Moderne Poeten in der Stadt

[Poesie-Fes­ti­val] Dass Lyrik lebt, bewei­sen vom 4. bis 12. Juni Dich­ter aus dem Mit­tel­meer­raum und Deutsch­land. Sie berei­chern die Stadt mit dem „Poe­sie­fes­ti­val Berlin 2010“. Mit dabei ist auch Julia Trom­pe­ter, Dok­to­ran­din an der FU.

„Und auf der Wei­ter­fahrt nichts als Glas­kör­per­pin­gong im Auge, ich fuhr tag­blind bis Berlin.“ Julia Trom­pe­ter hielt mit ihrem Zug gerade in Hil­des­heim, als ihr diese Zeilen einfielen.

Die 30-Jäh­rige kam erst nach ihrem Stu­dium der Phi­lo­so­phie und Ger­ma­nis­tik in Köln nach Berlin. Das war vor zwei Jahren. Seit­dem ist sie Dok­to­ran­din am Insti­tut für Grie­chi­sche und Latei­ni­sche Phi­lo­lo­gie der Freien Uni­ver­si­tät. Doch wäh­rend sie sich in der FU über die antike Medi­zin­theo­rie den Kopf zer­bricht, schreibt sie privat auf, was ihr in den Kopf kommt: kleine Verse zum Nach­den­ken, prä­gnante Sätze zum Lachen. In ihrem Gedicht „Stam­mel­bach, Hil­des­heim“ über­legt sie ver­träumt, wie es wohl wäre, wenn sie jetzt am Bahn­hof stände: „Mat­hilde könnte ich heißen, in San­da­len und dort Briefe ein­wer­fen an Einen …“

Obwohl sie in der Schule „auch nicht mehr als der nor­male Durch­schnitts­schü­ler“ von den großen Poeten des Landes der Dich­ter und Denker beein­druckt war, ent­deckte sie bald andere Autoren, die sie begeis­ter­ten und inspi­rier­ten: Frie­de­rike May­rö­cker oder Ger­hard Rühm etwa. „Als Kind habe ich schon ange­fan­gen zu schrei­ben, erst Geschich­ten, dann lange Jahre Tage­buch, und mit 20 begann ich, mich in der Lyrik zu ver­su­chen“, erzählt Julia. Die erste Zeit behielt sie die Schrif­ten für sich. Doch bei dem Tref­fen „Lite­ra­tur um acht“, im Kölner Café „Duddel“ traute sie sich, zum ersten Mal vor Publi­kum auf­zu­tre­ten – „Ich bin vor Ner­vo­si­tät fast gestor­ben“ erin­nert sich Julia lachend an ihr Debüt. Jetzt gehört das Lesen vor Zuhö­rern schon dazu, sie schätzt sogar den Aus­tausch. „Jeden Sonn­tag gehe ich zum ‚lauter nie­mand lite­ra­tur­la­bor‘ in der ‚Fehre 6‘, wo jeder seine Texte vor­le­sen und dis­ku­tie­ren kann.“ Dort prä­sen­tiert sie auch Texte, die noch nicht ganz fertig sind.

Am Sams­tag, den 6. Juni betei­ligt sich Julia mit fertig aus­ge­ar­bei­te­ten Texten beim „poe­sie­fes­ti­val berlin 2010“. Im Rahmen der „Poets’ Corner“ lesen Julia und viele andere Dich­ter ab 14 Uhr im Wagen­dorf Loh­mühle (Trep­tow-Köpe­nick) aus ihren Werken vor. Andere Lese­stät­ten sind im Neu­köll­ner Kör­ner­park, im Garten des Kunst­hau­ses in Mar­zahn-Hel­lers­dorf, vor dem Goti­schen Haus (Span­dau), im Hof des Kultur- und Bil­dungs­zen­trums Sebas­tian Haff­ner in Prenz­lauer Berg und im Lich­ten­ber­ger „studio im hochhaus“.

Das Poe­sie­fes­ti­val ver­teilt sich in seinem elften Jahr auf eine Woche: von Frei­tag, 4. Juni, bis Sams­tag, 12. Juni. Mit über 10.000 Besu­chern jähr­lich gilt es als größ­tes Poe­sie­fes­ti­val Euro­pas. Jedes Jahr ist die Ver­an­stal­tung einer The­ma­tik gewid­met. Dieses Jahr wird die zeit­ge­nös­si­sche Dich­tung des Mit­tel­meer­raums beleuch­tet. In den acht Tagen treten Poeten aus der Türkei, aus Frank­reich, von den Küsten Nord­afri­kas und Ara­bi­ens auf. Auch anda­lu­si­sche, israe­li­sche und grie­chi­sche Lyrik ist im Programm.

Bei Ver­an­stal­tun­gen wie „Welt­klang“, die das Fes­ti­val am Frei­tag­abend eröff­net, werden die Gedichte in ihrer Ori­gi­nal­spra­che vor­ge­tra­gen – gerade für Sprach­stu­den­ten eine will­kom­mene Abwechs­lung zu den Gram­ma­tik­bü­chern. Auch die­je­ni­gen, die die jewei­li­gen Spra­chen nicht spre­chen, kommen auf ihre Kosten: Im Ein­tritts­preis von acht Euro (ermä­ßigt fünf Euro) ist eine deut­sche Über­set­zung ent­hal­ten. Auch andere Vor­stel­lun­gen locken mit musi­ka­li­scher, rhyth­mi­scher Beglei­tung. Doch es gibt nicht nur Lesun­gen, son­dern auch Col­lo­quien, etwa zur Poesie aus dem Maghreb, zur Lyrik in den Medien und dessen Zukunft und zur explo­si­ven Mischung von Fla­menco und Poesie.

Julia freut sich sehr auf die Lesung: „Das ist das erste Mal, dass ich bei einem grö­ße­ren Event mit­ma­che.“ Die Texte hat sie sich noch nicht aus­ge­sucht, „das kommt ja auch dann spon­tan auf die Stim­mung drauf an.“

Infos unter: www.literaturwerkstatt.org, dann auf poe­si­fes­ti­val berlin 2010 klicken.