Vom Blog zum Blatt

[Jour­na­lis­mus] „Print ist tot”, sagen die Einen. Sie setzen voll auf das Inter­net. „Uns doch egal”, sagen einige junge Medi­en­ma­cher und star­ten neue Print-Projekte.

Viele Blog­ger sind sich einig: Jour­na­lis­ti­sche Inhalte werden künf­tig nur noch im Inter­net gele­sen. „Holz­me­dien”, wie sie Zei­tun­gen, Zeit­schrif­ten und Maga­zine nennen, werden ver­schwin­den. Alex­an­der Gör­lach ist zwar kein Blog­ger, bei der Grün­dung seines Maga­zins setzt er trotz­dem aus­schließ­lich auf das Inter­net. Der Her­aus­ge­ber von theeuropean.de ist über­zeugt, dass wir in Zukunft alles im Web kon­su­mie­ren werden: „Vom ZDF bis zum Lieb­lings­blog.” Wirk­lich alles? Nein. Ein paar junge Print­lieb­ha­ber rennen dem Trend ent­ge­gen. Sie grün­den Maga­zine und finden dafür neue Formen. Da gibt es Boo­ka­zi­nes, Maga­zin­in­halte in Buch­form, und Maga­zine, bei denen sich User mit ihren jour­na­lis­ti­schen Bei­trä­gen bewer­ben, die dann als Heft gedruckt werden.

Opti­mis­mus

Dabei haben es die neuen Titel nicht leicht im Wett­be­werb mit Platz­hir­schen wie Neon. „Bei uns gibt es keinen blin­den Opti­mis­mus”, sagt Josef May­er­ho­fer, der 24-jäh­rige Geschäfts­füh­rer des Herz­note Ver­lags. Er und sein sechs­köp­fi­ges Redak­ti­ons-Team haben am 14. Sep­tem­ber die erste Aus­gabe des Circus Blogger’s Boo­ka­zine her­aus­ge­bracht. Das Kon­zept: Blog­ger aus der ganzen Welt schrei­ben die Maga­zin­bei­träge. Her­aus­kom­men soll ein mono­the­ma­ti­sches Maga­zin in Buch­form für „hedo­nis­ti­sche Ästhe­ten”, wie der Her­aus­ge­ber seine Ziel­gruppe umschreibt.

„Es gibt viel zu viele Print­ti­tel ohne Daseins­be­rech­ti­gung”, findet May­er­ho­fer. In diesem Brei aus guten und schlech­ten Maga­zi­nen wollen sie jetzt mit­mi­schen. Wenn das Kon­zept in die Hose geht, werden sie nicht von einem gro­ßen Verlag auf­ge­fan­gen. Die Redak­ti­ons­mit­glie­der von Circus stu­die­ren noch oder haben ihr Stu­dium gerade abge­schlos­sen. Sollte das Pro­jekt schei­tern, haften die vier jungen Medi­en­ma­cher mit ihrem ganzen Privatvermögen.

Idea­lis­mus

Der 24-Jäh­rige aus Darm­stadt schwärmt von seinem Lieb­lings­ma­ga­zin­la­den in Berlin. Die ganze Redak­tion durch­stö­bert dort manch­mal das Sor­ti­ment. May­er­ho­fer liebt den Geruch von Papier, das Rascheln beim Umblät­tern und das Gefühl, etwas aus Papier in der Hand zu halten. Dafür nimmt er näch­te­lan­ges Feilen an der nächs­ten Aus­gabe und das finan­zi­elle Risiko in Kauf. Auch Maga­zin-Grün­der Chris Schie­bel gibt zu: „Es gehört rie­si­ger Idea­lis­mus dazu.”

Idea­lis­mus, Lieb­ha­be­rei und Fas­zi­na­tion für das Gedruckte sind die Mischung, die junge Men­schen zur Maga­zin­grün­dung ver­füh­ren. So auch den 26-jäh­ri­gen Schie­bel. Er ist Geschäfts­füh­rer von „dein­blick”, ein Maga­zin, das die Texte und Fotos von inter­na­tio­na­len Künst­lern aus allen Spar­ten veröffent­licht. Das sind zum Bei­spiel Musi­ker, Gra­fi­ker, Archi­tek­ten und natür­lich Jour­na­lis­ten. Über das Inter­net bekommt Schie­bel die Bei­träge zuge­schickt. Auch wenn es das Pro­dukt nur auf Papier gibt, auf das Inter­net könnte er bei seiner Arbeit nicht ver­zich­ten. Genauso wenig wie die Redak­tion des „Circus”-Magazin. Sie sind näm­lich auf die Blog­ger ange­wie­sen, die ihnen die Inhalte lie­fern. Bei diesen beiden Pro­jek­ten bewe­gen sich Blo­go­sphäre und Print aufein­ander zu. Blog­ger lie­fern die inhalt­li­che Grund­lage, die gedruck­ten Blog­ger-Texte genie­ßen mehr Glaubwürdigkeit.

Zeit­lo­sig­keit

Denn auch wenn junge Leser inter­netaf­fin sind, zwei­feln sie an der Glaub­wür­dig­keit der Inhalte im Inter­net. Wie zum Bei­spiel die 22-jäh­rige Teil­neh­me­rin der Jugend­me­di­en­tage Aline Abboud: „Im Print­jour­na­lis­mus haben die Redak­teure mehr Zeit für Recher­che. Das ist wich­ti­ger als Aktua­li­tät.” Genau das wollen Maga­zine wie „Circus” und „dein­blick”: Ihr Pro­dukt soll nach­hal­tig und zeit­los sein. „Etwas, über das man stol­pert, das man öfter in die Hand nimmt”, sagt Schiebel.

Ob diese Kon­zepte auf­ge­hen? Auch wenn das Inter­net einige Print­ti­tel vom Markt ver­drängt hat, ist ein Ende von Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten vor­erst nicht in Sicht, so die Pro­gnose von Gabriele Toep­ser-Zie­gert vom Zei­tungs­for­schungs­in­sti­tut. Das haben auch „Circus” und „dein­blick” ver­stan­den. Sie ver­su­chen, eine Brücke zwi­schen Print und Online zu schla­gen – einige nennen das Printernet.