Mit Spaß in die Uni

Ein fri­scher und leben­di­ger Wind weht durch die Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Berlin. Wir spra­chen mit dem neuen TU-Prä­si­den­ten Jörg Steinbach.

TU-Präsident Jörg Steinbach im Interview mit der Studentenpresse. TU-Präsident Jörg Steinbach im Interview mit der Studentenpresse. Foto: Alexander Florin
Jörg Stein­bach ist der neue Prä­si­dent der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Berlin. Der Pro­zess­wis­sen­schaft­ler stu­dierte in den 70er Jahren selbst an der TU und war die ver­gan­ge­nen acht Jahre Vize­prä­si­dent. Nun hat er die Nach­folge von Kurt Kutz­ler ange­tre­ten. Fotos: Alex­an­der Florin

Wie fühlt es sich an, Präsident zu sein?

Es ist ein gutes Gefühl. Wenn man sich um dieses Amt bewirbt, hat man Wunsch­vor­stel­lun­gen für diese Uni­ver­si­tät und für sich selbst. Jetzt bin ich an der Stelle ange­kom­men, wo ich auch etwas bewe­gen und gestal­ten kann.

Sie sind mit Visionen in dieses Amt gegangen?

Ja, sicher. Man sollte nie­mals in ein Amt gehen, nur um einen Status Quo zu ver­wal­ten. Eine Uni­ver­si­tät ist ein extrem leben­di­ges Gebilde, man muss seine Dyna­mik erhal­ten, und wenn man keine Ziele hat, die man errei­chen will, dann sollte man gar nicht erst antreten.

Die knappen Mittel in den vergangenen Jahren haben eher Mangelverwaltung als Zukunftsgestaltung ermöglicht. Wie kommt man aus dem Tal?

Wir haben leider eine gewisse Erfah­rung mit knap­pen Res­sour­cen sam­meln müssen, das wird auch die nächs­ten ein, zwei Jahre so blei­ben. Das hat aller­dings die Krea­ti­vi­tät trai­niert. Aus der Not kann eine Tugend werden. Wir haben in den ver­gan­ge­nen Jahren durch Beru­fun­gen gegen­ge­steu­ert und gezielt Per­sön­lich­kei­ten gesucht, die wuss­ten, auf welche Ber­li­ner Struk­tu­ren sie sich hier ein­las­sen. Unsere Erfolge zeigen, dass wir eine gute Beru­fungs­po­li­tik gemacht haben. Ich sehe, dass wir auch einige Pro­zesse noch opti­mie­ren können, sodass wir mensch­li­che und finan­zi­elle Res­sour­cen gewin­nen und anders ein­set­zen können. Ich bin opti­mis­tisch, dass mit Krea­ti­vi­tät und Hart­nä­ckig­keit in den knap­pen Res­sour­cen Spiel­räume zu finden sind.

Jeder schielt auf die Elite-Uni, um seine Mittel aufzubessern. Welche Chancen hat die TU?

Man soll in einen Box­ring nur hin­ein­ge­hen, wenn man sich den Gegner vorher genau ange­schaut hat und meint, gegen ihn auch gewin­nen zu können. Ich bin gegen eine Pro-Forma-Bewer­bung. Unser Antrag ist ernst gemeint und soll die ganze Uni­ver­si­tät in einer Ziel­rich­tung ver­ei­nen. Selbst wenn wir den Elite-Titel nicht bekom­men, haben wir so eine Chance, unsere Uni­ver­si­tät deut­lich nach vorn zu brin­gen und dabei auch den Spaß an der Arbeit zu erhö­hen, weil wir Dinge anders gestal­ten wollen, die sich posi­tiv aus­wir­ken. Wenn sich die Skiz­zen weiter so ent­wi­ckeln, werden wir es der Kon­kur­renz schwer machen, an uns vorbeizukommen.

Zwischen den Zeilen hört man den Stolz auf Ihre Universität …

Ehr­lich gesagt, habe ich mich in den ver­gan­ge­nen Jahren geär­gert, dass wir dazu neigen, in Schutt und Asche her­um­zu­lau­fen. Ein Indi­ka­tor für unse­ren Erfolg sind die Dritt­mit­tel­ein­nah­men. Wenn eine Uni­ver­si­tät die Anzahl ihrer Lehr­stühle hal­biert und davon 80 Pro­zent neu besetzt, werden die Dritt­mit­tel zurück­ge­hen – das habe ich damals Finanz­se­na­tor Sar­ra­zin gesagt. Die Arbeit unse­rer For­sche­rin­nen und For­scher hat mich aber Lügen gestraft. In den ver­gan­ge­nen Jahren sind die Dritt­mit­tel stets ange­wach­sen, es hat keinen Rück­gang gege­ben. Dass das funk­tio­niert hat, ist eine beacht­li­che Leis­tung aller. Ja, darauf bin ich stolz, und darauf kann die ganze Uni­ver­si­tät stolz sein.

Wie fügt sich die TU in die Berliner Hochschullandschaft, gibt es eine Konkurrenz zwischen HU, FU und TU?

Die Zeiten der Kon­kur­renz haben wir hinter uns gelas­sen. Koope­ra­tion braucht neben dem Willen zur Zusam­men­ar­beit auch Men­schen, die sich gegen­sei­tig ver­trauen. Wir bekom­men drei neue Uni­ver­si­täts­lei­tun­gen, die keine gemein­same His­to­rie belas­tet. Wir können ohne Vor­ur­teile von Null anfan­gen. Wenn wir diese Chance nicht nutzen, dann sind wir selber schuld.

Nutzen Ihnen Ihre bisherigen Erfahrungen als Vizepräsident in dem neuen Amt?

Bei unge­fähr zwei Drit­tel der Arbeit kann ich mich auf die Arbeit der ver­gan­ge­nen acht Jahre stüt­zen. Da ich für die Beru­fun­gen zustän­dig war, muss­ten sich alle Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen mit ihren Lehr- und For­schungs­kon­zep­ten vor­stel­len und mit mir dis­ku­tie­ren. Das hat mir einen Über­blick über die Arbeits­ge­biete quer über die ganze Uni­ver­si­tät gege­ben. Es ist von unschätz­ba­rem Wert, zu wissen, wo die Ansprech­part­ner für die jewei­li­gen Pro­bleme sitzen.

Ich kenne Ver­wal­tungs­pro­zesse auch von der ande­ren Seite des Schreib­ti­sches. Wir müssen durch Bache­lor und Master dop­pelt so viele Imma­tri­ku­la­ti­ons­vor­gänge und Zeug­nis­aus­ga­ben bear­bei­ten. Doch das zustän­dige Per­so­nal haben wir nicht ver­dop­pelt. Das macht sich durch Klagen beim und über den Stu­die­ren­den­ser­vice bemerkbar.

Neu ist, dass ich bei den stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen die letzte Ver­ant­wor­tung trage. Man kann Erfah­rung nicht ver­er­ben. In Teilen bin ich da wieder ein Ler­nen­der. Die Arbeit als Team im Prä­si­dium macht mir auch Spaß. Sport­lich gesagt, herrscht ein sol­cher Mann­schafts­geist, dass ich mich vor den anste­hen­den Auf­ga­ben nicht fürchte.

Was haben Sie von Ihrem Vorgänger gelernt?

Über seine Amts­füh­rung hat er mir viel bei­gebracht und mit­un­ter auch deut­lich zu etwas Ruhe und Beson­nen­heit auf­ge­for­dert. Die wich­tigste Lek­tion, die er ver­mit­telt hat, ist: Zuhö­ren und nicht das eigene Urteil fest­le­gen, bevor man die andere Seite ernst­haft ange­hört hat. Es ist wich­tig, jeden in seiner Stimme ernstzunehmen.

Wie kommen Sie mit Studenten ins Gespräch?

Wir haben eine Sprech­stunde für alle Mit­glie­der der Uni­ver­si­tät ein­ge­rich­tet. Ich habe bereits die ersten Anmel­dun­gen erhal­ten. Diese Sprech­stunde möchte ich auch durch­hal­ten. Ich möchte offen und ansprech­bar sein für die Pro­bleme und Nöte in der Uni­ver­si­tät. Ich gehe genauso mit­tags ins Café Campus oder zum Imbiss. Jeder weiß, dass er mich anspre­chen kann. Ich werde also gut erreich­bar sein.

Im Vergleich zu Ihrer Studentenzeit – was hat sich geändert?

Wir haben uns alle geän­dert. Als ich hier 1975 mein Stu­dium begon­nen habe, gab es keine Erst­se­mes­ter­ein­füh­run­gen oder Hilfe beim Stun­den­pla­ner­stel­len. Es gab keine Stu­di­en­bü­ros, man wusste nicht, wo man Stu­di­en­fach­be­ra­ter findet. Viele nehmen es gar nicht wahr, dass sie wesent­lich besser betreut werden, als es früher der Fall war. Ich glaube, dass der Über­gang von der Schule zur Uni­ver­si­tät schwe­rer gewor­den ist, das beob­achte ich auch privat. Die Hoch­spe­zia­li­sie­rung in ein­zel­nen Leis­tungs­kur­sen hat dra­ma­tisch zugenommen.

Nutzen Ihnen diese Erinnerungen und Vergleiche?

Abge­se­hen von den Erfah­run­gen in meinem Fach, der Chemie, ist es für mich güns­ti­ger, dass meine Kinder stu­die­ren. Die aktu­elle Situa­tion der Stu­die­ren­den bekomme ich mehr über sie ver­mit­telt als aus meiner eige­nen Vergangenheit.

Wünscht sich der Vater andere Studenten als ein Präsident?

Der Prä­si­dent in mir möchte ein Defi­zit besei­ti­gen. Stu­die­rende soll­ten stolz sein, an dieser Uni­ver­si­tät zu sein, und selbst Bot­schaf­ter dieser Uni­ver­si­tät nach außen hin sein. Als Vater stelle ich fest, dass dies ein Wunsch ist. Diese Lücke wollen wir gezielt schlie­ßen und alle Sta­tus­grup­pen merken lassen, dass sie wich­tige Rollen hier spie­len und wahr­ge­nom­men werden. So gestal­tet eine Stu­die­rende die Ver­an­stal­tung zum Amts­an­tritt aktiv mit. Jeder kann Schaufens­ter für die TU sein.

Das Wir-Gefühl, das Sie anstreben, sollen auch die Runden Tische unterstützen.

Wir haben es geschafft, dass die Stu­di­en­de­kane bewusst mit den realen Pro­ble­men der Stu­die­ren­den kon­fron­tiert wurden und erkannt haben, wo etwas getan werden muss. Einige Stu­di­en­de­kane haben dann einen sol­chen Runden Tisch für ihre Fächer oder Fakul­tä­ten ein­ge­rich­tet. Das ist ein mess­ba­rer Erfolg der ver­gan­ge­nen Monate.

Sind Sie selbst noch aktiv im Studienbetrieb?

Bis Februar habe ich noch Vor­le­sun­gen gehal­ten. Für mich wäre es nicht glaub­wür­dig, als dama­li­ger Vize­prä­si­dent für Lehre und Stu­dium keine Ver­an­stal­tung anzu­bie­ten. Oft bin ich auch ange­spannt aus der Präsi­diumsarbeit in eine Vor­le­sung gegan­gen und war danach wieder locker und ent­spannt. Mir macht es Spaß, mit Stu­die­ren­den zusam­men­zu­ar­bei­ten. Das sind tolle, moti­vierte Leute. Wir als Leh­rende nehmen es viel zu selten wahr, was es für ein Geschenk ist, mit jungen Men­schen täg­lich arbei­ten zu können. Mir gibt das eine Menge. Ich betreue jetzt noch neun Dok­to­ran­den und will auf keinen Fall die Bin­dung zur Wis­sen­schaft verlieren.

Wenn Sie am Ende der Amtszeit eine Minute nachsinnen können – über welche Erfolge werden Sie sich freuen können?

Die TU hat eine bes­sere Wahr­neh­mung in den Medien, in der Region und inter­na­tio­nal. Es ist eine Uni­ver­si­tät, in die Men­schen mor­gens mit Spaß hingehen.

Über Alexander (10 Artikel)
1998 bis 2008: Studium ÄdL und Angl/Am an der HU • 2000 bis 2004: Mitarbeit bei UnAufgefordert und Rettungsring • 2005 bis 2011: verantwortlicher Redakteur „Spree“ und „bus“ • mehr auf: www.zanjero.de und www.axin.de