Warten auf das Rampenlicht

„Ruhm, Applaus und Aner­ken­nung” steht auf vielen Wunsch­zet­teln. Cas­ting­shows ver­spre­chen eine schnelle Wunsch­er­fül­lung. Oft bleibt es aber ein leeres Versprechen.

Castingstars verglühen so schnell wie Sternschnuppen. Castingshows versprechen das Leben als Sternchen am Promihimmel. Doch ist die Entwicklung noch nachhaltig? – Foto: Albrecht Noack

Zur Vor­stel­lung unse­rer Fakul­tät legte der Dozent eine Folie mit dem aktu­el­len Stu­den­ten­spie­gel auf. Laut diesem lassen sich Stu­den­ten auf sechs Grund­ty­pen redu­zie­ren. Der Ratio­nale, dem es haupt­säch­lich um Sicher­heit und ein hohes Gehalt gehe, ist zum Bei­spiel einer davon. Er steht den Welt­ver­bes­se­rern gegen­über, die sich sozial enga­gie­ren und als Berufs­ziel „Nette Kol­le­gen” nennen. Spaßig war die Umfrage für uns den­noch, schließ­lich erkannte sich kaum einer der Kom­mi­li­to­nen wieder. Unsere per­sön­li­chen Lebens­träume, die wir manch­mal jah­re­lang mit uns her­um­ge­tra­gen haben, werden wir an der Uni wohl begra­ben müssen. Wel­cher Stu­dent, der als Kind noch Fuß­ball­profi werden wollte, kann sich diesen Wunsch jetzt erfül­len? Als Stu­den­ten haben wir einen neuen Lebens­ab­schnitt betre­ten, oft nehmen wir dann auch Abschied von den Träu­men unse­rer Kind­heit. Aber die­je­ni­gen, die pro­mi­nent und von den Massen geliebt werden wollen, warum soll­ten die das­selbe machen?

Jeder wird gecastet

Das Fern­se­hen hat eine Ant­wort für die Ruhm­su­chen­den unter uns gefun­den: Cas­ting­shows. Anfangs wurden in diesem TV-Format haupt­säch­lich Sänger und Sän­ge­rin­nen gesucht, heut­zu­tage wird fast jeder Job im Fern­se­hen aus­ge­schrie­ben; sei es als Top­mo­del, Koch, Tänzer oder ein­fach nur Super­ta­lent. Wir jungen Leute müssen uns bloß für eine dieser Kar­rie­ren ent­schei­den. Die Zuschauer inter­es­siere solche Shows und der Wer­de­gang der Stars, wie die Welt auf­zeigt. Lena hat es doch vor­ge­macht: Schon mit 19 Jahren hören wir sie stän­dig im Radio.

Wer aller­dings kein Super­ta­lent auf­zu­wei­sen hat, muss den Kopf nicht hängen lassen. Die bekann­tes­ten Cas­ting­shows halten selten nach den Talen­tier­tes­ten Aus­schau, son­dern legen mehr Wert auf die Unter­hal­tung im Sinne einer Sei­fen­oper. Eine mit­tel­mä­ßige Bega­bung lässt sich durch­aus mit einer guten Geschichte über­de­cken, Paul Potts, Michael Hirte und wie sie alle heißen demons­trie­ren es.

Show als Job

Uns wird eine Lüge auf­ge­tischt: Du musst dich nur anmel­den, im nächs­ten Moment wirst du auf der Bühne beju­belt. Dass es leider nicht so ist, hat der Ber­li­ner Sozio­loge Uli Jähne bereits 2004 fest­ge­stellt. In seinem Auf­satz über Cas­ting­shows zog er die Par­al­le­len zum realen Arbeits­markt: Die Suche nach dem Star wird zur „gewöhn­li­chen Stel­len­aus­schrei­bung” und das Mas­sen­cas­ting zum „ver­öf­fent­lich­ten Bewer­bungs- und Prü­fungs­ver­fah­ren”. Ab dem Recall ist man „ange­stellt”, durch Tanz- und Gesangs­leh­rer findet eine „Aus­bil­dung” statt, und die Jury bestimmt als „Asses­se­ment Center” über „Beför­de­rung” oder „Ent­las­sung”. Das erin­nert an das Pro­ze­dere einer Agen­tur für Arbeit.

Dass es in einer sol­chen Show knall­hart zugeht, ver­deut­licht allein die Zahl der Teil­neh­mer. 33.730 Stu­die­rende besu­chen die Hum­boldt-Uni­ver­si­tät, unge­fähr genauso viele mel­de­ten sich für die ver­gan­gene Staf­fel bei „Deutsch­land sucht den Super­star” an – um sich auf eine ein­zige Stelle zu „bewer­ben”. Das ist, als ob alle Stu­den­ten auf einmal Uni­prä­si­dent werden wollen. Doch die Mehr­heit wird mit Sätzen wie „Wir suchen hier Pra­li­nen, und vor uns stehen nur lauter Lut­scher” nach Hause geschickt. Auch hier zählt der Ellen­bo­gen, naive Selbst­ein­schät­zung wird sofort bestraft. Unser Redak­teur Chris­to­pher Jestädt geht in seinem Arti­kel “Stars sind geil” der Frage nach, wes­we­gen Cas­ting­stars pola­ri­sie­ren müssen, um erfolg­reich zu sein. Aus der Traum vom raschen Ruhm.

Talent und Strebsamkeit

Dass es aber auch Stars gibt, die sich nicht ein­fach so ver­hei­zen lassen, gibt Hoff­nung. Für Oslo wurde eine Person mit Per­sön­lich­keit und Bega­bung gesucht – und gefun­den. Auch der Sieger der ersten DSDS-Staf­fel hat sich erfolg­reich als Musi­cal-Sänger eta­bliert. Er hat damit zwar kein Super­star-Image mehr, seinen Traum vom Singen hat er sich trotz­dem erfüllt. Er hat für diesen Traum gekämpft, und mit der Cas­ting­show erfolg­reich eine Abkür­zung zu seinen Zielen genommen.

Solche Abkür­zun­gen stehen einem nicht immer offen. Nur wer auch ohne sie seine Träume ver­wirk­li­chen könnte, kann sie erfolg­reich nutzen. Schließ­lich wusste schon Goethe: „Unsere Wün­sche sind die Vor­bo­ten der Fähig­kei­ten, die in uns liegen.” Es reicht also nicht, sich auf die Bühne zu stel­len und zu warten, bis das Ram­pen­licht zufäl­lig auf einen fällt. Denn ob es nun Geld, Zeit oder Über­win­dung kostet; ohne etwas in die eige­nen Wün­sche zu inves­tie­ren, treten wir frus­triert auf der Stelle und blei­ben in unse­rem Traumland.

Zur Selbst­mo­ti­va­tion hat jeder seine eigene Methode. Wer seine Wün­sche auf­schreibt, hat sie stän­dig vor seinem Auge. Wer dann noch das nötige Quänt­chen Glück hat, kann dafür sorgen, dass die Worte nicht nur Worte bleiben.

 

Über Jan Lindenau (25 Artikel)
kann sich nicht daran erinnern, jemals gesagt zu haben, dass er „irgendwas mit Medien machen will“. Ist trotzdem irgendwie Chefredakteur der spree geworden. Große Leidenschaft für Sprache, Literatur, Russland - und ja, Medien.