Goethe lebt! Bücherschau

Unser Lieb­lings­dich­ter fei­erte 2009 seinen 260. Geburts­tag. Zahl­rei­che Autoren haben sich mit Goe­thes Werken auseinandergesetzt.

Der Natio­nal­held der Deut­schen ist bereits 167 Jahre tot. Nun, wir feiern in diesem Jahr seinen Geburts­tag, in nur 13 Jahren begie­ßen wir seinen 200. Todes­tag.  Grund genug, ihn zu feiern und zu ehren: den Inbe­griff des deut­schen Dich­ters schlecht­hin. Nun scheint es nicht sehr sinn­voll Stu­den­ten, die bereits mit dem wei­chen Wert­her, Egmont und Co. Bekannt­schaft gemacht haben, erneut damit zu quälen. Wir schauen lieber, welche Blüten der Wahl-Wei­ma­rer getrie­ben hat.

Wir haben da erst­mal den ost­deut­schen Klas­si­ker der Goethe-Adap­tion. Ulrich Plenz­dorf ver­setzt die Geschichte des lie­bes­kran­ken Jüng­lings in „Die neuen Leiden des jungen W.“ nach Ost-Berlin. Dort wohnt Edgar Wibeau in einer Lau­ben­ko­lo­nie, ille­gal und unter miesen Ver­hält­nis­sen. In seinem selbst­ge­wähl­ten Ver­steck, Edgar ist von zu Hause abge­hauen, findet er auf dem Plumps­klo eine Aus­gabe des Goe­the­schen Wert­her, ohne Titel­blatt, und fängt an ihn zu lesen. Als er dann auch noch die Kin­der­gar­ten­er­zie­he­rin Char­lie kennen und lieben lernt, fühlt er sich ganz in den Wert­her ein. Plenz­dorf macht die Geschichte des schmach­ten­den, oft wei­nen­den Wert­her auch für Men­schen des 21. Jahr­hun­derts erleb­bar und fühl­bar. Edgar hat ungleich mehr Witz und einen Drang zum Tra­gi­ko­mi­schen. Konnte man aber bereits im Schul­un­ter­richt nicht ver­ste­hen, warum der alte Wert­her sich eine Kugel in den Kopf jagt, stirbt der junge W. unter ver­gleichs­weise rea­lis­ti­schen Bedingungen.

Die neuen Leiden des jungen W.

Möchte man Goethe näher­kom­men, sollte man sich „Chris­tiane und Goethe“ anschauen. Sigrid Damm hat in ihren Recher­che­ro­man sehr viel Liebe gesteckt. Detail­voll, mit vielen Zita­ten aus dem Brief­wech­sel zwi­schen Goethe und seiner lang­jäh­ri­gen Part­ne­rin und spä­te­ren Frau Chris­tiane Vul­pius, aber auch Aus­zü­gen aus den Haus­halts­bü­chern führt Damm den Leser in diese span­nungs­volle, unglei­che Bezie­hung. Der große Dich­ter und das Mäd­chen aus ein­fa­chem Hause – man möchte das Ver­hält­nis gar nicht ernst­neh­men. Aber aus den Brie­fen spricht eine ver­traute, tiefe und lie­be­volle Verbindung.

Chris­tiane und Goethe

Die schil­lerndste und fan­ta­sie­vollste Adap­tion ist ohne Zwei­fel der Roman „Lotte in Weimar“ von Thomas Mann. Der hat es gewagt, das Undenk­bare durch­zu­den­ken, bis zum bit­te­ren Ende, und auf­zu­schrei­ben. Die Geschichte ist schnell erzählt und höchst fiktiv. Char­lotte, das Lott­chen Wert­hers, kommt nach einem langen Leben zurück nach Weimar. Dort ist es ihr innigs­ter Wunsch, Goethe wie­der­zu­se­hen, der etli­che Jahr­zehnte zuvor den Wert­her schrieb. Und zwar als ein auto­bio­gra­fi­sches Werk, mit dem Wert­her als Alter Ego. Lott­chen blieb, wie wir alle wissen, bei ihrem Mann, der inzwi­schen ver­stor­ben ist. Ganz Weimar begehrt, die berühmte Roman­fi­gur sehen zu dürfen, nur Goethe hält sich zurück. Das Wie­der­se­hen ist mehr als nüch­tern. Doch ganz zum Schluss decken beide die Karten auf. Mann hat mit dieser Erzäh­lung ein sehr schö­nes Gedan­ken­spiel gelie­fert und zeigt den fik­ti­ven Goethe in einer sehr inti­men, facet­ten­rei­chen Art und Weise und holt den unan­tast­ba­ren Über­men­schen auf das Niveau eines Nor­mal­sterb­li­chen herunter.

 

Thomas Mann: Lotte in Weimar

 

Ulrich Plenz­dorf: Die neuen Leiden des jungen W.

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Sigrid Damm: Chris­tiane und Goethe – Eine Recherche.

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Thomas Mann: Lotte in Weimar

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Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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