Partnerpause

Wenn es in der Part­ner­schaft kri­selt, legen Paare gern Aus­zei­ten ein. Wir spra­chen mit der Paar­the­ra­peu­tin The­resa Anneken.

Paartherapeutin Theresa Anneken. Foto: privat

Welche Werte machen eine gute Beziehung aus?

In meiner Arbeit ver­trete ich ein huma­nis­ti­sches Men­schen­bild. Über­tra­gen wir das einmal auf eine „klas­si­sche” Lie­bes­be­zie­hung zwi­schen zwei Men­schen, dann sind es imma­te­ri­elle Werte, wie [int­link id=“272” type=“post”]Liebe[/intlink], Glück, Wohl­erge­hen, Respekt, Würde, Ver­trauen, Ehr­lich­keit und Gerech­tig­keit, die eine „gute Bezie­hung” aus­ma­chen. Die Kunst eine gute Bezie­hung zu führen, liegt jedoch darin, diese Werte auch zu kom­mu­ni­zie­ren. Diese Werte spür­bar zu machen im Umgang mit­ein­an­der, ist meines Erach­tens der Schlüs­sel für eine gute Bezie­hung. In vielen Lie­bes­be­zie­hun­gen sind diese Werte zwar theo­re­tisch vor­han­den, aber die Kom­mu­ni­ka­tion dar­über stimmt irgend­wie nicht, und das ist dann frus­trie­rend für die Betei­lig­ten; da können Bezie­hun­gen dann auch schnell mal schei­tern, obwohl die Liebe und andere wesent­li­che Werte da sind.

Ich habe die Erfah­rung gemacht, dass Men­schen in Lie­bes­be­zie­hun­gen das Gefühl brau­chen, mit einem lie­ben­den Blick gese­hen zu werden, und dass sie es brau­chen, sich nach ihrem eige­nen Wesen ent­wi­ckeln zu können, selbst wenn die Bezeich­nung „das eigene Wesen” jetzt erst mal abs­trakt klin­gen mag.

Was ist die Grundlage für eine gesunde Beziehung?

Es ist wich­tig, die eigene Per­sön­lich­keit und ihre Bedürf­nisse in einer Bezie­hung wahr­zu­neh­men und sie zu ent­wi­ckeln und somit eine Ich-Stärke aus­zu­bil­den und einen gewis­sen Abstand zum gelieb­ten Gegen­über zu wahren. Stel­len Sie sich doch einmal Nase an Nase vor­ein­an­der hin mit ihrem Part­ner. Aus einer sol­chen Per­spek­tive ist es unmög­lich, sich selbst wahr­zu­neh­men, geschweige denn den ande­ren in seiner vollen Pracht zu erken­nen. Lie­bende ziehen sich immer an, das ist eine Gesetz­mä­ßig­keit, doch ein gewis­ser Abstand ist not­wen­dig, damit man sich selbst spüren kann, den Blick in die Welt frei hat und zugleich die Mög­lich­keit hat, das Gegen­über zu sehen und wahr­zu­neh­men, wenn man will. Schließ­lich ist Bezie­hung eine frei­wil­lige Angelegenheit.

Ich denke, dass jeder Ein­zelne in gewis­ser Hin­sicht einen Drang zur Ent­wick­lung in sich spürt, die Ver­ant­wor­tung für sein Leben zu über­neh­men und aus seinen Bega­bun­gen und Fähig­kei­ten etwas zu machen, sprich, sie zu ent­wi­ckeln. In einer guten Bezie­hung muss das mög­lich sein für jeden.

Kann man sagen, dass heutige Beziehungen von kürzerer Dauer sind als vor wenigen Jahrzehnten?

Wenn man die Ent­wick­lung der Schei­dungs­rate in den ver­gan­ge­nen zehn Jahren betrach­tet, dann ist sie per­ma­nent gestie­gen, und wenn ich mir meine Eltern­ge­nera­tion ansehe, das sind die heute etwa 60-Jäh­ri­gen, dann stelle ich fest, dass diese Paare schon seit 30 Jahren und länger ver­hei­ra­tet sind. Und ob es in meiner Groß­el­tern­ge­nera­tion über­haupt Schei­dun­gen gege­ben hat? – Schei­dun­gen in meiner Groß­el­tern­ge­nera­tion haben damals für Schlag­zei­len gesorgt.

Woran liegt das?

Ich denke, das liegt am Wandel der Zeit. Wir leben in einer unglaub­lich schnell­le­bi­gen Zeit, einer Kon­sum­ge­sell­schaft, einer Gesell­schaft, in der die Alten, der Tod, das Ster­ben ver­drängt werden und in der man jung, fle­xi­bel, dyna­misch und gut­aus­se­hend zu sein hat. Die kür­zere Dauer mag auch an der inne­ren Hal­tung liegen, die man – mehr oder weni­ger bewusst – aus­bil­det. Sobald eine Bezie­hung schwie­rig wird, besteht bei­spiels­weise die Mög­lich­keit, in Inter­net­por­ta­len ein­fach einen neuen Part­ner oder eine neue Part­ne­rin ken­nen­zu­ler­nen – einmal flap­sig ausgedrückt.

Wir lernen in dieser Gesell­schaft leider weder in der Schule noch in einer ande­ren staat­li­chen Insti­tu­tion, wie wich­tig es ist, die eige­nen Gefühle wahr­zu­neh­men, sie ernst zu nehmen und ent­spre­chend zu han­deln, ver­ant­wort­lich mit­ein­an­der, wie mit der Natur, die uns nährt und trägt, umzu­ge­hen, und wie wich­tig es ist, das soziale und öko­no­mi­sche Gleich­ge­wicht zu wahren.

Kann eine Pause vom Partner gut für die Beziehung sein oder ist es das aufgeschobene Ende?

Die Frage, die geklärt sein sollte, damit eine solche Aus­zeit funk­tio­nie­ren kann, lautet: „Was ist das Motiv für die Bezie­hungs­pause?” Wenn es sich für beide Part­ner gut anfühlt, kann eine Bezie­hungs­pause durch­aus sinn­voll für die Bezie­hung sein und fri­schen Wind und große Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten mit sich bringen.

Welche Entwicklungsmöglichkeiten sind das?

Das Motiv für die Pause ist mit Sicher­heit ein sehr per­sön­li­ches, inti­mes; eines, das eine viel­leicht unan­ge­nehme Wahr­heit an die Ober­flä­che för­dert. Gelingt dem Paar in dieser kri­sen­haf­ten Situa­tion eine mutige und ver­trau­ens­volle Aus­ein­an­der­set­zung dar­über, und die beschlos­sene Aus­zeit fühlt sich für beide rich­tig an, dann sind die Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten bom­bas­tisch: Man hat Klar­heit über die emo­tio­nale Welt des Part­ners, das gibt Sicher­heit, und man kann sich ohne (Verlust-)Ängste wieder ganz dem eige­nen Leben widmen; man lernt neue Facet­ten des Gegen­übers und seiner selbst kennen; die Selbst­be­zie­hung und die Paar­be­zie­hung ent­wi­ckeln sich rund um die Motiv­klä­rung in glei­chen Schrit­ten, das stärkt und schult die Bezie­hungs­fä­hig­keit; das Ver­trauen und die Liebe wachsen.

Wenn man die Auszeit beschlossen hat: Wie plant man sie?

Man plant eine solche Aus­zeit dann am besten so genau wie mög­lich. Ange­fan­gen bei der Frage, ob man Kon­takt hat wäh­rend der Bezie­hungs­pause oder nicht, und wenn ja, wie dieser Kon­takt gestal­tet ist: Besu­che, Tele­fo­nate, skypen, Briefe schreiben.

Wenn man sich auch gegen­sei­tig besu­chen will, dann sollte geplant werden wann und wie oft; außer­dem sollte die Erwar­tungs­hal­tung nicht allzu hoch geschraubt sein, nach dem Motto: „Oh Gott, wir haben nur n paar Tage, und die müssen per­fekt sein.” – Und: „Oh Gott, das haben wir jetzt alles geplant, jetzt muss ich das auch so machen.”

Auf jeden Fall klärt man im Vor­feld, ob Sei­ten­sprünge erlaubt sind und wie damit umge­gan­gen wird, wenn sie vor­kom­men – werden sie ver­schwie­gen, oder spricht man dar­über. Kom­mu­ni­ka­tion, Kom­mu­ni­ka­tion, Kom­mu­ni­ka­tion! Sprecht über alles, was euch dies­be­züg­lich beschäf­tigt, was euch Angst macht, und was ihr mit­ein­an­der klären müsst, damit es euch gut geht.

Woran liegt es, ob man sich danach wieder näher gekommen ist oder sich noch weniger zu sagen hat?

Ein­fach eine Bezie­hungs­pause ein­zu­le­gen, mit der Absicht, sich im Anschluss näher­ge­kom­men zu sein, ist eine Illu­sion. Ich kann mir vor­stel­len, dass man sich in den Fällen näher­ge­kom­men ist, bei denen im Vor­feld die Kom­mu­ni­ka­tion gestimmt hat, und wenn sich beide bis zum Ende der [int­link id=“1020” type=“post”]Auszeit[/intlink] gut gefühlt haben mit der Aus­zeit. In den Fällen, in denen sich die Part­ner nach der Pause weni­ger zu sagen haben als zuvor, obwohl sie viel­leicht gut mit­ein­an­der gere­det haben im Vor­feld, kann es sein, dass es Fehl­ein­schät­zun­gen bei einem oder bei beiden Part­nern gab dazu, wie es sich dann tat­säch­lich anfühlt, auf Zeit getrennt zu sein. Viel­leicht musste man dann fest­stel­len, dass es eine Über­for­de­rung war, man sich falsch ein­ge­schätzt hat.

Studenten sind viel unterwegs, die Globalisierung macht es möglich, die Grenzen sind scheinbar endlos. Viele Beziehungen bestehen mehr aus Pausen als aus wirklicher Nähe. Wie kann eine Beziehung trotzdem harmonisch verlaufen?

Was erzeugt denn „wirk­li­che Nähe” für dich? Das kann sich jeder selber fragen. Wenn zwei Men­schen es schaf­fen, sich zu ver­stän­di­gen über ihre wahren Gefühle, dann ist man sich „ganz nah”, auch wenn Tau­sende von Kilo­me­tern dazwi­schen liegen; das ist noch einmal eine andere, beson­dere Nähe, als die, die man durch Sex erzeugt.

Glück­li­che Bezie­hun­gen zu führen, sind irre große Her­aus­for­de­run­gen, da ist noch kein Meis­ter vom Himmel gefal­len. Man sollte sich dar­über im Klaren sein, dass man in jeder Bezie­hung irgend­wann mit seinen eige­nen Unzu­läng­lich­kei­ten, Ängs­ten und Themen kon­fron­tiert wird und dass jede Bezie­hung Arbeit und Aus­ein­an­der­set­zung bedeu­tet und man auch schmerz­li­che Erfah­run­gen macht. Zugleich gibt es keine schö­nere Erfah­rung unter der Sonne, als die, zu lieben und wieder geliebt zu werden und die, dass Liebe wächst.

Kontaktinformationen:

The­resa Anneken

Sys­te­mi­sche The­ra­pie, Einzel- und Paarberatungen

Tel.: (0 30) 42 80 15 88

http://www.psychodrama-praxis-berlin.de

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Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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