Bunt gemischt
Deutschland debattiert, dass Migranten sich nicht integrieren würden. Doch worüber sprechen wir eigentlich, wenn wir von Migranten sprechen? Und wie viele studieren an Berliner Unis?
In der bundesweiten Diskussion um die Intergration von Menschen mit Migrationshintergrund und deren angezweifelte Bildungsbereitschaft, werden Migranten als Fremde stilisiert, die außerhalb der Gesellschaft stehen. Sind Migranten auch an der Uni ein seltenes Bild? Jeder vierte Berliner hat laut dem Mikrozensus von 2009 Migrationshintergrund. Der Anteil von Schülern mit nicht-deutscher Herkunftssprache beträgt sogar 32,3 Prozent. Die Sozialerhebung des Studentenwerks ergab, dass aber nur elf Prozent aller Studierenden einen Migrationshintergrund haben, diese Zahlen lassen sich nicht direkt auf Berlin übertragen. Wir fragten bei den Berliner Universitäten nach, wie viele Migranten hier studieren.
Der Teufel liegt im Detail. Im Alltag verstehen wir unter „Migranten“ in Deutschland lebende Menschen, von denen mindestens ein Elternteil nicht-deutscher Herkunft ist. Die Universitäten verfügen zwar über Statistiken, aber diese beziehen sich nur auf die Unterscheidung zwischen Bildungsinländern und ‑ausländern. Migranten, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, gelten danach als Inländer, jene ohne Staatsbürgerschaft als Ausländer.
„Der Anteil der ausländischen Studierenden an der Freien Universität Berlin ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen“, teilte die FU mit. Er betrug im Wintersemester 2007/2008 16 Prozent und lag im Sommersemester 2010 bei 19 Prozent. Zurzeit sind 6.040 Studierende aus dem Ausland an der Freien Universität immatrikuliert. Die meisten stammen aus den USA (533), ihnen folgen als Herkunftsland Polen (452), die Türkei (347), die Russische Föderation (321), China (282), Bulgarien (280) sowie Frankreich und Italien (je 272).
Die TU Berlin kann ähnliche Ergebnisse vorweisen: „Wir gehen angesichts der laufenden Zulassungs- und Immatrikulationsverfahren für das Wintersemester 2010⁄11 davon aus, das Niveau der Vorjahre im Hinblick auf ausländische Studierende zu halten“, sagt Dr. Horst Henrici, Leiter der Abteilung Studierendenservice. Im Verhältnis seien dies rund 20 Prozent. Die größten Gruppen stammten nach wie vor aus China, Polen und der Türkei, sagt Henrici.
Bei Bildungsinländern mit Migrationshintergrund müssen die Unis aber passen. Studenten, die in Deutschland leben und von denen mindestens ein Elternteil nicht-deutscher Herkunft ist, gelten als Bildungsinländer und werden nicht erfasst. Auch nicht Amons Schwestern. Der Palästinenser wurde in Berlin geboren und führt ein kleines Geschäft. Stolz erzählt er von seinen Schwestern: Nida schließt bald ihr Jura-Studium ab, Sevar studiert Kulturwissenschaften, und Zoya will Politiklehrerin werden. Zumindest Zoya passt in die Agenda des Berliner Senats, der mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund für den Lehrerberuf gewinnen will. „Einer zunehmendenen Heterogenität der Schülerschaft müssen die Schulen mit einer gleichzeitigen interkulturellen Öffnung auch im Lehrerzimmer begegnen“, sagt die Staatssekretärin für Bidlung, Jugend und Familie, Claudia Zinke.
Angesichts der unterschiedlichen statistischen Ansätze muss jede Diskussion um das Vermögen und Unvermögen von Migranten falsche Ergebnisse liefern. Also ist eine andere Diskussionsebene als die des Anprangerns und Ausgrenzens nötig, um gesellschaftliche und sozialpolitische Probleme nicht mit oberflächlichen und halbgaren Ansätzen zu lösen.