So nicht

[Contra] Der Streik hat rich­tige Ziele. Doch die fal­sche Her­an­ge­hens­weise führt zu keinen Erfolgen.

Das FU-Prä­si­dium hat im Januar den Druck auf die strei­ken­den Stu­die­ren­den erhöht. Auf der Home­page des Ber­li­ner Bil­dungs­streiks wird das kom­men­tiert: Kanz­ler Lange erscheint um neun Uhr nicht zu einem Gespräch, um die Zukunft der Beset­zung zu bespre­chen – die Stu­die­ren­den müssen statt­des­sen aus­schla­fen. Aller­dings könn­ten Stu­den­ten sich nicht pro­duk­tiv mit dem Bil­dungs­streik beschäf­ti­gen, wenn sie so spät auf­ste­hen. „Das Vor­ge­hen des Prä­si­di­ums ist somit zutiefst repres­siv und wird von den Aktivist/­innen aufs Schärfste verurteilt.“

Durch das Warten auf den Prä­si­den­ten wird wert­volle Zeit ver­lo­ren, die nicht mit Schla­fen, son­dern mit Streikaktio­nen besser genutzt worden wäre. Doch die Aus­schla­far­gu­men­ta­tion wirft kein gutes Bild auf die Stu­die­ren­den, die sich bei­spiels­weise vor dem Hör­saal 1 A der FU ver­sam­melt haben. Das sind die Ver­hand­lungs­füh­rer, die den Stu­die­ren­den seit Wochen klar­zu­ma­chen ver­su­chen, dass sie sich auf­leh­nen müssen gegen Studien­gebühren, den Bache­lor oder die Anwe­sen­heits­pflicht. Mit ihrem Kom­men­tar erschei­nen sie jedoch nicht als ernst­zu­neh­mende Gruppe.

Die Kern­ziele des Bil­dungs­streiks sind kaum anzu­zwei­feln. Ein kos­ten­freies Stu­dium ist für viele zugäng­li­cher als ein kos­ten­pflich­ti­ges. Wer Neben­job oder Kind hat, tut sich schwer mit Anwe­sen­heits­pflich­ten. Klei­nere Semi­nare können nur vor­teil­haft sein. Diese For­de­run­gen werden immer wieder mit unrea­lis­ti­schen oder dem Ursprung des Streiks frem­den For­de­run­gen ver­mengt. Das schwächt das Profil des Streiks. Wenn For­de­run­gen nach Umwelt­schutz oder Kritik an der Kon­sum­ge­sell­schaft ein­flie­ßen, ver­liert sich die Kern­for­de­rung: Zugang zu einem selbst­be­stimm­ten Studium.

Doch das ist nicht das ein­zige Pro­blem des Streiks in seiner jet­zi­gen Form. Er mobi­li­siert nach wie vor – obwohl er mitt­ler­weile schon meh­rere Monate andau­ert – bei Weitem nicht alle stu­den­ti­schen Kräfte. Geis­tes­wis­sen­schaft­ler sind über­re­prä­sen­tiert, dafür man­gelt es an Juris­ten oder Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lern. Unter­schied­li­che Argu­men­ta­ti­ons­wei­sen und Ansich­ten ver­schie­de­ner Stu­di­en­gänge würden das Ver­hand­lungs­po­ten­zial erwei­tern. Dazu müss­ten jedoch die Stu­die­ren­den ihre Vor­ur­teile über­win­den. Ein Streik wird tra­di­tio­nell als „linke Ver­an­stal­tung“ wahr­ge­nom­men. Kon­ser­va­tive Stu­di­en­gänge fühlen sich daher nicht angesprochen.

Zu guter Letzt fehlen den Strei­ken­den die Druck­mit­tel. Öffent­li­cher Druck allein ist nicht aus­rei­chend. Außer­dem wirken manche For­de­run­gen fehl­plat­ziert oder zu kurz gedacht. Natür­lich kann man mehr for­dern: mehr Semi­nare, mehr Stu­di­en­plätze, mehr Lehr­kräfte. Das Geld dafür ist irgendwo vor­han­den – aller­dings nicht bei den für Bil­dung zustän­di­gen Bun­des­län­dern. Diese ver­zeich­ne­ten 2008 ein Rekord­de­fi­zit von 3,6 Mil­li­ar­den Euro. Andere Berei­che müss­ten zuguns­ten der Bil­dung weni­ger Geld erhalten.

Das ist die Krux eines jeden Stu­den­ten­streiks: Schnell landet man bei gesamt­ge­sell­schaft­li­chen For­de­run­gen, denn Hoch­schul­bil­dung ist in die Gesell­schaft ein­ge­bet­tet und von dieser abhän­gig. Aller­dings hat man kein direk­tes Druck­mit­tel wie bei einem Arbeit­neh­mer­streik. „Ein Streik, der keinen wirt­schaft­li­chen Druck ausübt, ist kein Streik, son­dern kol­lek­ti­ves Bet­teln“, weiß der ehe­ma­lige Vor­sit­zende der IG Metall, Jürgen Peters.

Stu­die­rende soll­ten keine Bett­ler, son­dern Ver­hand­lungs­füh­rer sein. Dazu müssen sie ihre For­de­run­gen prä­gnant for­mu­lie­ren und Druck­mit­tel aus­fin­dig machen. Solange es keine sinn­vol­len Ange­bote gibt, die umsetz­bar sind, wird es keinen nach­hal­ti­gen Erfolg am Ver­hand­lungs­tisch geben.