In stillem Gedenken

[Lie­bes­er­klä­run­gen] Tech­nik beglei­tet den mensch­li­chen Alltag seit Urzei­ten. Doch rück­sichts­los müssen eins­tige tech­ni­sche Errun­gen­schaf­ten dem Fort­schritt weichen.

Dunkel ist es auf dem Gerä­te­fried­hof. Zu viel ver­duns­ten­des Getrie­beöl und ein wenig Nost­al­gie liegen in der Luft. Weg­ge­fähr­ten, die den Men­schen einst das Leben erleich­ter­ten und dann ein­fach ver­ges­sen wurden. Oft ver­sie­gen die Erin­ne­run­gen an alte Geräte in Freude über neue Erfin­dun­gen im Sande der Zeit.

Schrei­ben für alle

In der Ecke links liegt, der Sarg noch nicht ein­ge­las­sen, doch das Loch schon aus­ge­ho­ben, die Schreib­ma­schine. Natür­lich gibt es sie noch. Bestimmte Men­schen wei­gern sich sogar, auf einem Com­pu­ter zu schrei­ben und ziehen den mecha­ni­schen Schreibap­pa­rat dem PC vor. Doch letzt­end­lich naht ihr Ende. Selbst die Ber­li­ner Volks­hoch­schule bietet keine Schreib­ma­schi­nen­kurse mehr an, son­dern ver­spricht Kennt­nisse im „Tast­schrei­ben am PC – Ste­no­gra­fie“, obwohl der Kurs zum Zehn­fin­ger­schrei­ben an der Schreib­ma­schine zu den belieb­ten Ange­bo­ten gehörte.

Dabei hatte es die Schreib­ma­schine nicht leicht. 1864 erfun­den, konn­ten sich wenige Men­schen mit ihr anfreun­den, und die müh­se­lige Text­ein­gabe ver­hin­derte einen erfolg­rei­chen Start. Zum Bei­spiel erschwerte die feh­lende Umschalt­taste – für Klein- und Groß­buch­sta­ben exis­tierte jeweils eine eigene Taste – den Schreib­fluss erheb­lich. Der Erfin­der Peter Mit­ter­ho­fer wurde mit seiner Schreib­ma­schine weder reich noch berühmt, son­dern ist nur Ken­nern ein Begriff.

Zehn Jahre später ver­suchte es ein neues Modell, aus den USA, und wie bei man­chen Filmen wurde das ame­ri­ka­ni­sche Remake erfolg­rei­cher als sein Ori­gi­nal. Die Ame­ri­ka­ner Chris­to­pher Latham Sholes und Glid­den hatten eine Schreib­ma­schine erfun­den, die fabrik­mä­ßig in Serie her­ge­stellt werden konnte, und so wurde der Sie­ges­zug der Schreib­ma­schine ein­ge­lei­tet. Manche Schreib­ma­schine redu­zierte ihre Tas­ten­an­zahl sogar stär­ker als heu­tige Tas­ta­tu­ren, indem jede Taste drei­fach belegt war. Auch wenn in den 90er Jahren die Schreib­ma­schine noch mit tech­ni­schen Extra­wün­schen den Kunden binden wollte, wurde sie 2003 aus dem Ver­brau­cher­preis­in­dex gestri­chen. In den letz­ten Jahren führt sie ein wenig beach­te­tes Leben auf Floh­märk­ten und in Antiquitätenläden.

But­tern für alle

Ganz hinten am Zaun des Fried­hofs hat sich die But­ter­ma­schine ver­steckt. Früher ein gewöhn­li­ches Küchen­uten­sil, dient sie heute höchs­tens als exo­ti­sches Schmuck­stück mit pas­sen­der Staub­ummantelung. Dabei war die But­ter­ma­schine durch ihre ein­fa­che Hand­ha­bung ein prak­ti­sches Gerät für den Haus­halt: Durch eine Kurbel wurde im Inne­ren eines Glases Butter aus süßem oder sauren Rahm her­ge­stellt. Selbst Koch­muf­fel konn­ten durch ein­fa­ches Drehen so in der Küche nütz­lich sein. Doch durch indus­tri­ell her­ge­stellte Butter mit nied­ri­gen Prei­sen und fett­re­du­zierte Mar­ga­rine zum Spar­preis inter­es­sier­ten sich immer weni­ger Men­schen für die kleine Buttermaschine.

Atmen für alle

Neben dem aus­ge­ho­be­nen Grab für die Schreib­ma­schine liegt schon seit län­ge­rer Zeit die Eiserne Lunge. Erst 1920 gebo­ren, verlor sie bis in die 1960er nach großer Blü­te­zeit wieder an Beach­tung. Ihre Geburts­stunde war bei­spiel­haft gla­mou­rös: Der Inge­nieur Philip Drin­ker von der Medi­zi­ni­schen Fakul­tät der Har­vard Uni­ver­si­tät in Boston baute diesen großen eiser­nen Sarg, in dem ein Mensch, bis auf den Kopf, ganz ein­ge­schlos­sen war. Durch einen Motor wurde abwech­selnd ein Über- und Unter­druck erzeugt – die erste mecha­ni­sche Atmungshilfe.

Viel­leicht wollte kein ande­rer, viel­leicht war er neu­gie­rig, jeden­falls war Drin­ker der Erste, der die Maschine aus­pro­bierte. Vom Gelin­gen des Ver­suchs blieb ihm prak­tisch die Spucke weg, durch die Maschine musste er hyper­ven­ti­lie­ren. Nach­dem eine kleine Pati­en­tin mit Kin­der­läh­mung dank der Maschine aus dem Koma geholt wurde und nach Eis fragte, was defi­ni­tiv einen Gene­sungs­pro­zess andeu­tet, mel­dete Drin­ker die Maschine als Patent an und stellte sie danach der Öffent­lich­keit vor. Durch eine schwere Polio-Mas­sen­er­kran­kung konnte die Eiserne Lunge zeigen, was sie drauf­hat. Mit ihr wurden die Pati­en­ten Monate, Wochen oder auch Jahre gepflegt.

Doch auch die Jahre der Eiser­nen Lunge waren gezählt. Durch die Imp­fun­gen gegen Kin­der­läh­mung wurde die Atmungs­hilfe mehr und mehr zum alten Eisen gezählt. Seit 2004 gibt es keine War­tung mehr für die Maschi­nen – obwohl es noch Pati­en­ten gibt, die in einer Eiser­nen Lunge leben. 2008 kam die Eiserne Lunge ein letz­tes Mal in die Schlag­zei­len. Auf­grund eines Strom­aus­falls und gleich­zei­ti­gen Defekts in der Not­strom­ver­sor­gung ist eine Pati­en­tin darin gestor­ben. So liegt die impo­sante Maschine nun im Halb­dun­kel auf dem Gerä­te­fried­hof. Eine Abwrack­prä­mie für sie ist noch nicht in Sicht.