Warten auf das Rampenlicht
„Ruhm, Applaus und Anerkennung” steht auf vielen Wunschzetteln. Castingshows versprechen eine schnelle Wunscherfüllung. Oft bleibt es aber ein leeres Versprechen.
Zur Vorstellung unserer Fakultät legte der Dozent eine Folie mit dem aktuellen Studentenspiegel auf. Laut diesem lassen sich Studenten auf sechs Grundtypen reduzieren. Der Rationale, dem es hauptsächlich um Sicherheit und ein hohes Gehalt gehe, ist zum Beispiel einer davon. Er steht den Weltverbesserern gegenüber, die sich sozial engagieren und als Berufsziel „Nette Kollegen” nennen. Spaßig war die Umfrage für uns dennoch, schließlich erkannte sich kaum einer der Kommilitonen wieder. Unsere persönlichen Lebensträume, die wir manchmal jahrelang mit uns herumgetragen haben, werden wir an der Uni wohl begraben müssen. Welcher Student, der als Kind noch Fußballprofi werden wollte, kann sich diesen Wunsch jetzt erfüllen? Als Studenten haben wir einen neuen Lebensabschnitt betreten, oft nehmen wir dann auch Abschied von den Träumen unserer Kindheit. Aber diejenigen, die prominent und von den Massen geliebt werden wollen, warum sollten die dasselbe machen?
Jeder wird gecastet
Das Fernsehen hat eine Antwort für die Ruhmsuchenden unter uns gefunden: Castingshows. Anfangs wurden in diesem TV-Format hauptsächlich Sänger und Sängerinnen gesucht, heutzutage wird fast jeder Job im Fernsehen ausgeschrieben; sei es als Topmodel, Koch, Tänzer oder einfach nur Supertalent. Wir jungen Leute müssen uns bloß für eine dieser Karrieren entscheiden. Die Zuschauer interessiere solche Shows und der Werdegang der Stars, wie die Welt aufzeigt. Lena hat es doch vorgemacht: Schon mit 19 Jahren hören wir sie ständig im Radio.
Wer allerdings kein Supertalent aufzuweisen hat, muss den Kopf nicht hängen lassen. Die bekanntesten Castingshows halten selten nach den Talentiertesten Ausschau, sondern legen mehr Wert auf die Unterhaltung im Sinne einer Seifenoper. Eine mittelmäßige Begabung lässt sich durchaus mit einer guten Geschichte überdecken, Paul Potts, Michael Hirte und wie sie alle heißen demonstrieren es.
Show als Job
Uns wird eine Lüge aufgetischt: Du musst dich nur anmelden, im nächsten Moment wirst du auf der Bühne bejubelt. Dass es leider nicht so ist, hat der Berliner Soziologe Uli Jähne bereits 2004 festgestellt. In seinem Aufsatz über Castingshows zog er die Parallelen zum realen Arbeitsmarkt: Die Suche nach dem Star wird zur „gewöhnlichen Stellenausschreibung” und das Massencasting zum „veröffentlichten Bewerbungs- und Prüfungsverfahren”. Ab dem Recall ist man „angestellt”, durch Tanz- und Gesangslehrer findet eine „Ausbildung” statt, und die Jury bestimmt als „Assessement Center” über „Beförderung” oder „Entlassung”. Das erinnert an das Prozedere einer Agentur für Arbeit.
Dass es in einer solchen Show knallhart zugeht, verdeutlicht allein die Zahl der Teilnehmer. 33.730 Studierende besuchen die Humboldt-Universität, ungefähr genauso viele meldeten sich für die vergangene Staffel bei „Deutschland sucht den Superstar” an – um sich auf eine einzige Stelle zu „bewerben”. Das ist, als ob alle Studenten auf einmal Unipräsident werden wollen. Doch die Mehrheit wird mit Sätzen wie „Wir suchen hier Pralinen, und vor uns stehen nur lauter Lutscher” nach Hause geschickt. Auch hier zählt der Ellenbogen, naive Selbsteinschätzung wird sofort bestraft. Unser Redakteur Christopher Jestädt geht in seinem Artikel “Stars sind geil” der Frage nach, weswegen Castingstars polarisieren müssen, um erfolgreich zu sein. Aus der Traum vom raschen Ruhm.
Talent und Strebsamkeit
Dass es aber auch Stars gibt, die sich nicht einfach so verheizen lassen, gibt Hoffnung. Für Oslo wurde eine Person mit Persönlichkeit und Begabung gesucht – und gefunden. Auch der Sieger der ersten DSDS-Staffel hat sich erfolgreich als Musical-Sänger etabliert. Er hat damit zwar kein Superstar-Image mehr, seinen Traum vom Singen hat er sich trotzdem erfüllt. Er hat für diesen Traum gekämpft, und mit der Castingshow erfolgreich eine Abkürzung zu seinen Zielen genommen.
Solche Abkürzungen stehen einem nicht immer offen. Nur wer auch ohne sie seine Träume verwirklichen könnte, kann sie erfolgreich nutzen. Schließlich wusste schon Goethe: „Unsere Wünsche sind die Vorboten der Fähigkeiten, die in uns liegen.” Es reicht also nicht, sich auf die Bühne zu stellen und zu warten, bis das Rampenlicht zufällig auf einen fällt. Denn ob es nun Geld, Zeit oder Überwindung kostet; ohne etwas in die eigenen Wünsche zu investieren, treten wir frustriert auf der Stelle und bleiben in unserem Traumland.
Zur Selbstmotivation hat jeder seine eigene Methode. Wer seine Wünsche aufschreibt, hat sie ständig vor seinem Auge. Wer dann noch das nötige Quäntchen Glück hat, kann dafür sorgen, dass die Worte nicht nur Worte bleiben.