Weiße Westen im Marketing
[Kolumne] Marketingbegeisterte Studenten aus Berliner Hochschulen nehmen Weiße Westen unter die Marketing-Lupe
Weiße Westen betreffen jede und jeden – auch wenn das vielen nicht bewusst ist. Von dem konkreten Wunsch nach einer weißen Weste leben die Waschmittelhersteller nicht schlecht. Im übertragenen Sinn wollen alle Unternehmen eine blütenreine Weste haben. Ist die Weste befleckt, hilft nur noch eine radikale Reinigung.
Nike ist der typische Fall eines Global Players. In der Vergangenheit wurde das Image wegen Kinderarbeit und Ausbeutung in Produktionsstätten der Dritten Welt arg beschmutzt. Viele Konzerne mit schmutziger Weste aus der Elektro‑, Pharma‑, Lebensmittel‑, Spielzeug- und Bekleidungsindustrie sind in „Das neue Schwarzbuch Markenfirmen: Die Machenschaften der Weltkonzerne“ von Klaus Werner und Hans Weiss aufgelistet.
Mit Marketing kann versucht werden, dunkle Flecken wegzubleichen oder zu übertünchen. Das wichtigste Ziel von Marketing ist es, Vertrauen zu schaffen. Für vertrauensbildende Transparenz können Projektvorstellungen, Diskussionen und Onlineforen sorgen. Das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. unternehmerische Gesellschaftsverantwortung kann ebenfalls als Marketingtool betrachtet werden. Das Motto „Tue Gutes und rede darüber“ enthält die Komponenten Aktion und Kommunikation. Gute Kommunikation und somit gutes Marketing benötigen also Aktionen, um effektiv zu funktionieren.
Wird das Engagement für Umwelt und Soziales in die Unternehmenstätigkeit integriert, dann erkennen die Konsumenten, dass der Konzern umerzogen wurde. Auch wenn ein CSR-Konzept nur aus Marketinggründen eingeführt wurde, bringt es einen Mehrwert – sofern es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt.
Doch viele Unternehmen nutzen Marketingmaßnahmen nicht richtig oder lügen dreist. Bestimmte Aspekte werden schöngeredet oder verschwiegen oder sind einfach unglaubwürdig. Was man durch das Marketing erfährt, ist oft nicht das, was der Realität entspricht. Wir alle haben solche Bedenken bei mindestens einem Unternehmen schon gehabt.
Aber wirst du deswegen auf deine Lieblingsmarke verzichten? Wie weit gehst du mit deinen Prinzipien? Kaufst du das teurere T‑Shirt, weil es zu akzeptablen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde, oder doch eher das günstige, bei dem du nicht weißt, ob in der Fabrik unwürdige Bedingungen herrschen? Recherchierst du, ob die Weste des Herstellers weiß ist? Wem und worauf vertraust du bei Kaufentscheidungen? Ist es nicht das Bequemste, an freiwilliges Engagement zu glauben und weiter die Lieblingsmarke zu genießen? Somit schaffen wir eine Win-Win-Situation: Unternehmen tun so, als ob sie gesellschaftsverantwortlich handeln, wir tun so, als ob wir daran glauben. Bekommt so jeder seine eigene weiße Weste?