Der Titel bleibt in Deutschland

Die deut­sche Frau­en­mann­schaft ist im inter­na­tio­na­len Fuß­ball erfolg­rei­cher als die Fuß­ball-Herren. Nächs­tes Jahr ver­tei­di­gen sie den Welt­meis­ter­ti­tel. Wir spra­chen mit der Tor­hü­te­rin der U23-Nationalmannschaft.

Die Frauen sind Deutsch­lands große Fuß­ball­hoff­nung. Nach­dem die Herren im Sommer das WM-Finale ver­pass­ten und nun auf die EM 2012 warten, berei­ten sich die Frauen auf ihre Welt­meis­ter­schaft im nächs­ten Jahr vor. Sie wollen ihren Titel von 2007 ver­tei­di­gen. Span­nend wird es vor allem, weil die Spiele in Deutsch­land aus­ge­tra­gen werden. Die deut­sche Frauen-U20-Natio­nal­­mann­schaft hat bereits einen Monat nach der inter­na­tio­nal bemerk­ten Herren-Nie­der­lage ihre Welt­meis­ter­qua­li­tä­ten bewiesen.

Dési­rée Schu­mann ist Tor­wär­te­rin bei Tur­bine Pots­dam. Die 20-Jäh­rige hütete auch bei der U20-WM das Tor, jetzt spielt sie in der U23-Mann­schaft. Wir unter­hiel­ten uns mit der stu­die­ren­den Pro­fi­fuß­bal­le­rin über das Som­mer­mär­chen 2010.

spree: Es heißt immer, Fuß­ball ist ein Män­ner­sport. Wie bist du zum Fuß­ball gekommen?

Dési­rée: Fuß­ball hat mich eigent­lich schon immer fas­zi­niert. Rich­tig ange­fan­gen zu spie­len habe ich durch meine Schwes­ter, die schon sehr früh aktiv Fuß­ball spielte und mich ein­fach mit­ge­nom­men hat. Über das „Kicken” auf dem Bolz­platz bin ich dann 1998 dem Verein in Berlin bei­getre­ten. Dann wurde der Sport ziem­lich schnell zu meinem Lebens­in­halt. Seit 2006 spiele ich bei Tur­bine Pots­dam und war bei den Natio­nal­mann­schaf­ten U13, U15, U20 aktiv. Jetzt spiele ich in der U23-Nationalmannschaft.

Wie konn­test du das mit der Schule vereinbaren?

Ich bin mit 16 auf das Sport­gym­na­sium gewech­selt. Die Trai­nings­zei­ten waren dann in die Unter­richts­zei­ten inte­griert. Das führte aber auch dazu, dass mein Tag sehr strikt orga­ni­siert und kaum fle­xi­bel gestalt­bar war. Dadurch blieb kaum Zeit, alte Freunde aus Berlin zu tref­fen oder ein­fach mal nichts zu tun.

In dein Stu­dium der euro­päi­schen Medi­en­wis­sen­schaf­ten war der Sport nicht direkt inte­griert, wie konn­test du das in den ver­gan­ge­nen zwei Semes­tern organisieren?

Es war sehr schwer, das Stu­dium und den Sport unter einen Hut zu bekom­men. Ich hatte unglaub­lich viele Fehl­zei­ten, da manche Spiele auch unter der Woche statt­fan­den. Wenn die Spiele im Aus­land waren, habe ich schon allein durch An- und Abreise sowie die Spiel­vor­be­rei­tung viele Uni­stun­den ver­lo­ren. Auf Haus­ar­bei­ten oder ähn­li­ches nehmen die Trainer­innen dann natür­lich keine Rücksicht.

Ein „nor­ma­les“ Stu­den­ten­le­ben war eigent­lich nicht möglich?

Nicht wirk­lich. Wenn andere nach Hause gefah­ren sind oder am Abend ein Bier trin­ken konn­ten, hatte ich Trai­ning oder Spiele. Das Pro­blem ist, dass man sich kaum auf andere Dinge kon­zen­trie­ren kann, wenn ein wich­ti­ges Spiel ansteht. Sicher habe ich auch „Frei­zeit”, aber den Kopf wirk­lich „frei” zu bekom­men ist schwer. Manch­mal will ich in den weni­gen freien Stun­den am Tag auch ein­fach ausspannen.

Trotz­dem wür­dest du den Fuß­ball nicht für ein wenig mehr „Stu­den­ten­le­ben“ auf­ge­ben oder eindämmen?

Auf keinem Fall. Sicher hatte ich immer mal den Gedan­ken, aber Zwei­feln ist normal. Ich erin­nere mich dann ein­fach an all die tollen Momente, die der Sport mit sich bringt, die Fans, die Erleich­te­rung nach einem erfolg­rei­chen Spiel und vieles mehr. Ich setze ein­fach andere Prio­ri­tä­ten in meinem Leben und stehe hinter der Ent­schei­dung. Außer­dem habe ich mich durch den Fuß­ball nicht nur sport­lich weiterentwickelt.

Was waren denn deine größ­ten „Key Lear­ning Points” neben den sport­li­chen Fähigkeiten?

Ich habe durch den Team­sport gelernt, auf andere Rück­sicht zu nehmen und gemein­sam für eine Sache zu kämp­fen, auch wenn es zwi­schen­mensch­li­che Dif­fe­ren­zen gibt. Sicher stehen alle Spie­le­rin­nen in Kon­kur­renz zuein­an­der, aber trotz­dem sind wir auf dem Feld ein Team. Wei­tere wich­tige Punkte sind Dis­zi­plin und Respekt vor den Leis­tun­gen der ande­ren. Ich denke, ich werde auch im spä­te­ren Arbeits­le­ben davon pro­fi­tie­ren können.

In diesem Jahr konnte die Männer-Natio­nal­elf bei der WM wieder „nur“ den 3. Platz bele­gen. Als ihr kurz danach die eigene WM gespielt habt, gab es da ein Gefühl von „Jetzt geben wir erst recht alles“?

Sicher haben wir uns gegen­sei­tig damit moti­viert, dass wir den Titel holen möch­ten, aber eine direkte Kon­kur­renz gibt es nicht, wir sind ja schließ­lich ein gemein­sa­mer Verein. Wir haben sehr gehofft, dass die Jungs den Titel holen und waren ent­täuscht, dass es nicht geklappt hat. Dass wir den Titel nun wirk­lich bekom­men haben, macht uns aber natür­lich beson­ders stolz.

Hattet ihr das Gefühl, von den Medien weni­ger beach­tet zu werden?

Eigent­lich nicht. Sicher bekommt der Frau­en­fuß­ball bisher weni­ger Auf­merk­sam­keit, aber wir haben natür­lich auch von der Eupho­rie der WM pro­fi­tiert. In den meis­ten Städ­ten hingen noch die Deutsch­land­flag­gen, und in Augs­burg zum Bei­spiel haben wir vor 24.000 Men­schen gespielt. Das ist ein echter Erfolg. Nach dem WM-Sieg haben auch so gut wie alle großen Zei­tun­gen über uns berichtet.

Aber trotz­dem bricht nicht das ganze Land in Eupho­rie aus, wenn das Wort Frau­en­fuß­ball fällt.

Nein, aber wir bekom­men immer mehr Auf­merk­sam­keit. Die Sache ist, dass der Frau­en­fuß­ball viel tech­ni­scher und weni­ger ath­le­tisch ist als der Män­ner­fuß­ball. Die Kon­kur­renz ist bei uns nach oben hin auch nicht so eng. Darum ist es immer noch sehr viel leich­ter, eine Frau­en­fuß­ball-WM zu gewin­nen als eine Männer-WM. Außer­dem gibt es immer noch Vor­ur­teile gegen­über Frauen im Fußball.

Wie steht die Männer-Natio­nal­elf zu euch?

Auch da bekom­men wir immer mehr Auf­merk­sam­keit, da der Frau­en­fuß­ball in Deutsch­land immer pro­fes­sio­nel­ler wird. Oft kommen Spie­ler der Natio­nal­mann­schaft zu unse­ren Spie­len und nehmen per­sön­lich mit uns Kon­takt auf. Bei der WM war sogar Beckenbauer­ unter den Zuschauern.

Denkst du, die Frau­en­na­tio­nal­elf für die WM nächs­tes Jahr fühlt sich nun noch moti­vier­ter zu gewin­nen unter dem Ein­druck der WM 2010 in Afrika?

Natür­lich wäre es toll, wenn die Mädels den Titel ver­tei­di­gen. Ich denke, dass die Auf­merk­sam­keit der Medien und der Men­schen enorm sein wird, gerade durch den 3. Platz der Männer. Dann wird es sicher auch ein Gefühl von „jetzt erst recht” geben.

Also wird die WM 2011 sehenswert?

Auf jeden Fall. Ich bin mir sicher, dass die WM 2011 ein echtes Spek­ta­kel wird. Die Mann­schaf­ten der ande­ren Länder haben sich ebenso wei­ter­ent­wi­ckelt, und es wird nicht mehr so ein­fach wie in 2007, den Titel zu holen. Außer­dem ist Deutsch­land der Aus­tra­gungs­ort der WM, was die deut­sche Mann­schaft noch mehr moti­viert. Man kann sich auf jeden Fall auf schö­nen Fuß­ball und span­nende Spiele freuen.

Frauen-WM 2011
Aus­tra­gungs­ort: Deutsch­land
Teil­neh­mer: 16 Mannschaften
Datum: 26. Juni bis 17. Juli 2011
Eröff­nungs­spiel: Berlin Olympiastadion
Kar­ten­vor­ver­kauf: 3. Ver­kaufs­phase läuft
Home­page: www.fifa.com/womensworldcup

Über Janine Noack (20 Artikel)
Janine studierte von 2009-2012 Geschichte, Politk und Soziologie an der HU Berlin und absolviert derzeit ihren Master in Modern European History an der Universität Cambridge.