klauen.

Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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