Einschreibechaos

Immer noch blei­ben tau­sende begehrte Stu­di­en­plätze unbe­setzt, weil Abitu­ri­en­ten sich an meh­re­ren Unis bewer­ben und letzt­lich doch nur zu einer gehen. Viele ver­mis­sen inzwi­schen die einst geschol­tene ZVS. 

Nachgerufen

Eva kennt das Pro­blem: Sie hat sich an ihrer Lieb­lings­uni­ver­si­tät bewor­ben und eine Absage erhal­ten. Meh­rere hun­dert andere Bewer­ber stan­den vor ihr auf der War­te­liste. Also ruft sie beim Stu­die­ren­den­se­kre­ta­riat an. „Die haben mir gesagt: Es gibt keine Chance mehr.“ Also bewirbt sich die fri­sche Abitu­ri­en­tin an einer ande­ren Hoch­schule – dort ist der Bewer­bungs­ter­min erst später, und sie wird sofort genom­men. Sie zieht um, schaut sich an der Hoch­schule um und ist zufrie­den. Bis sie kurz vor Semes­ter­be­ginn doch noch Post erhält.

Sie darf an ihrer Lieb­lings­uni­ver­si­tät stu­die­ren – per Nach­rück­ver­fah­ren hat sie einen Platz erhal­ten. „Es hat alles noch geklappt“, sagt Eva und ist trotz­dem unzu­frie­den. „Es war blöd, dass die einem das nicht sagen.“ Letzt­lich ist sie zurück­ge­zo­gen und hat von der Ori­en­tie­rungs­wo­che nur zwei Tage mitbekommen.

Inzwi­schen stu­diert sie bereits zwei­ein­halb Jahre an ihrer Lieb­lings­uni­ver­si­tät. Das Pro­blem ist aber nicht gelöst – heute haben es nur andere Stu­di­en­be­wer­ber. Dass es der Poli­tik noch immer nicht gelun­gen ist, eine zufrie­den­stel­lende Lösung zu finden, belegt eine geheime Erhe­bung der Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz, die der Deut­schen Pres­se­agen­tur (dpa) zuge­spielt wurde. Darin heißt es, dass vier Wochen nach Vor­le­sungs­be­ginn – im Novem­ber 2009 – immer noch über 18.000 beliebte Stu­di­en­plätze frei waren. An eini­gen Uni­ver­si­tä­ten habe es bis zu acht Nach­rück­ver­fah­ren gege­ben, teil­weise auch noch nach Semesterbeginn.

Die Ein­schrei­be­si­tua­tion sei „unbe­frie­di­gend“, heißt es in dem Bericht. Für viele Stu­di­en­an­fän­ger werde dadurch „ein erfolg­rei­cher Start ins Stu­dium erheb­lich beein­träch­tigt“. Ziel müsse es sein, allen Bewer­bern vier Wochen vor Semes­ter­be­ginn eine defi­ni­tive Zu- oder Absage zu ertei­len und damit Klar­heit zu schaffen.

Seit 2003 können die Hoch­schu­len in den meis­ten Fächern ihre Stu­die­ren­den selbst aus­su­chen. Die Zen­tral­stelle für die Ver­gabe von Stu­di­en­plät­zen (ZVS) ist nur noch für Medi­zin und Phar­ma­zie zustän­dig. Daher bewer­ben sich viele Stu­di­en­an­wär­ter sicher­heits­hal­ber an meh­re­ren Hoch­schu­len und nehmen damit leis­tungs­schwä­che­ren Kon­kur­ren­ten erst einmal die Plätze weg. Eine Koor­di­nie­rung zwi­schen den Hoch­schu­len, die vor­mals die ZVS über­nom­men hatte, gibt es nicht mehr.

Die ZVS soll‘s richten

Inzwi­schen mehren sich die Rufe nach einer Rück­kehr zum ZVS-System. Selbst der eher kon­ser­va­tive Deut­sche Phi­lo­lo­gen­ver­band hält es für einen „Skan­dal, dass die Hoch­schu­len, die in der Ver­gan­gen­heit hef­tige Befür­wor­ter der Ver­kür­zung von Schul- und Stu­di­en­zei­ten waren, mit der Bil­dungs- und Lebens­zeit von Stu­di­en­an­fän­gern so ver­ant­wor­tungs­los umge­hen.“ Die Über­tra­gung von mehr Eigen­ver­ant­wor­tung auf die Hoch­schu­len habe sich bei der Hoch­schul­zu­las­sung „in keiner Weise bewährt“.

Lang­sam gibt es auch in der Poli­tik ein Umden­ken. Im März wurde die Online-Stu­di­en­platz­börse www.freie-studienplaetze.de eröff­net. Es ist ein Gemein­schafts­pro­jekt der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz (HRK) und ZVS. Dort finden Bewer­ber Stu­di­en­plätze, die noch frei geblie­ben sind. Bewer­ben muss man sich trotz­dem direkt bei der ent­spre­chen­den Hochschule.

Das Ange­bot kann als Vor­bote für ein com­pu­ter­ge­steu­er­tes „dia­log­ori­en­tier­tes Ser­vice­ver­fah­ren“ gese­hen werden, das ab Herbst 2011 laufen soll. Darauf hatten sich Bund, Länder, HRK und ZVS bereits vor einem Jahr geei­nigt. Die Finan­zie­rung ist aber noch nicht geklärt. Kri­ti­ker wie der Phi­lo­lo­gen­ver­band ver­lan­gen, dass alle Unis zu einer Teil­nahme ver­pflich­tet werden.

Die Vor­sit­zende des Bil­dungs­aus­schus­ses im Bun­des­tag, Ulla Bur­chardt (SPD), for­dert ein Bun­des­ge­setz zur Hoch­schul­zu­las­sung. Frei­wil­lige Selbst­ver­pflich­tun­gen der Hoch­schu­len führ­ten nicht weiter. Auch die hoch­schul­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Links­frak­tion, Nicole Gohlke, sprach sich für bun­des­weit ein­heit­li­che Rege­lun­gen aus. „Sonst wird sich das Chaos mit Blick auf die stei­gen­den Zahlen an Stu­di­en­be­wer­bern weiter verschärfen.“