Gut bekleidet

Klei­der machen Leute – über­all, auch in der Uni. Davon können wir uns ein­fach nicht freimachen.

Gut bekleidet durchs Studium. Foto: A. Noack

Die Uni ist ein Lauf­steg. Stu­die­rende fun­gie­ren als Models und Desi­gner in Per­so­nal­union. Klei­dung ist das erste State­ment, das man abgibt. Sie verrät etwas über den Träger, dessen Geschmack, Ein­stel­lung zum Leben, seine Her­kunft, Ziele im Leben und die aktu­elle Stim­mungs­lage. Schon aus diesem Grund wird sich eine reine FKK-Gesell­schaft nie­mals durch­set­zen können: Klei­dung als stumme Aus­sage würde ein­fach fehlen und es unnö­tig erschwe­ren, etwas über sich aus­zu­sa­gen und über andere herauszufinden.

Gemein­hin gilt für die eigene Prä­sen­ta­tion , dass sie einen gut daste­hen lassen soll. Man möchte von seiner Umwelt posi­tiv wahr­ge­nom­men werden, nicht als unge­pflegt gelten und die eigene Per­sön­lich­keit aus­le­ben. Das Abwei­chen von diesem Ideal ist natür­lich auch eine Aus­sage über die eigene Posi­tion in der und zur Gesell­schaft. Für viele Stu­den­ten ist die Uni die wich­tigste Mög­lich­keit, sich der Öffent­lich­keit zu prä­sen­tie­ren. Hier können sie sich mit ande­ren ver­glei­chen, ihren eige­nen Stil suchen, testen und wei­ter­ent­wi­ckeln. Als Inspi­ra­ti­ons­quelle genügt ein auf­merk­sa­mer Blick in die Mensa: indi­vi­du­el­ler Klei­der­stil, Haute-Cou­ture- Lady, Nor­ma­los, „Ich hasse Shoppen“-Zombie, läs­sige Sports­ka­none, Intel­lek­tu­elle im karier­ten Hemd und „Trend­set­ter“ à la Nerd­brille. Jeder stellt seinen eige­nen Look zusam­men, der Krea­ti­vi­tät sind keine Gren­zen gesetzt, und erlaubt ist das, worin man sich wohlfühlt.

Das Stu­den­ten­kli­schee im vori­gen Jahr­hun­dert lebte und pflegte seinen eige­nen Stil. Bir­ken­stock- San­da­len mit weißen Socken galten als intel­lek­tu­el­les State­ment: Ich stu­diere Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und bin stolz darauf. Was noch in den 80er Jahren als bewusste Anti- Hal­tung insze­niert und gemeint war, verkam in den 90ern zuneh­mend zur reinen Selbst­in­sze­nie­rung. Heut­zu­tage emp­fiehlt man sich dage­gen mit seiner Uni-Klei­dung bereits für den spä­te­ren Job oder zele­briert offen­siv eine dif­fuse Anti-Haltung.

Mode ist für Stu­den­ten wie Kunst. Befreit von elter­li­cher Bevor­mun­dung und ohne Kon­se­quen­zen im Berufs­le­ben können sie alles aus­pro­bie­ren. Die Uni ist die Lein­wand, die Stu­den­ten die Künst­ler, welche diese mit einer Viel­zahl unter­schied­li­cher Farben füllen. Kun­ter­bunt, frei von Vor­ga­ben, Regeln und Geset­zen. Nur eine Regel gilt dabei für alle: Der Anschein trifft die erste Aus­sage über das Sein.

Über Peter Schoh (20 Artikel)
Eher der heiteren Seite des studentischen Lebens zugewandt. Hält Berlin für die tollste Stadt der Welt und glaubt nicht, dass es eine schönere Zeit als die des Studierens gibt.