Mehr als nur ein Planspiel

[Model G8]Die bren­nen­den Fragen der Zeit dis­ku­tie­ren und gemein­sam Lösun­gen erar­bei­ten – beim Model G8 simu­lie­ren Stu­die­rende die wich­ti­gen Poli­tik-Tref­fen und brin­gen die erar­bei­te­ten Vor­schläge anschlie­ßend auch zu Gehör.

Die Gruppe der Acht (G8) ist eine fixe Größe in der inter­na­tio­na­len Poli­tik. Trotz der Medi­en­prä­senz bei den jähr­li­chen G8-Tref­fen sind jedoch Inhalt und Ziel­set­zung vielen weit­ge­hend schlei­er­haft. Wer über die Agenda der G8-Tref­fen ent­schei­det, welche Ver­bind­lich­keit die Beschlüsse haben, und welche Staa­ten teil­neh­men können, sind nur ein paar der Fra­ge­zei­chen. Statt­des­sen wird dem Thema oft mit Ableh­nung begeg­net — wie die har­schen Pro­teste von Hei­li­gen­damm zeig­ten: „Da wird ganz viel ver­teu­felt und unre­flek­tiert abge­tan“, bedau­ert Tamara Morales.

Die 24-Jäh­rige ist die Vor­stands­vor­sit­zende des Model G8 e. V. Der Verein möchte sich kon­struk­tiv mit der Rolle der G8 aus­ein­an­der­set­zen. „Wir sagen nicht: G8 ist schlecht, son­dern wir fragen: Was ist G8?“, erklärt Tamara. Seit 2007 ist der Verein an der Orga­ni­sa­tion eines jähr­li­chen Plan­spiels zur G8 maß­geb­lich betei­ligt. Der Name „Model G8“ ist bewusst an die bekann­ten Plan­spiele „Model UN“ und „Model Euro­pean Par­lia­ment“ ange­lehnt. Inhalt­lich geht das Model G8 aber dar­über hinaus. Im Gegen­satz zum Model UN reprä­sen­tiert man bei Model G8 sein eige­nes Land. „Da reicht kein Über­blick aus Wiki­pe­dia, wie es denn in Tadschi­ki­stan aus­sieht“, meint Philip, der dieses Jahr den Posten des Umwelt­mi­nis­ters in der deut­schen Dele­ga­tion inne hatte.

Vor­be­rei­tung

Etwa drei Monate lang berei­tet sich die Dele­ga­tion, die aus der Kanz­le­rin, dem Sherpa und eini­gen Minis­tern und Exper­ten besteht, inten­siv auf die Teil­nahme am Model G8 vor. Dabei unter­stützt das Res­sort Rese­arch die Teil­neh­mer des Model G8 e. V. Wöchent­lich finden Tele­fon­kon­fe­ren­zen statt. Durch die gezielte Aus­ein­an­der­set­zung mit Berich­ten und Stel­lung­nah­men von NGOs und For­schungs­in­sti­tu­ten ver­su­chen die Dele­gier­ten, ein mög­lichst rea­lis­ti­sches und viel­schich­ti­ges Bild des intrans­pa­ren­ten G8-Gre­mi­ums zu erhalten.

Den letz­ten Schliff bekom­men die Dele­gier­ten beim Vor­be­rei­tungs­work­shop. Dazu gehö­ren Rhe­to­ri­k­übun­gen, Ver­hand­lungs­tech­ni­ken und der Besuch von Bun­des­mi­nis­te­rien. Auch mit den kul­tu­rel­len Eigen­ar­ten der Her­kunfts­län­der der ande­ren Teil­neh­mer beschäf­ti­gen sich die Delegierten.

Derart vor­be­rei­tet reist die Dele­ga­tion zum Model G8-Tref­fen, das dieses Jahr in Mai­land statt­fand. Nach einer all­ge­mei­nen Ein­füh­rung in die Themen der G8 geht es in sepa­ra­ten Gesprächs­run­den um die Rei­hen­folge der Themen, die auf der Agenda stehen. Häufig reicht die Zeit nicht aus, um alle Punkte auf der Agenda zu bespre­chen. Gesprächs­the­men auf hin­te­ren Plät­zen fallen meist aus. Daher ist es wich­tig, dass alle für die Dele­ga­tion bedeu­ten­den Themen ganz vorne stehen.

Gemein­same Erklärung

Nach vielen durch­dis­ku­tier­ten Stun­den steht im Ide­al­fall am Ende der Kon­fe­renz ein Com­mu­ni­qué aller Dele­ga­tio­nen. Des Öfte­ren wird bis spät in die Nacht gestrit­ten, und es kommt den­noch keine gemein­same Erklä­rung zu Stande. Auch das mache das Model G8 beson­ders, erklärt Philip­: „Es geht wirk­lich darum, dass man ernst­haft seine Posi­tion durch­setzt. Denn am Ende liest den Text viel­leicht der Sherpa deiner Regie­rung – da ist dann irgend­wann auch Schluss mit Kompromissen.“

Zurück in Deutsch­land werden die wich­tigs­ten Aus­züge des Abschluss­com­mu­ni­qués ver­öf­fent­licht und an Staats- und Regie­rungs­chefs, die Presse, Unter­neh­men, För­de­rer und alle Inter­es­sier­ten ver­sen­det. Die Stu­den­ten beschrän­ken sich nicht darauf, die G8 zu ver­ste­hen und nach­zu­stel­len. Sie möch­ten den Regie­run­gen ver­deut­li­chen, dass es Mög­lich­kei­ten der Umset­zung für ihre Ideen gibt. Ob das funk­tio­niert? Philip ist da rea­lis­tisch: „Wir bilden uns nicht ein, dass Frank­reich auf­grund unse­rer Vor­schläge plötz­lich ruft: Toll, wir schal­ten alle unsere Atom­re­ak­to­ren ab und stei­gen auf erneu­er­bare Ener­gien um.“

Aner­ken­nung aus London

Von der Bun­des­re­gie­rung gab es bisher keine Rück­mel­dung. Dies sei ent­täu­schend, meint Tamara, auch des­halb, weil Bernd Pfaf­fen­bach, der Sherpa der Bun­des­re­gie­rung, Schirm­herr des Model G8 e. V. ist: „Da hätten wir uns als junge aka­de­mi­sche Stimme etwas mehr Unter­stüt­zung erhofft.“ Aner­ken­nung gab es aber von ande­rer Seite: Aus der Dow­ning Street kam ein Schrei­ben mit Dank von Gordon Brown.

Noch wäh­rend der Aus­wer­tung des Com­mu­ni­qués haben die Mit­ar­bei­ter des Model G8 e. V. bereits die nächste Kon­fe­renz im Blick. Im Früh­jahr 2010 soll das Model G8 in Van­cou­ver statt­fin­den. Die Bewer­bungs­aus­schrei­bung wird der Verein zum Anfang des kom­men­den Semes­ters her­aus­schi­cken. Für die Aus­wahl der Teil­neh­mer ist ein exter­nes Kura­to­rium mit Ver­tre­tern aus Wis­sen­schaft, Wirt­schaft und Poli­tik zustän­dig. Bewer­ber soll­ten gute bis sehr gute Eng­lisch­kennt­nisse vor­wei­sen. Ent­schei­dend ist letzt­lich das Moti­va­ti­ons­schrei­ben. Hat man die Jury über­zeugt, geht’s schnell los: Berge von Lese­stoff, Schlaf­man­gel, per­sön­li­che Rei­be­reien, neue Freunde, inter­na­tio­nale Kon­takte und ganz viel Spaß. Aber vor allem: Eine Chance, Ein­fluss zu üben auf die Wirt­schafts­mächte der Welt und die Stimme der jungen Genera­tion hörbar zu machen. Der erste Schritt ist getan.

Model G8

Der Verein besteht aus einem Vor­stand mit zwei Vor­sit­zen­den und einem Schatz­meis­ter sowie den Res­sorts PR und Mar­ke­ting, Fund­rai­sing, Per­so­nal und Ver­wal­tung, Gip­fel­be­treu­ung und IT. Ein Beirat steht bera­tend zur Seite. Das Orga­ni­sa­ti­ons­team freut sich über neue Mit­ar­bei­ter. Wer mit­ma­chen möchte, schickt eine eMail mit Lebens­lauf an: Jessica.​Hofmann@​modelg8.​org.

Das Plan­spiel wird seit 2006 jähr­lich im Gast­ge­ber­land ver­an­stal­tet und führt Stu­den­ten aus 13 Natio­nen zusam­men. Als Ver­tre­ter der G8-Mit­glieds­län­der und der Out­re­ach-5-Staa­ten dis­ku­tie­ren sie die Themen der aktu­el­len G8-Agenda und ver­su­chen, inno­va­tive Lösungs­an­sätze für glo­bale Her­aus­for­de­run­gen zu ent­wi­ckeln. Die Dele­ga­tio­nen des letz­ten Gip­fels bestan­den jeweils aus einem Head of State, einem Sherpa, sechs Minis­tern, einem Head of Natio­nal Busi­ness Asso­cia­tion und drei Experts.