Weiße Weste

[Im Profil] Selb­stof­fen­ba­rung oder tak­ti­sche Zurück­hal­tung? Die Art der Dar­stel­lung in der vir­tu­el­len Welt sollte bedacht gewählt werden.

Tim hat eine Weiße Weste. Vir­tu­ell stellt er sie stolz zur Schau: Drei Prak­tika und fünf Orga­ni­sa­tio­nen für ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment sind auf seinem Face­book-Profil auf­ge­lis­tet, dafür sind die Zeilen „Hobbys“ und „Bezie­hungs­sta­tus“ leer. Fotos gibt es nur drei, alle­samt Bewer­bungs­fo­tos mit unter­schied­li­chem Bildausschnitt.

Foto: Albrecht Noack

Pia dage­gen ist ganz anders: Im stu­diVZ ist sie auf über hun­dert Fotos ver­linkt. Geburts­tags­fei­ern und Urlaubs­bil­der, Shop­ping­tou­ren und Son­nen­bä­der sind dabei. Ihre Lieb­lings­filme heißen „Sex and the City“ und „Dirty Dan­cing“. Noch etwas unter­schei­det das vir­tu­elle Profil von Pia und Tim: Pia hat acht­mal so viele Freunde.

Schuss nach hinten

Dass Pia neu­lich beim Bewer­bungs­ge­spräch von ihrem poten­zi­el­len Arbeit­ge­ber auf ihr Profil ange­spro­chen wurde, nimmt sie mit Humor. „Haben Sie etwa kein Pri­vat­le­ben?“, ent­geg­nete die Stu­den­tin. Pia hat Glück gehabt: Sie hatte sich für eine Stelle in einer klei­nen Wer­be­agen­tur bewor­ben, wo man etwas locker drauf ist. In ande­ren Bran­chen können pein­li­che Details im Inter­net schon mal den Job kos­ten. So wurde einem 16-jäh­ri­gen Mäd­chen in Eng­land die Anstel­lung gekün­digt, weil sie auf ihrer Pinn­wand über ihre „lang­wei­lige Beschäf­ti­gung“ schrieb.

Die eine Seite

„Die Öffent­lich­keit geht es nichts an, was ich privat so tue“, meint Tim. Seine vor­sich­tige Ein­stel­lung mag auch mit der Bran­che zu tun haben, in der er sich bewegt: Der Jura­stu­dent arbei­tet neben­bei in einer stu­den­ti­schen Unter­neh­mens­be­ra­tung, möchte später als Wirt­schafts­prü­fer Geld ver­die­nen. Dort geht nichts über Serio­si­tät. Freche Fotos oder Kom­men­tare im Netz können schnell das Bild trüben. Aller­dings gibt Tim zu: „Face­book nutze ich kaum.“ Denn wer die Vor­teile vir­tu­el­ler Netz­werke rich­tig aus­kos­ten will, der muss pri­vate Details offen­ba­ren, um mit­spie­len zu dürfen.

Klar ist: Vir­tu­elle soziale Netz­werke dienen sozia­len Kon­tak­ten. Wer nichts über sich preis­gibt, ist für andere unin­ter­es­sant. Wer im realen Leben stets eine Papier­tüte über dem Kopf trägt und mit nie­man­dem spricht, der braucht sich nicht über feh­lende Freunde zu wun­dern. Trotz­dem ist die Vor­sicht, mit der Tim seine vir­tu­el­len Pro­file behan­delt, nach­voll­zieh­bar: Im realen­ Leben kann der Jura­stu­dent ein­schät­zen, wer eine Pein­lich­keit mit­be­kommt. Ein vir­tu­el­les Profil aber ist poten­zi­ell öffent­lich, ein pein­li­ches Detail ist für nahezu jeden sicht­bar – auch für den Arbeit­ge­ber. Tim weiß: Was einmal im Netz ver­öf­fent­licht wurde, lässt sich kaum wieder zurückziehen.

Die andere Seite

Pia hofft, dass alles eine Frage der Kultur ist. Wenn erst einmal von fast allen Men­schen pein­li­che Details im Inter­net exis­tieren, wird es unin­ter­es­sant, etwas über einen ein­zel­nen online her­aus­zu­fin­den. Im realen Leben wühlen Arbeit­ge­ber bei poten­zi­el­len Bewer­bern auch nicht in der Müll­tonne, obwohl die öffent­lich ver­füg­bar auf dem Bür­ger­steig steht. Bis die Gesell­schaft sich tat­säch­lich ändert, bieten Netz­werke wie studiVZ­ oder Face­book die Mög­lich­keit, Ein­stel­lun­gen für die Pri­vat­sphäre vor­zu­neh­men. So kann man pein­li­che Fotos zwar den eige­nen Freun­den zeigen. Aber auch wirk­lich nur denen.